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Mehr als die Hälfte der Europäer hat kein Vertrauen in die EU – warum?


Tagesanbruch
Alles neu, alles besser

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 03.05.2022Lesedauer: 5 Min.
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

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Im Zentrum Brüssels.Vergrößern des Bildes
Im Zentrum Brüssels. (Quelle: imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

es ist Zeit für eine Zäsur. So wie bisher soll es nicht weitergehen. Der Mai macht alles neu, frisch, dynamisch. Das können wir alle gut brauchen nach jahrelangem Reformstau, Corona und Krieg. Von zwei ermutigenden Aufbrüchen will ich Ihnen heute berichten, der eine betrifft fast eine halbe Milliarde Menschen, der andere immerhin 47 Millionen. Und zwischen beiden gibt es eine Parallele. Der Reihe nach.

Europa steckt fest. Die völkervereinende Friedensschmiede unserer Großeltern ist in den Augen vieler Bürger zu einem bürokratischen Moloch verkommen: Mehr als die Hälfte der Europäer hat kein Vertrauen in die EU. Dabei ist die Union die Basis unseres Wohlstands und der Grund, warum wir in der Welt noch eine Rolle spielen. Ohne die EU wäre auch die deutsche Wirtschaftskraft zwischen den Supermächten China und USA längst verkümmert.

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Gleichzeitig krankt der Brüsseler Beamtenapparat an seiner Schwerfälligkeit, gute Ideen werden von zankenden Staatschefs zerredet oder von Lobbyisten ausgehebelt. Vielerorts auf dem Kontinent – etwa in Polen, Ungarn, Teilen Frankreichs, Dänemarks und Deutschlands – sehen Leute in der blauen Fahne mit den goldenen Sternchen längst ein rotes Tuch: Die EU wird für alles Schlechte verantwortlich gemacht.

Es stimmt ja auch: Die Herausforderungen durch die Klimakrise und die Weltüberbevölkerung, durch Antidemokraten und Diktatoren, durch Migration und transnationale Konzerne sind größer als je zuvor. Doch die EU findet nur langsam Antworten, und allzu oft werden ihre Antworten im Mahlwerk nationaler Eifersüchteleien zerrieben. Die Staats- und Regierungschefs sind nicht in der Lage, die EU zu reformieren. Deshalb haben sie die Aufgabe zwei Etagen tiefer delegiert: Mehr als ein Jahr lang haben 800 per Losverfahren bestimmte Bürger aus den Mitgliedstaaten über die Herausforderungen unserer Zeit diskutiert. Sie haben sich von Fachleuten beraten lassen und mit Vertretern der Länderregierungen, des Europaparlaments und der EU-Kommission debattiert.

Das Ergebnis ist ein Triumph der direkten Demokratie: 325 konkrete Vorschläge hat die Bürgerkonferenz ausgearbeitet. Sie lesen sich wie der Plan für ein gerechteres, stabileres und nachhaltigeres Europa. Konsequenter Klimaschutz, europaweite Mindestlöhne, naturschonende Landwirtschaft, bessere Gesundheitsversorgung, eine faire Verteilung der Schulden, Schluss mit den Blockadevetos einzelner Staaten und vor allem mehr Einfluss für das Volk: Das ist es, was der Bürgerkonvent will (hier ist der Überblick über alle Forderungen).

Sehen Sie es mir bitte nach, wenn ich heute pathetisch klinge: Selbst wenn Sie oder ich nicht jede der erhobenen Forderungen unterstützen – dieser Prozess ist wegweisend. Weil er die verkrusteten Strukturen der einflussreichsten politischen Institution in unserem Leben aufbrechen kann. Weil er das Vertrauen in den mächtigsten Staatenbund der Welt wiederherzustellen vermag. Und weil er unseren Kontinent womöglich gerade noch rechtzeitig auf den Weg in eine rosige Zukunft führt. In einer Welt mit acht Milliarden Zweibeinern, in der tagtäglich Arten aussterben, das Klima verrücktspielt, Despoten Kriege anzetteln und Unternehmen Staaten gängeln, muss der Einsatz für ein demokratisches und starkes Europa, das zuallererst den Bürgern dient, wieder zu einem Herzensprojekt werden.

Das gelingt nur, wenn die Chefs in Brüssel und den anderen Hauptstädten besser zuhören, was die 450 Millionen Einwohner der Union eigentlich wollen. Und wenn die Bürger nicht nur alle paar Jahre ihre Kreuzchen an der Wahlurne machen, sondern bei konkreten politischen Entscheidungen mitreden dürfen. Dafür ist der Konvent ein guter Auftakt. Hoffentlich machen die Chefs nun nicht den Fehler, die Vorschläge versickern zu lassen.

Und der andere Aufbruch, den ich oben angekündigt habe? Ist etwas kleiner dimensioniert, aber ebenfalls von Bedeutung. Zumindest für jene 47 Millionen Menschen, die jeden Monat alles Wichtige aus Deutschland und der Welt bei t-online lesen. Denn t-online sieht ab heute anders aus, auch wir erneuern uns. Jahrelang haben unser Art Director, unsere Produktmanager, IT-Entwickler und Usability-Experten daran gearbeitet, nun ist es so weit: Heute werden die neue Technologie und das neue Design der Website nach und nach auf allen Plattformen und für alle Browser ausgerollt (die Apps folgen später). Was sich konkret ändert und warum die Seiten unseres Angebots nun auch bei schlechtem Handyempfang viel schneller laden, erkläre ich Ihnen in diesem Video.

Natürlich interessiert uns alle in der Redaktion, was Sie davon halten. Denn das ist die Parallele der t-online-Reform zur viel größeren EU-Reform: Auch wir haben die Menschen, für die wir jeden Tag arbeiten, um ihre Meinung gefragt. Viele Wünsche und Anregungen der Leserschaft sind in unser neues Design eingeflossen. Vielen Dank dafür – und viel Freude mit der aufgefrischten t-online!


Kabinett in Klausur

Die ersten beiden Kabinettsklausuren der Ampelkoalition mussten wegen Corona im Kanzleramt stattfinden, heute versammeln sich Olaf Scholz und seine Minister an traditioneller Stätte: Sie beziehen das Barockschloss Meseberg im Landkreis Oberhavel, rund 70 Kilometer nördlich von Berlin. Neben dem Teambuilding sollen auf der zweitägigen Tagung zwei Themen im Mittelpunkt stehen: zum einen innen- und außenpolitische Aspekte des Ukraine-Krieges, wozu als Gäste die Premierministerinnen Schwedens und Finnlands, Magdalena Andersson und Sanna Marin, erwartet werden. Natürlich geht es dabei auch um die Nato-Mitgliedschaft der beiden Länder.

Das zweite Thema sind die Folgen der viel beschworenen Zeitenwende für die deutsche Wirtschaft. Hierzu sind zwei Topökonomen eingeladen: Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, und Sebastian Dullien, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung. Letzterer hat die Gemengelage bündig zusammengefasst: "Die Pandemie schadet der Wirtschaft länger als erhofft. Die Energiepreise sind stärker gestiegen als gedacht. Und der russische Überfall auf die Ukraine macht alles noch schlimmer." Um da einen Ausweg zu finden, braucht es wirklich Teambuilding.


Flüssiggas statt Gazprom

Griechenland und Bulgarien machen Ernst mit der Abkehr von russischem Gas: Heute gibt der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis den Startschuss für den Bau eines schwimmenden Flüssiggas-Terminals in Alexandroupoli. Die 400 Millionen Euro teure Anlage soll bereits Ende 2023 in Betrieb gehen und jährlich 5,5 Milliarden Kubikmeter Gas in die Pipelines pumpen – so wird der Balkan unabhängiger von Putins Regime. Auch hierzulande geht es voran: Schon übermorgen will Wirtschaftsminister Robert Habeck den Baubeginn für ein LNG-Terminal in Wilhelmshaven verkünden.

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Bedrohte Freiheit

Dass ich Ihnen jeden Morgen im Tagesanbruch aufschreiben kann, was ich von den Politikern in Deutschland und der Welt halte, mögen Sie als Selbstverständlichkeit empfinden. In vielen anderen Ländern ist es das nicht: Weltweit sind Journalisten unter Druck, werden bedroht, verfolgt, ermordet. Nicht nur anlässlich des heutigen Welttags der Pressefreiheit sollten wir uns deshalb bewusst sein, wie wertvoll dieses Grundrecht ist. Und einen Blick auf diese Tipps werfen.


Was lesen?

Ein deutscher Diktator mit Sombrero – was war da los? Sie erfahren es auf unserem Historischen Bild.


Warum fallen im Ukraine-Krieg so viele russische Generäle? Meine Kollegin Marianne Max ist der Frage nachgegangen.


Sanktionen jetzt auch gegen Putins Kumpel Gerhard Schröder? Was FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai im Interview mit unserem Reporter Johannes Bebermeier fordert, lässt aufhorchen.


Welche Folgen hätte ein russisches Ölembargo für Deutschland? Die Kollegen des Deutschlandfunks geben einen Überblick.


Zwischen all den düsteren Nachrichten gibt es auch positive, doch die wollen nur wenige Leute lesen. Warum so viele Menschen immerzu auf der Suche nach dem Schlimmsten sind, erklärt unser Autor Philipp Kohlhöfer.


Was amüsiert mich?

Weil der Bundespräsident ausgeladen worden sei, fahre er auch nicht nach Kiew, hat Olaf Scholz gestern im ZDF klargestellt. CDU-Chef Friedrich Merz dagegen begibt sich auf hochpolitische Mission in die Ukraine.

Ich wünsche Ihnen einen weitsichtigen Tag.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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