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Corona-Krise in den USA: Donald Trump demontiert seinen eigenen Experten


Anthony Fauci
Trump demontiert seinen eigenen Corona-Experten

  • Johannes Bebermeier
Von Johannes Bebermeier

Aktualisiert am 14.07.2020Lesedauer: 5 Min.
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Donald Trump und Anthony Fauci: Im März stand der Präsident noch mit dem Corona-Experten auf einer Bühne, inzwischen stellt das Weiße Haus Faucis Glaubwürdigkeit infrage.Vergrößern des Bildes
Donald Trump und Anthony Fauci: Im März stand der Präsident noch mit dem Corona-Experten auf einer Bühne, inzwischen stellt das Weiße Haus Faucis Glaubwürdigkeit infrage. (Quelle: Jonathan Ernst/Reuters-bilder)

Es lief schon lange nicht gut zwischen den beiden, doch jetzt wird es schmutzig. Donald Trump versucht, den Corona-Experten Anthony Fauci zu demontieren – mit Methoden für politische Gegner.

Donald Trump hat derzeit viele Probleme und der Mediziner Anthony Fauci ist eines davon. So jedenfalls sieht es der angeschlagene US-Präsident offensichtlich. Nannte Trump den Corona-Experten im März noch einen "riesigen TV-Star aus genau den richtigen Gründen", ist er für ihn heute "ein netter Mann", der "viele Fehler gemacht hat".

Das harsche Urteil Trumps ist Teil einer Strategie, die darauf abzielt, Fauci in der Corona-Krise die Deutungshoheit über das Virus zu nehmen. Dafür haben seine Leute in letzter Zeit offenbar nicht nur diverse TV-Auftritte des renommierten Immunologen verhindert. Sie haben Journalisten auch mit Material versorgt, das den guten Rufs Faucis beschädigen soll.

Es ist eine Taktik, die in Wahlkämpfen mitunter als mehr oder weniger schmutziges Mittel gegen die politische Konkurrenz eingesetzt wird. Nicht aber im Kampf eines Präsidenten gegen einen langjährigen Experten seiner eigenen Regierung.

Unabhängig und kritisch

Anthony Fauci ist 79 Jahre alt, seit 35 Jahren Leiter des Nationalen Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten und hat schon viel erlebt. Unter Ronald Reagan trieb er in den 80er Jahren die Aids-Forschung voran und beriet seitdem jeden US-Präsidenten. Zuletzt war er während der Ebola-Epidemie Barack Obamas wichtigster Ratgeber mit unbeschränktem Zugang zum Präsidenten.

Fauci wird in allen Parteien für seine Expertise geschätzt und ist auch bei den Amerikanern beliebt. Es war wohl ein Grund dafür, dass Trump ihn recht lange neben sich geduldet hat. Seine Botschaft steht nämlich schon länger im Konflikt mit dem Bild, das Trump von der Pandemie in den USA zeichnen will. Während Trump das Virus verharmloste, mahnte Fauci vor den Gefahren. Lange stand Fauci bei Pressekonferenzen trotzdem mit dem Präsidenten auf der Bühne, verzog ab und zu entsetzt die Miene, oder korrigierte ihn behutsam und im Bemühen, Trump nicht bloßzustellen.

Doch was früher ein Nebeneinander verschiedener Einschätzungen war, ist heute ein harter, offener Widerspruch. "Wir sind noch immer knietief in der ersten Welle", warnte Fauci kürzlich etwa in einem Interview. Trump widersprach prompt: "Ich denke, wir befinden uns in einer guten Lage. Ich stimme ihm nicht zu."

Ungeliebte Zahlen

Während Trump gerne die Geschichte erzählen würde, dass die USA vor allem in der Bekämpfung der Pandemie an der Spitze liegen, dominieren seit Tagen andere Rekorde die Schlagzeilen. Am Sonntag meldete Florida 15.300 Neuinfektionen an einem Tag – so viele wie noch nie in einem Bundesstaat. Die Zahlen steigen inzwischen in 39 Staaten, vor allem im Süden und Westen der USA und dort, wo Corona-Auflagen früh gelockert wurden. Jeden Tag infizieren sich derzeit rund 60.000 Menschen neu mit dem Virus.

Doch nicht nur die Infektionszahlen steigen, auch die Zahl der Toten pro Tag erreichte in acht südlichen Staaten neue Rekordwerte. In Texas etwa starben allein am Mittwoch letzter Woche 119 Menschen an Covid-19. Insgesamt liegt die Zahl der Covid-19-Toten in den USA inzwischen bei 134.900.

Es sind Schlagzeilen, die Trump gar nicht gefallen. Denn sie stellen sein Ansinnen, die Corona-Beschränkungen möglichst schnell zu lockern, um die Wirtschaft anzukurbeln, infrage. Und eine unkontrollierte Corona-Pandemie gepaart mit einer tiefen Wirtschaftskrise gefährden seine Wiederwahl im November.

Gegen die schlechten Nachrichten

Jetzt, wo Trump in den Umfragen hinter seinem Konkurrenten Joe Biden liegt, kann er schlechte Nachrichten noch weniger gebrauchen als sonst. Besonders, wenn sie sich schwer widerlegen lassen wie die Zahlen zum Coronavirus. Für Politiker gibt es in einer solchen Situation zwei Möglichkeiten.

Die erste: Change the conversation – lenke die öffentliche Debatte auf ein anderes Thema. So lässt sich Trumps Versuch interpretieren, die Diskussion über Rassismus am Unabhängigkeitstag maximal öffentlichkeitswirksam in eine "gnadenlose Kampagne zur Auslöschung unserer Geschichte" umzudeuten und damit seine Anhänger hinter sich zu versammeln (und die Spaltung des Landes anzuheizen).

Doch die ständig neuen Rekorde machen es unmöglich, das Coronavirus komplett zu ignorieren, auch für Trump. Deshalb nutzt er die zweite Möglichkeit: Shoot the messenger – demontiere den Mann, der die schlechten Nachrichten überbringt.

Beliebt – aber zunehmend ungehört

Das ist bei Fauci nicht ganz einfach. Eine Umfrage der "New York Times" hat kürzlich ergeben, dass 67 Prozent der Wähler den Informationen des Mediziners zum Coronavirus vertrauen, während nur 26 Prozent das gleiche über Trump sagen. Also haben Mitarbeiter des Weißen Hauses zuletzt schlicht TV-Auftritte von Fauci eingeschränkt und abgesagt. "Ich habe den Ruf, immer die Wahrheit zu sagen und Dinge nicht zu beschönigen", sagte er der "Financial Times" dazu kürzlich. "Das könnte einer der Gründe sein, warum ich zuletzt nicht viel im Fernsehen war." Ein Experte, der nicht gehört wird, kann keine schlechte Nachrichten verbreiten.

Eine neue Qualität erreichte die Demontage-Strategie des Weißen Hauses am Wochenende. Wie "New York Times", "Washington Post" und CNN berichten, verteilten Mitarbeiter Trumps eine lange Liste mit Aussagen Faucis, bei denen er sich zu Beginn der Pandemie angeblich und tatsächlich geirrt hatte. In einem Statement heißt es zudem, "mehrere Offizielle des Weißen Hauses sind besorgt über die Anzahl der Male, in denen Dr. Fauci bei Dingen falsch lag".

Die Liste enthält dabei tatsächliche Fehleinschätzungen, aber auch deutlich entstellte Aussagen des Experten. Es wird unter anderem Faucis Zweifel angeführt, dass Covid-19-Patienten ohne Symptome signifikant zur Verbreitung des Virus beitragen könnten. Ein Irrtum – der aber durchaus dem Wissensstand zu Beginn des Jahres entsprach. Ebenso wird Faucis früherer Rat aufgelistet, Bürger sollten keine Masken tragen. Er selbst hatte eingeräumt, er sei damals besorgt gewesen, dass Masken für Ärzte und Pfleger knapp würden.

Bei anderen Beispielen verschweigt die Liste offenbar entscheidende Teile von Faucis Aussagen. Wie die "New York Times" berichtete, wird ein Fernsehinterview von Ende Februar angeführt, in dem er gesagt hatte, derzeit müssten die Menschen ihren Alltag nicht umstellen. Was fehlt ist Faucis Zusatz: Das Risiko für die USA sei derzeit gering, "aber das könnte sich ändern". Es gebe sogar die Gefahr eines "großen Ausbruchs".

Corona-Taskforce ohne Trump

Der Präsident legt ohnehin schon länger keinen Wert mehr auf den Rat Anthony Faucis. Er war nach eigener Aussage Anfang Juni das letzte Mal im Weißen Haus und hat Trump seit mindestens zwei Monaten nicht mehr zum Coronavirus beraten. Die täglichen Pressekonferenzen der Coronavirus-Taskforce des Weißen Hauses, bei denen Fauci anfangs mit auf der Bühne stehen durfte, gibt es schon länger nicht mehr.

Und auch sonst scheint Trumps Interesse an medizinischen Details überschaubar zu sein. Seit April soll er kein Treffen der Corona-Taskforce mehr besucht haben.

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