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CDU kungelt Kanzlerkandidaten aus: "Die haben nichts begriffen"


Was heute wichtig ist
Die haben nichts begriffen

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 12.02.2020Lesedauer: 8 Min.
Meinung
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Armin Laschet, hier als Zeitungsleser im November 2018, mischt in der Kungelei um die Kanzlerkandidatur mit.Vergrößern des Bildes
Armin Laschet, hier als Zeitungsleser im November 2018, mischt in der Kungelei um die Kanzlerkandidatur mit. (Quelle: imago images/dpa-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Still ist es. Außergewöhnlich still. Menschen gehen nicht ans Telefon, lassen SMS-Nachrichten unbeantwortet, meiden die Mikrofone der Fernsehsender. Zum üblichen Stimmengewirr des politischen Betriebs steht diese Stille in auffallendem Kontrast. Hinterbänkler und andere Hintersassen mögen auch jetzt noch allerlei in die Welt hinausposaunen, aber aus der ersten Reihe der CDU vernehmen wir außer einigen Phrasen nur Schweigen.

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Eine Stille wie diese ist meist ein untrügliches Zeichen, dass hinter den Kulissen ausgiebig getuschelt wird. Nach dem angekündigten Rückzug Annegret Kramp-Karrenbauers braucht die CDU einen neuen Vorsitzenden und vor allem einen Kanzlerkandidaten. Wer sich selbst dafür geeignet sieht, wissen wir inzwischen – aber wer von denen wird es? Genau darum geht es nun, aber nicht im Scheinwerferlicht der demokratischen Arena, sondern im Halbdunkel der Hinterzimmer. Schwierig, in diesen Stunden an verlässliche Informationen zu gelangen, aber nach allem, was man weiß, versuchen Friedrich Merz und Armin Laschet ihre Truppen zu sammeln, und auch Jens Spahn, CSU-Chef Markus Söder und Angela Merkel ziehen kräftig an den Strippen.

Schließlich geht es nicht nur um ein neues Gesicht, sondern auch um eine Richtungsentscheidung: Bleibt die Union auf dem liberalen Merkel-Kurs oder schwenkt sie in die konservative Ecke? Für Ersteres steht NRW-Ministerpräsident Laschet, der wohl vergnügt mit den Grünen koalieren würde. Für Letzteres steht Merz, dem zugetraut wird, die Herzen ehemaliger Unionsanhänger zurückzugewinnen, die zur AfD abgewandert sind. Spahn steht irgendwo dazwischen (oder weiß noch nicht genau, wo er stehen soll). Die Kanzlerin, so heißt es, sähe gern Laschet auf dem Thron, auch deshalb, weil sie dann wohl in Ruhe bis 2021 zu Ende regieren könnte. Für Merz trommeln vor allem CDU-Anhänger in NRW, Baden-Württemberg und Ostdeutschland, auch deshalb, weil er Merkel wohl schon früher verdrängen würde. Dann gäbe es womöglich schon bald Neuwahlen. Zwei Motive, aber eine Methode: Die CDU braucht eine neue Führung, also zieht sie sich in die Hinterzimmer zurück und zieht die Vorhänge zu. "In der Partei ist es so auffallend ruhig, dass viele bereits erste Absprachen vermuten", berichtet unser Reporter Tim Kummert.

Wirklich bemerkenswert, wie schnell die CDU nach dem Wirbel der vergangenen Tage in althergebrachte Muster verfällt. Sie begreift die Aufregung um die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen und den AKK-Abgang mehrheitlich als Bedrohung, nicht als Chance. Aus Angst vor der Ungewissheit will man den neuen Boss im kleinen Kreis auskungeln und diesen dann von handverlesenen Delegierten auf einem Parteitag abnicken lassen. Das zeigt: Die CDU-Führung hat noch nicht einmal ansatzweise begriffen, wie groß ihr Problem in Wahrheit ist.

Es ist dasselbe wie bei der SPD: Mit ihren verkrusteten Strukturen, ihrer altbackenen Kommunikation und ihrem in Parteigremien gedrillten Personal haben sich die Volksparteien von der gesellschaftlichen Realität entkoppelt. Jahrelang haben sie viel Kraft dafür aufgewendet, an der Macht zu bleiben, im Bund, in den Ländern, in Gemeinderäten, Rundfunkräten, wo auch immer. Wir führen, ihr folgt: Das ist aller partizipativen Beteuerungen zum Trotz nach wie vor die vorherrschende Haltung der CDU-Kader gegenüber dem Wahlvolk. Weil Merz/Laschet/Merkel/AKK und Co. zu wissen glauben, was gut für die Menschen ist (und weil es ihren Karrieren dient), steuern sie die politischen Prozesse nach dem Einbahnstraßenprinzip: Wir senden, ihr hört zu. Wir entscheiden, ihr akzeptiert.

Das Problem ist: Vor 15 Jahren mag diese Ohropax-Methode noch funktioniert haben. Heute aber, wo die Gesellschaft so divers wie nie zuvor ist, wo über die sozialen Medien jeder mit jedem und über jeden reden kann, wo tradierte Autoritäten ihr Informationsmonopol verloren haben, wo sich die Jugend selbst organisiert, wo ein blauhaariger YouTuber in weniger als einer Stunde eine Regierungspartei in die Krise reden kann, da wirkt die eindimensionale Weltsicht des CDU-Führungspersonals wie ein Relikt aus dem politischen Pleistozän. Die Damen und Herren ähneln Dinosauriern, die in ihrem jahrelangen Trott nicht gemerkt haben, wie sich die Welt um sie herum verändert hat. Sie trotten einfach weiter wie bisher, und irgendwann droht ihnen das Aussterben, weil die Welt ihren Trott einfach nicht mehr braucht. Als er gestern zur Möglichkeit eines Mitgliederentscheids befragt wurde, klang das bei Friedrich Merz so: "Ich halte davon überhaupt nichts. Wir können Mitglieder befragen, aber eine Entscheidung zu treffen, dafür haben wir Gremien." Hätte Louis XIV. nicht schöner sagen können.

Andere sind klüger. Heute Morgen schauen wir nach Amerika, in New Hampshire haben die Demokraten ihre zweite Entscheidung im Vorwahlkampf um die Präsidentschaft getroffen (hier das Ergebnis nach der Auszählung von mehr als 85 Prozent der Stimmen: Bernie Sanders – 25,7 Prozent, Pete Buttigieg – 24,4 Prozent, Amy Klobuchar – 19,7 Prozent). Dieser Wahlkampf ist nicht unumstritten. Mal gibt es technische Probleme, mancher beklagt die Dollarschlacht der Kandidaten. Eines aber garantiert dieses Verfahren: Es bringt durchsetzungsstarke, widerstandsfähige Kandidaten für das wichtigste Staatsamt hervor. Wer es geschafft hat, in allen 50 Bundesstaaten die Anhänger seiner Partei zu überzeugen, wer der permanenten medialen Aufmerksamkeit standgehalten und bei unzähligen Begegnungen mit Bürgern Empathie, Entschlossenheit und Einfallsreichtum bewiesen hat, der hat nicht nur die denkbar härteste politische Prüfung bestanden. Er oder sie hat auch viele wertvolle Erfahrungen für sein künftiges Amt gesammelt. So gut wie jeder US-Präsident berichtete später von entscheidenden Momenten im Wahlkampf, die ihn prägten und seine Entscheidungsfindung erleichterten.

Natürlich lässt sich das amerikanische Präsidialsystem nicht mit der repräsentativen Demokratie in Deutschland gleichsetzen. Aber auch hierzulande sollte viel intensiver darüber nachgedacht werden, in welcher Form Parteimitglieder an der Kür eines Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten beteiligt werden können. Sicher, Kramp-Karrenbauer, Merz und Spahn tingelten schon einmal gemeinsam durchs Land. Aber die Entscheidung traf am Ende ein Parteitag. Sicher, die SPD hat nicht nur gute Erfahrungen mit dem langwierigen Mitgliederentscheid gemacht. Trotzdem kann so ein Prozess eine Partei beleben, die Mitglieder motivieren und mobilisieren. Wenn – ja, wenn die Leute an der Spitze einfach mal auf ihre Ämterkungelei verzichten und die wichtigste Personalentscheidung jenen überlassen würden, die die Kandidaten später auch ins Kanzleramt wählen sollen: ihren Anhängern. Eingetragenen Mitgliedern – aber warum nicht auch anderen interessierten Bürgern? Will die CDU ihre Krise nicht nur notdürftig übertünchen, sondern nachhaltig lösen, braucht sie neue demokratische Prozesse zur Entscheidungsfindung. Eine Urwahl der neuen Nummer eins kann ein kraftvoller Anfang sein. Die Antwort auf die Frage, ob sie sich diese Transparenz zutraut, kann auch darüber entscheiden, ob der CDU die dringend notwendige Modernisierung gelingt.

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Wie weit sich der Rechtsextremismus bereits in unsere Gesellschaft hineingefressen hat, zeigt eine alarmierende Meldung der Bundestagsverwaltung. Demnach hat der Berliner Unternehmer Christian Krawinkel nach dem Thüringer Politik-Eklat 100.000 Euro an den AfD-Landesverband von Björn Höcke gespendet. Also jenes Mannes, der gerichtlich verbrieft als Faschist bezeichnet werden kann und von Verfassungsschützern als Gefahr für die deutsche Demokratie betrachtet wird. Krawinkel ist Millionär und Unternehmensverwalter, er besitzt diverse Immobilien in mehreren Städten. Der Website seiner Firma zufolge hat er unter anderem in Leipzig und Frankfurt die "Parkstadt 2000" entwickelt, in Berlin das "Spree Shopping". Wer mit diesem Mann Geschäfte macht, sage also später nicht, er habe nichts gewusst.


WAS STEHT AN?

Falls Sie Kinder oder Enkel haben, wissen Sie, welch wunderbares Gefühl es ist, die Kleinen aufwachsen zu sehen. Erst mit Schnulli, dann mit Schultüte, später mit Fußball, Reitgerte oder Roller. So, und nun stellen Sie sich bitte einen Augenblick lang vor, die hätten keine Schultüte in der Hand, sondern eine Maschinenpistole. Oder eine Machete. Und würden dann von Erwachsenen gezwungen, andere Menschen zu töten. Ich weiß, es ist eine grauenhafte Vorstellung, aber heute verschone ich Sie damit nicht. Denn heute ist der Internationale Tag gegen den Einsatz von Kindersoldaten. Die Organisation Terre des Hommes macht damit auf das Schicksal von Kindern und Jugendlichen aufmerksam, die in Kriegen und bewaffneten Konflikten kämpfen müssen. Rund 250.000 sind es weltweit, sowohl in regulären Armeen als auch in Rebellengruppen. "Ihr Alltag ist geprägt durch Gewalt, ihre Erziehung basiert auf bedingungslosem Gehorsam. Kinder sind einfacher manipulierbar, gehorsamer und furchtloser als Erwachsene", lässt uns Terre des Hommes wissen. "Leichte und billige Kleinwaffen – auch aus Europa – ermöglichen es den Kriegsherren, auch junge Kinder an die Front zu schicken." Ich finde, das ist ein Skandal. Und eine Hilfsorganisation, die sich um diese Kinder kümmert, verdient Unterstützung.


Die führenden Virenforscher der Welt wollen heute in Genf ihre Erkenntnisse zum Coronavirus vorstellen. Es geht um dessen Ursprung, seine Übertragbarkeit und mögliche Therapien. Am Nachmittag diskutiert dann der Bundestag über die Vorbeugungsstrategie hierzulande.


Wenige Institutionen sind so verknöchert wie der Vatikan. Da kann noch nicht einmal die CDU mithalten. Die Diskriminierung von Frauen, die Vertuschung von Kindesmissbrauch, das absurde Zölibat, schwarze Kassen, die Ignoranz angesichts massenhafter Kirchenaustritte in Europa: Die meisten Fehler der katholischen Führung sind darauf zurückzuführen, dass alte Männer ihre Macht ausnutzen. Sogar der halbwegs reformwillige Papst tut sich schwer mit dem Bollwerk der Betonköpfe. Heute will er es trotzdem versuchen: Am Mittag legt Franziskus sein mit Spannung erwartetes Schreiben zur Amazonas-Bischofssynode vor. Vordergründig geht es darin, genau, um das Amazonas-Gebiet und die Frage, ob der Vatikan dort in Ausnahmefällen Verheiratete zur Priesterweihe zulässt. De facto geht es um die Frage, ob die Kirche im Jahre des Herrn 2020 noch zeitgemäß ist.


WAS LESEN UND ANSCHAUEN?

Sie wissen ja: Ich mag den Jürgen. Alte Botnanger Verbundenheit. Aber was er da jetzt angestellt hat, der Jürgen, das ist schon ein dickes Ei. Nur, weil nicht alle Herthaner nach seiner Pfeife tanzen wollen, wirft er den Berlinern sein Trainerzepter vor die Füße – und legt damit nicht zum ersten Mal ein ziemlich dreistes Verhalten an den Tag. "Heilandsack!", saget mir Schwaben da. "Klinsmann muss aufpassen, dass er nicht zum Hochstapler wird", sagt sogar mein Kollege Florian Wichert, der sich zehnmal besser in der Fußballwelt auskennt als ich, weshalb ich ihm sofort glaube, obwohl wir beide Botnanger sind (also der Jürgen und ich). Und was sagen die Herthaner? Denen bleibt im Abstiegskampf nur wenig Zeit, die müssen nun ruck, zuck einen neuen Trainer finden. Mein ebenfalls sehr fußballkundiger Kollege Benjamin Zurmühl erklärt Ihnen die möglichen Szenarien. Und ich werd den bei meinem näggschden Heimatbsüchle mal zur Rede stellen (also den Jürgen). Vielleicht kann er’s mir ja unter vier erklären (also Augen).


Das ist ein Scoop: Recherchen von "Washington Post", Schweizer Fernsehen und ZDF haben eine der größten Geheimdienstoperationen der Nachkriegsgeschichte offenbart. Mithilfe der Crypto AG aus der Schweiz, die Verschlüsselungstechnik an Regierungen und Militärs in aller Welt lieferte, haben die US-amerikanische CIA und der deutsche BND jahrelang EU-Länder und Nato-Partner abgehört – und dabei Erkenntnisse über staatlichen Massenmord verschwiegen. Die wichtigsten Erkenntnisse auf einen Blick.


WAS AMÜSIERT MICH?

Super transparente Truppe, diese CDU!

Ich wünsche Ihnen einen super Tag.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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