Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Aktivrentner ohne Aktivrente "Mir geht es darum, beschäftigt zu sein"

Während Politiker noch über die Aktivrente diskutieren, arbeiten etliche Rentner schon heute. Was motiviert Menschen, im Alter noch oder wieder tätig zu sein, und was hält sie davon ab? Drei Erfahrungsberichte.
Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas schickt das erste Rentenpaket der neuen Bundesregierung auf den Weg. Darin bislang nicht enthalten, aber für später angekündigt: die Aktivrente. Mit ihr sollen Rentner künftig bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei zur Rente oder sonstigen Einkünften hinzuverdienen dürfen.
Doch manche wollen nicht warten, bis dieser Plan umgesetzt wird. Sie entschieden sich auch ohne Aktivrente für eine Weiter- beziehungsweise Wiederbeschäftigung. Zwei Männer erklären die Beweggründe für ihre Arbeit im Alter. Daneben verrät eine Frau, was sie von einer Weiterbeschäftigung abhält.
"Ich müsste das nicht machen"
Werner Hochreiner kann von seiner Rente gut leben. Er war unter anderem Verkäufer in der Solarbranche und lange Zeit Verkaufsleiter in einer bekannten Baumaschinenfirma. Im Februar 2024 hätte er nach 49 Jahren Arbeit in Rente gehen und sich mit seinen über 3.000 Euro brutto zufriedengeben können. Doch die Werkzeugfirma, in der er damals arbeitete, brauchte jemanden, der die internen Schulungen fortführt, die er gab. Also einigten sich beide Parteien auf einen Minijob, der nahtlos anschloss.
Als dem t-online-Nutzer dieser zu langweilig wurde, wechselte er in einen Midijob bei einer anderen Firma, wo er sich nun hauptsächlich um die Wartung des Fuhrparks kümmert. "Ich müsste das nicht machen. Mir geht es nur darum, beschäftigt zu sein und dabei Spaß zu haben", sagt er. "Ich fühle mich nicht alt, sondern fit, um noch etwas zu machen."
Die Aktivrente hält Werner Hochreiner wirtschaftlich betrachtet für "eine sehr attraktive Sache", doch er gesteht aus persönlicher Perspektive: "Für mich ginge die Welt nicht unter, käme sie nicht." Dabei ist ihm bewusst, dass er sowohl mit seiner guten Rente als auch körperlich schonenden Tätigkeit zu den Privilegierten gehöre. "Wer 50 Jahre im Bergwerk oder auf dem Bau arbeitet, wird hinterher keine Aktivrente mehr machen. Derjenige ist körperlich am Ende."
Heute ist Werner Hochreiner 65 Jahre alt, doch ein Ende seines Arbeitslebens sieht er noch lange nicht. "Es ist schwer vorherzusehen, wie lange ich noch weiterarbeite. Doch so wie ich mich im Augenblick fühle, kann ich mir vorstellen, dass ich das noch bis 70 mache. Je nachdem, ob körperliche oder geistige Beeinträchtigungen kommen, das weiß man ja nie."
"Ich würde nur wegen des Geldes weiterarbeiten"
Eine, die bislang keine Rentnerin ist, aber kurz davor steht, ist Viola Braune. Am 1. März, mit 64,5 Jahren, kann sie als Langzeitversicherte ohne Abzüge in Rente gehen und wird wahrscheinlich nicht weiterarbeiten. "Ich kann mir zwar einen Zuverdienst vorstellen, um einfach noch einen schöneren Lebensstandard zu haben", sagt sie im t-online-Interview. Doch die Brandenburgerin hat ein Problem:
"Die Arbeitgeber machen es älteren Mitarbeitern so schwer. Sie sollten es ihnen erleichtern und um sie buhlen. Es wird immer gesagt, wie schade es ist, dass die Babyboomer bald gehen. Aber die Arbeitgeber lassen sich nichts einfallen, um sie zu halten. Ich könnte ja als Unterstützung weiterarbeiten, aber ich kann und möchte nicht so verheizt werden wie ein junger Arbeitnehmer. Das funktioniert nicht."
Viola Braune arbeitet als Verkäuferin in der Wurst- und Fleischwarenabteilung in einer Filiale einer großen Supermarktkette. "Das ist ein verdammt schwerer Job", sagt sie. Viel Geld verdient sie damit auch nicht: "Im Handel wird generell schlecht gezahlt", weiß die ehemalige DDR-Bürgerin, die seit der Wende in der Branche arbeitet. Vor der Wiedervereinigung hatte sie einen Bürojob.
Bei Eintritt in den Handel war sie zunächst Kassiererin, doch der Job an der Wurst- und Fleischtheke machte ihr deutlich mehr Spaß. Wegen der Kindererziehung reduzierte sie die Wochenstunden und erhöhte nie wieder auf Vollzeit. Als Teilzeitfalle begreift sie das aber nicht, ihrer Work-Life-Balance kommen die 30 Stunden entgegen. Ab März wird sie rund 1.600 Euro Bruttorente erhalten.
Die t-online-Nutzerin weiß, dass sie damit keine großen Sprünge machen kann, doch sie ist genügsam. Ob sie mit dem Geld auskommen wird, kann sie noch nicht einschätzen; sie wird abwarten und zu gegebener Zeit bestimmen, wie sie weiter verfährt. "Sollte ich mich doch dafür entscheiden weiterzuarbeiten, dann würde ich das nur wegen des Geldes machen und nicht, weil ich Langeweile hätte. Ich habe viele Hobbys, unter anderem einen kleinen Garten, und ich habe Freunde. Ich wüsste mich zu beschäftigen."
"Die Regenerationszeiten dauern länger"
Ingomar Kolonko kann die Erfahrung, Arbeitgeber wären älteren Arbeitnehmern gegenüber unflexibel, nicht bestätigen. Er fängt am 1. Juli bei einer Firma an, die ihm drei Tage Arbeit pro Woche anbietet. Sollte er in ein paar Jahren merken, dass es ihm zu anstrengend wird, dürfe er auf zwei oder gar nur einen Tag pro Woche reduzieren.
Der t-online-Nutzer wird beim weltgrößten Lachsproduzenten als sogenannter Culinary Advisor tätig sein. Er ist im Vertrieb angegliedert, entwirft kulinarische Konzepte, verfasst Rezepturen, betreut Großkunden und analysiert Arbeitsabläufe, wie er erklärt. Der Arbeitgeber war einer seiner Auftraggeber aus seinem früheren Arbeitsleben. Dieses endete offiziell im Juli vergangenen Jahres, doch "so richtig ausgestiegen" ist er nie.
Seine Frau muss noch mindestens zehn Jahre arbeiten, erzählt der 64-Jährige. Anstatt derjenige in der Ehe zu sein, der untätig zu Hause sitzt, will er lieber weiterhin beruflich aktiv sein. Beide trafen die Entscheidung zusammen. Zudem fühlt sich Ingomar Kolonko noch körperlich und geistig fit. Des Weiteren motiviert ihn die bevorstehende Aufgabe, den Bereich Food Service für das Unternehmen komplett neu aufzubauen. Seine in Kürze startende Beschäftigung ist also auf Langfristigkeit ausgelegt.
Deshalb kann sich der Baden-Württemberger auch vorstellen, bis Mitte 70 oder gar länger zu arbeiten. "Ich bin da absolut schmerzfrei", sagt er, gesteht aber auch: "Die Regenerationszeiten dauern schon länger als früher. Ich brauche immer so ein bis zwei Tage länger, bis ich wieder so richtig fit bin." Nordic Walking und Schlagzeugspielen helfen ihm als Freizeitausgleich.
Der gelernte Koch reflektiert: "Hätte ich mein ganzes Berufsleben lang hauptberuflich in der Küche gearbeitet, dann weiß ich nicht, ob ich körperlich noch dazu in der Lage wäre." Denn die physische und psychische Belastung sei in dem Job hoch, man hebe zudem schwere Gewichte und sei ständig heißen Temperaturen ausgesetzt.
Erzählt Ingomar Kolonko seinen Verwandten und Bekannten von seiner Weiterbeschäftigung, erntet er viel Zuspruch – teilweise aber auch Unverständnis, weshalb er sich denn nicht einfach zur Ruhe begibt: "Es gibt durchaus einige wenige, die sagen: 'Du bist doch nicht ganz dicht.' Aber die meisten finden es klasse. Sie sagen: 'Wow, echt cool, dass du das machst.' Sie wünschen mir viel Glück. Einige überlegen sogar, ob sie nicht auch weiterarbeiten, wenn sie in Rente gehen."
Die Aktivrente würde bei vielen den Ausschlag geben, glaubt er. "Ich finde es ausgesprochen gut, diesen Anreiz zu bieten. Wenn es denn passiert, dass dann diese 2.000 Euro steuerfrei sind, nehme ich die natürlich auch gerne mit. Aber bis jetzt ist es noch nicht so und ich bin tatsächlich skeptisch, dass die ganze Sache durchkommt. Aber meine Lebensphilosophie lautet: Habe möglichst niedrige Erwartungen, dann kannst du nicht enttäuscht werden, wenn etwas nicht eintritt."
- Telefoninterviews mit t-online-Nutzern