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Kritik an Jogi Löw — Effenberg: Zwei Trainer kommen als Nachfolger in Frage


Kritik am DFB-Coach
Nur zwei Trainer kommen für die Löw-Nachfolge in Frage

MeinungEine Kolumne von Stefan Effenberg

Aktualisiert am 20.10.2020Lesedauer: 5 Min.
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In der Kritik: Bundestrainer Joachim Löw.Vergrößern des Bildes
In der Kritik: Bundestrainer Joachim Löw. (Quelle: Schüler/imago-images-bilder)

Die Kritik am Bundestrainer war zuletzt übertrieben, dennoch rückt das Ende seiner Amtszeit näher – ob in einem, zwei oder drei Jahren. Die aussichtsreichsten Nachfolge-Kandidaten.

Mario Götze hat alles richtig gemacht mit seinem Wechsel zur PSV Eindhoven. Ich habe hier über Monate immer wieder geschrieben, dass er die Bundesliga verlassen sollte. Gut, dass er das letztlich auch getan hat. Bei Hertha oder Bayern und somit im Dauerfokus der Medien wäre er nicht glücklich geworden.

Sein Treffer in der neunten Minute beim Debüt gegen Zwolle (3:0) ist natürlich nur ein Anfang, aber der hat mich unglaublich gefreut für ihn. Er hat befreit aufgespielt – vielleicht zum ersten Mal seit seinem Siegtreffer gegen Argentinien, der Deutschland 2014 zum Weltmeister gemacht hat. Mario Götze hat einfach mal wieder Spaß auf dem Platz gehabt. Er hat sein Selbstbewusstsein wieder, wie seine Aussagen belegen. Zuletzt: "Gebt mir noch ein paar Wochen und ich werde sogar noch besser." Mario Götze wird – da lege ich mich fest – wieder zu alter Stärke und auch in die Nationalmannschaft zurückfinden.

Beim DFB geht es nicht nach Leistung

Götze zurück zum DFB? Verfolgt man die Diskussionen im Fußball derzeit, stehen noch drei Spieler vor ihm in der Schlange: Thomas Müller, Jérôme Boateng und Mats Hummels.

Ganz klar: Ginge es beim DFB nach Leistung, müsste Bundestrainer Joachim Löw alle drei zurückholen. Das ist aber nicht der Fall, wie DFB-Direktor Oliver Bierhoff im "Doppelpass" bei Sport 1 vor einigen Monaten selbst zugegeben hat. Er sagte, man müsse der Mannschaft und den jungen Spielern die Zeit geben, eine neue Hierarchie zu bilden. Das wolle man nicht kaputt machen, indem man ältere Spieler zurückholt, die sofort einen Effekt darauf hätten.

Das ist natürlich schade, weil wir uns immer noch im Leistungssport befinden.

Warum Müller, Boateng und Hummels so gut sind

Bastian Schweinsteiger sagte im "Kicker": "Wenn ich Bundestrainer wäre, wären Jerome Boateng und Thomas Müller in der Nationalmannschaft." Lothar Matthäus sagte: "Müller, Boateng und Hummels würden bei mir spielen – und bei Löw tun sie das eben nicht." Natürlich haben sie recht – dennoch vergessen wir hier alle einen ganz entscheidenden Aspekt.

Warum sind Müller, Hummels und Boateng denn derzeit und mittlerweile über Monate überhaupt so stark?

Ganz einfach: weil sie Ruhepausen haben, den Akku aufladen und mental abschalten können – während andere Spieler unter den Strapazen der Länderspiele leiden. Und das sind ja nicht nur Spiele, sondern insbesondere auch die damit verbundenen Reisen.

DFB-Comeback? Ich habe Ribbeck und Völler abgesagt

Wir sollten bei der Diskussion bedenken: Müller und Hummels sind mittlerweile 31 Jahre alt, Boateng ist bereits 32. Wenn sie noch zwei, drei Jahre auf dem allerhöchsten Level spielen wollen, ist es sogar sinnvoll, nicht wieder für Deutschland zu spielen. Um es klar zu formulieren: Sollte Löw über seinen Schatten springen, sollten Müller, Hummels und Boateng ernsthaft darüber nachdenken, eine Nominierung abzulehnen und von sich aus zurücktreten.

Ich spreche da aus eigener Erfahrung. Unter Bundestrainer Berti Vogts bin ich 1998 nach vier Jahren Pause in die Nationalmannschaft zurückgekehrt für zwei Spiele. Anschließend bin ich gleich wieder zurückgetreten. Ich habe erkannt, dass das nicht der richtige Schritt ist und mich entschieden, mich in einem Alter über 30 auf die Ziele mit dem FC Bayern zu konzentrieren. In den vier Jahren darauf haben Erich Ribbeck und auch Rudi Völler versucht, mich zu einem Comeback beim DFB zu überreden. Ich habe beiden abgesagt.

Bei mir ist der Plan komplett aufgegangen. Ich habe 2001 als Kapitän mit dem FC Bayern die Champions League gewonnen – und mein großes Ziel erreicht.

Wir könnten die Diskussion vom Tisch wischen

Natürlich ist die Nationalmannschaft reizvoll – und für Müller, Hummels und Boateng wäre sie auch mit der Chance auf den Europameistertitel verbunden. Der fehlt den Weltmeistern noch. Auf der anderen Seite geht die Tendenz nicht dahin, dass Deutschland das Turnier gewinnen wird. Und eine Garantie gibt es da ohnehin nicht. Mit Ü30 muss man Prioritäten setzen. Ich würde ihnen raten, ihre Kräfte zu bündeln und sich lieber mit Topleistungen über die nächsten Jahre in ihren Vereinen einzubringen.

Ich gehe davon aus, dass sie selbst bereits drüber nachgedacht haben.

Damit könnten wir auch die ganze Diskussion vom Tisch wischen. Zumal auch BVB-Trainer Lucien Favre drei Kreuze macht, dass Hummels gerade in dieser Saison mit extrem hoher Belastung keine anstrengenden Ausflüge mit dem Nationalteam macht. Genauso wie Hansi Flick beim FC Bayern natürlich bei Müller und Boateng.

Nur zwei Trainer kommen für Löw-Nachfolge in Frage

Flick wird auch selbst gerade immer häufiger mit der Nationalmannschaft und einer möglichen Nachfolge von Joachim Löw in Verbindung gebracht. Daran bin ich nicht ganz unschuldig, weil ich beim DFB-Pokalspiel der Bayern gegen Düren gesagt habe, dass Hansi Flick für mich der logische Nachfolger ist – ob in einem, in zwei oder drei Jahren. Er kennt Strukturen, Abläufe und passt einfach hervorragend. Für mich persönlich sogar besser als Jürgen Klopp, auch wenn der ebenfalls eine tolle Lösung wäre.

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Flick und Klopp wären aus meiner Sicht die einzigen, die als Nationaltrainer in Frage kämen. Leipzigs Julian Nagelsmann braucht noch zehn Jahre auf Topniveau und auch Thomas Tuchel ist für mich noch kein Kandidat. Wir wollen natürlich auch nichts überstürzen, denn grundsätzlich muss ich auch sagen, dass die Kritik an Löw zuletzt übertrieben war. Wenn er auf acht bis zehn Spieler nicht zurückgreifen kann, ist die B-Mannschaft vielleicht noch stark genug. Bei dem, was danach kommt, wird es dann aber dünn – und vielleicht zu dünn.

Nationalmannschaft ist kein Premiumprodukt mehr

Viel wichtiger als ein Trainerwechsel wäre beim DFB deshalb eine andere Veränderung in der Spitze. Beim Verband haben schon immer die Verantwortlichen an ihren Sesseln geklebt und wenig Interesse daran gehabt, jemanden dazuzuholen, der auch mal Strukturen aufbricht. Doch genau so jemanden benötigen sie.

Dann braucht man sich eben auch nicht zu wundern, wenn das Interesse an der Nationalmannschaft zurückgeht. Wenn dieses Gefühl verloren geht, dass man sich gern und stolz vor den Fernseher setzt, dann ist das Premiumprodukt Nationalmannschaft kein Premiumprodukt mehr.

Der Glanz von Manchester United ist verblasst

Ganz im Gegenteil zur Champions League natürlich, die heute in die neue Saison geht. Dortmund spielt bei Lazio Rom und Ex-BVB-Stürmer Ciro Immobile. Leipzig empfängt Basakshehir – und morgen spielt Bayern gegen Atlético und Gladbach bei Inter Mailand.

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Wie stehen die Chancen der Deutschen? Ich gehe davon aus, dass Bayern und Dortmund souverän durch die Gruppenphase kommen. Auch Leipzig traue ich ein Weiterkommen definitiv zu. Vorjahresfinalist Paris St. Germain ist natürlich ein harter Gegner, bei Manchester United dagegen ist der Glanz vergangener Tage deutlich verblasst. Nur bei Gladbach glaube ich nicht an ein Weiterkommen gegen Inter und Real. Mein ehemaliger Klub kann wohl froh sein, wenn er sich gegen Schachtjor Donezk durchsetzt und sich als Dritter für die Europa League qualifiziert.

Was am Ende zählt, ist die Belastungssteuerung

Wer sind die Favoriten? Für mich sind das Paris, Bayern, Liverpool, Manchester City und Juventus. Barcelona ist nach dem Ärger um einen möglichen Abschied von Superstar Lionel Messi eine Wundertüte, Real Madrid sehe ich auf einer Stufe mit Borussia Dortmund und RB Leipzig – eine Kategorie unter den Topfavoriten.

Ich gehe davon aus, dass sich im Februar und März entscheidet, welche Vereine die hohe Belastung dieser Saison am besten wegstecken. Und dann muss man am Ende sagen: Wer diesmal den Titel holt, hat ihn dann mehr als verdient. Denn in diesem Jahr zeigt sich wahre Qualität: die der Belastungssteuerung.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
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