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Tödlicher als Grippe: Coronavirus breitet sich in Deutschland aus


Isoliert untergebracht
Coronavirus breitet sich in Deutschland aus

Von dpa
Aktualisiert am 27.02.2020Lesedauer: 5 Min.
Sonderisolierstation im Klinikum Schwabing: Hier waren die ersten Coronavirus-Patienten in Bayern behandelt worden.Vergrößern des BildesSonderisolierstation im Klinikum Schwabing: Hier waren die ersten Coronavirus-Patienten in Bayern behandelt worden. (Quelle: Sven Hoppe/dpa./dpa)

Heinsberg/Berlin (dpa) - Das neuartige Coronavirus verbreitet sich in Deutschland rapide. Heute wurden in Nordrhein-Westfalen 14 weitere Infektionen mit dem Erreger Sars-CoV-2 bekannt, außerdem vier neue Fälle in Baden-Württemberg und je einer in Rheinland-Pfalz und Bayern.

Damit stieg die Zahl der aktuellen Infektionen in Deutschland auf 30. Das Robert Koch-Institut (RKI) hält den Erreger Sars-CoV-2 für tödlicher als die Grippe. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte, er habe "pandemisches Potenzial" und könnte ohne die richtigen Maßnahmen "außer Kontrolle geraten". Das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) hat inzwischen in mindestens 15 europäischen Ländern Fälle registriert.

Der Kreis Heinsberg und das NRW-Gesundheitsministerium teilten mit, dass 14 weitere Personen mit dem Erreger Sars-CoV-2 infiziert sind. Damit stieg die Gesamtzahl in dem Bundesland auf 20. Einer von ihnen - ein Bundeswehr-Soldat, dessen Infektion am Mittwoch bekannt wurde - wird in Rheinland-Pfalz behandelt. Alle 14 positiv Getesteten seien in häusliche Quarantäne entlassen worden, weil eine stationäre Behandlung nicht notwendig sei, hieß es. Die Betroffenen wohnten vorwiegend in der Gemeinde Gangelt im Kreis Heinsberg.

Die sechs zuvor bekannten Infizierten hatten nach Erkenntnissen der NRW-Behörden Kontakt mit einem Ehepaar aus Gangelt, das bereits seit Tagen an der Uniklinik Düsseldorf behandelt wird. In der betroffenen Region stehen schätzungsweise 1000 Menschen vorsorglich unter häuslicher Quarantäne. Nach Angaben eines Sprechers des Kreises Heinsberg könnte es bei einer Karnevalssitzung etwa 400 Kontaktpersonen gegeben haben - aber auch deren Partner und Kinder stehen zuhause unter Quarantäne. Der "Patient Null", der den Ausbruch in NRW verursacht hat, ist nach Behördenangaben weiter unbekannt.

In Baden-Württemberg wurden vier weitere Infektionen bekannt, wie das Sozialministerium in Stuttgart mitteilte. Damit stieg die Zahl der bestätigten Fälle in dem Bundesland auf acht. Unter den neuen Fällen sind zwei Frauen und ein Mann. Sie hatten an einem Geschäftstreffen in München teilgenommen und gehören laut Robert Koch-Institut zu 13 Kontaktpersonen eines italienischen Teilnehmers, der in Italien positiv getestet worden war. Die drei Patienten sind in einer Klinik. Eine weitere bestätigte Infektion wurde aus dem Landkreis Böblingen gemeldet, sie hängt direkt mit einem bereits zuvor bekannten Fall aus dem Landkreis Göppingen zusammen.

Rheinland-Pfalz meldete am Donnerstag einen Fall in Kaiserslautern - der Infizierte sei bis vor kurzem im Iran gewesen und habe dort Kontakt mit einer "symptomatisch auffälligen Person" gehabt. In Bayern teilte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums die Infektion eines Mannes aus Mittelfranken mit, der Kontakt mit einem infizierten Italiener gehabt hatte.

Außer den 30 aktuellen Fällen waren in Deutschland vor mehr als zwei Wochen 16 weitere Sars-CoV-2-Infektionen gemeldet worden. Diese Menschen gelten inzwischen alle als virusfrei.

RKI-Präsident Lothar Wieler sagte, die Wahrscheinlichkeit, an einer Grippe zu sterben, liege bei 0,1 bis 0,2 Prozent. Nach den bisher bekannten Zahlen liegt die Rate bei Sars-CoV-2 fast zehnmal so hoch - bei ein bis zwei Prozent. 80 Prozent der Infizierten hätten nur milde Symptome, doch 15 Prozent erkrankten schwer an der Lungenerkrankung Covid-19.

Ein Krisenstab der Bundesregierung entschied, wegen der Verbreitung des Virus in weiten Teilen der Welt nicht mehr nur die Kontaktdaten von Fluggästen aus dem Ursprungsland China zu erfassen, sondern auch von Passagieren von Flügen aus Südkorea, Japan, dem Iran und Italien. So soll man sie schnell erreichen können, falls ein Fluggast infiziert war.

Solche "Aussteigekarten" sollen auch auf Schiffen sowie im grenzüberschreitenden Zug- und Busverkehr ausgefüllt werden, sagten Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) in Berlin. Die Busbranche sagte ihre Mitwirkung zu. "Wir stehen dafür im engen Austausch mit dem Bundesverkehrsministerium und bringen die Einführung der Aussteigekarte voran", erklärte der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer. Die Deutsche Bahn will Daten dann erheben, wenn die Behörden in einem Zug einen Coronavirus-Verdacht haben. Dann werde der Bereich gesperrt und nach der Fahrt gereinigt und desinfiziert.

Seehofer kündigte an, Asylbewerber im Zuge der standardmäßigen Gesundheitsuntersuchungen auch auf das neue Coronavirus zu testen. Viele kämen über "vorbelastete" Länder wie Iran, Irak oder Afghanistan nach Deutschland.

An diesem Freitag will sich der Krisenstab mit dem Umgang mit Großveranstaltungen befassen. Auf dem Prüfstand steht etwa die ITB in Berlin, die weltgrößte Tourismusmesse (4. bis 8. März). Im Sport tobt eine Debatte über eine mögliche Absage der Olympischen Spiele in Tokio im Sommer. Generelle Einschränkungen bei Sportveranstaltungen wie Spielen der Fußball-Bundesliga hält die Bundesregierung noch nicht für nötig.

Behörden vieler Länder versuchen das Virus zum Teil mit drastischen Maßnahmen einzudämmen. Die Folgen, die ein Übergreifen von Sars-CoV-2 auf große Teile der Bevölkerung hätte, sind schwer abzuschätzen. Zudem gibt es anders als bei der Grippe weder einen Impfstoff noch speziell zugeschnittene Medikamente.

In Italien gibt es mit etwa 650 Infizierten und 17 Toten den größten Ausbruch Europas. Außenminister Luigi Di Maio warnte davor, die Gefahren zu übertreiben. Der Tourismus leide bereits erheblich unter der Angst vor Ansteckung.

Nach Warnungen der US-Gesundheitsbehörde CDC sagte Präsident Donald Trump, das Risiko für Amerikaner sei "sehr gering". Saudi-Arabien schloss aus Sorge vor einer Verbreitung seine Grenzen für Pilgerreisen von Ausländern in die Städte Mekka und Medina.

In Südkorea verschieben die Streitkräfte des asiatischen Landes und der USA ihr Frühjahrsmanöver auf unbestimmte Zeit. Die Gesundheitsbehörden des Landes meldeten am Donnerstag 505 neue Fälle. Japan will im Kampf gegen das neuartige Virus alle Schulen schließen. Die Maßnahme trete Montag in Kraft, sagte Premierminister Shinzo Abe.

In China, dem Ursprungsland des Virus, stieg die Zahl erfasster Infektionen auf rund 78.500, die Zahl der Toten lag in der offiziellen Statistik für Festlandchina bei 2744. Experten gehen von einer sehr hohen Dunkelziffer aus.

Die meisten Infizierten haben nur leichte Erkältungssymptome wie Frösteln und Halsweh oder gar keine Symptome. Manche Infizierte erkranken aber schwer und entwickeln etwa Atemprobleme oder eine Lungenentzündung. Das Virus verbreitet sich durch Tröpfcheninfektion etwa beim Sprechen und Husten. Regelmäßig gründliches Händewaschen gilt als der beste Schutz.

Die deutsche Industrie sieht das neuartige Coronavirus als "Stresstest" für die Wirtschaft. BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang sagte: "Der Konjunktur drohen spürbare negative Effekte."

Bei deutschen Supermärkten führt das Virus mittlerweile zu einer verstärkten Nachfrage nach haltbaren Lebensmitteln und Hygieneprodukten, wie Aldi-Süd und Lidl auf dpa-Anfrage mitteilten.

Die britische Wellcome-Stiftung rief internationale Finanzinstitutionen zur Bereitstellung von Milliarden für die Bekämpfung der Epidemie auf. Diese stelle eine "noch nie dagewesene, weltweite Herausforderung dar", erklärte Wellcome-Direktor Jeremy Farrar in einer Mitteilung. Die Situation könne ein Ausmaß annehmen, das vergleichbar sei mit der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008.

Farrar fordert eine sofortige Bereitstellung von 10 Milliarden US-Dollar (umgerechnet rund 9,2 Milliarden Euro) durch die Weltbank, um die Eindämmung des Virus in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen zu unterstützen. Begleitet werden solle dies von "erheblichen Investitionen in Diagnostik, Therapie und Impfstoffe".

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