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Gesundheit: Bluttest in der Apotheke? Start-up will es ermöglichen


Bluttests in Apotheken
"Es kann nicht darum gehen, die Einnahmen der Ärzte zu schützen"

  • Florian Schmidt
InterviewVon Florian Schmidt

Aktualisiert am 17.12.2023Lesedauer: 6 Min.
Interview
Unsere Interview-Regel

Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
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Eine Apotheke am Abend (Symbolbild): Das Start-up Probatix will Bluttests leichter zugänglich machen. (Quelle: Christoph Hardt via www.imago-images.de/imago-images-bilder)

Wer seine Blutwerte wissen will, muss dafür in der Regel zum Arzt. Das Start-up Probatix will das ändern – und künftig in Tausenden Apotheken Bluttests anbieten.

Es ist eine Idee, gegen die Deutschlands Ärzte Sturm laufen: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will, dass Apotheken künftig einen größeren Beitrag zur gesundheitlichen Vorsorge leisten. Zum Beispiel, so Lauterbach, könnten Patienten kleinere Diabetesuntersuchungen oder Blutdruckmessungen in der Apotheke vornehmen lassen und müssten dafür nicht mehr zum Hausarzt gehen. (Mehr dazu lesen Sie hier.)

Die Hausärzte finden das gar nicht lustig. Sie fürchten, dass ihnen ein lukratives Geschäft wegbrechen könnte, zudem sagen sie, ein Apotheker könne Patienten medizinisch nicht so gut beraten wie ein Arzt. Daniel Werner kann mit diesen Argumenten nur wenig anfangen. Er ist eher auf Lauterbachs Seite – und hat für dessen Plänen schon jetzt ein eigenes Geschäftsmodell:

Gemeinsam mit Partnern hat er in der Coronapandemie das Start-up Probatix gegründet. Damals ging es zunächst um eine digitale Plattform, über die Corona-Getestete ihre Ergebnisse leicht einsehen konnten. Inzwischen bietet Probatix Apotheken die Möglichkeit, Tests mit Kapillarblut aus der Fingerspitze vorzunehmen und Patienten einen Einblick in ihre Laborwerte zu geben. Im Interview mit t-online erklärt Werner, wie genau das funktioniert.

t-online: Herr Werner, seien Sie ehrlich: Wie häufig haben Sie früher, vor der Gründung Ihres Start-ups, einen Bluttest gemacht?

Daniel Werner: Vielleicht alle drei Jahre. Aber auch nur dann, wenn mich irgendwer daran erinnert hat, dass ich mich mal wieder durchchecken lassen sollte.

So geht es wahrscheinlich den allermeisten Menschen: Bluttests sind nichts Alltägliches. Warum haben Sie das trotzdem zu Ihrem neuen Geschäftsfeld erkoren?

Weil wir glauben, dass viele Menschen viel häufiger einen machen würden – wäre nur der Prozess dahinter einfacher. Klassischerweise läuft es doch so: Als Patient gehe ich zur Ärztin, um routinemäßig ein paar Blutwerte bestimmen zu lassen. Die sagt dann: "Klar, das können wir gerne machen. Aber heute nicht mehr, der Laborkurier ist schon weg, kommen Sie am Donnerstag wieder." Dann gehe ich also unverrichteter Dinge wieder, kehre am Donnerstag zurück, gebe über eine Nadel im Arm Blut ab, gehe wieder heim. Und dann, nach zwei, drei Tagen ruft die Ärztin an, um mir mitzuteilen: "Alles im grünen Bereich, aber bitte achten Sie darauf, nicht zu viel Alkohol zu trinken und essen Sie nicht ganz so viel rotes Fleisch." Mehr erfahre ich in der Regel nicht, weil die meisten Ärzte die Blutwerte selbst gar nicht schriftlich übermitteln.

Worauf wollen Sie hinaus?

Darauf, dass dieser Ablauf sehr kompliziert ist und viel Zeit frisst. Wir denken: Das geht auch einfacher, und zwar ohne Besuch beim Arzt, der im Zweifel ohnehin überlastet ist. Nämlich indem der Bluttest ganz einfach in der Apotheke um die Ecke gemacht wird, per kleinem Piks in den Finger.

Und wo kommen dabei Sie ins Spiel?

Wir stellen den Apotheken einerseits alle Instrumente für die Kapillarblutabnahme zur Verfügung und kümmern uns andererseits um die Abwicklung mit den Laboren. Vor allem aber haben wir eine App entworfen, über die der Patient am Ende seine Werte direkt aufs Handy bekommt. Er kennt sie dann genau. Und zeigt die App an, dass alles in Ordnung ist, braucht es auch kein Arztgespräch mehr.

Sie hoffen also, einen neuen Markt zu erschaffen, einen für regelmäßige Bluttests. Aber braucht man diese denn überhaupt?

Es gibt ja schon jetzt zahlreiche Patientinnen und Patienten, die regelmäßig Bluttests machen. Denken Sie an Patienten mit Diabetes, Typ 2. Diese Menschen müssen in der Regel einmal im Quartal ihre Werte überprüfen lassen – und dafür mindestens zweimal, womöglich dreimal zum Arzt rennen. Nach unserer Vorstellung könnten sie sich mindestens einen Weg sparen, wenn sie den Bluttest auf dem Weg zum Einkaufen auf Veranlassung des Arztes in der Apotheke oder einem unserer Partnerlabore macht und die Ergebnisse dann anschließend mit dem Arzt durchsprechen, sofern sich etwas verändert hat. Dieses Modell evaluieren wir gerade auch gemeinsam mit verschiedenen gesetzlichen Krankenkassen.

Diabetes-Patienten allein dürften aber kaum ausreichen, damit Sie mit Probatix erfolgreich werden. Welche anderen Blutwerte können die Tests denn noch ausspucken?

Prinzipiell ist alles möglich, was die Labore können. Vom Messen des Eisenwerts oder des Cholesterinspiegels im Rahmen des Basis-Check-ups und – perspektivisch – bis hin zur Krebsfrüherkennung. Allerdings braucht es für manche Tests ein paar mehr Tropfen Kapillarblut aus der Fingerspitze – jedoch niemals so viel Blut, wie üblicherweise beim Arzt aus der Vene entnommen wird. Grundsätzlich gilt: Regelmäßige Bluttests sind für alle sehr sinnvoll. Jeder sollte kostengünstig und unkompliziert einen Bluttest machen können.

Voraussetzung ist, dass es genügend Labore in der Nähe der Apotheken gibt, mit denen Sie zusammenarbeiten.

Richtig, wobei wir es da recht leicht haben: Bei unserer vorhandenen Logistik ist der Standort des Labors nebensächlich, um deutschlandweit alle Auswertungen machen zu können. Das entnommene Kapillarblut ist für unsere Parameter sehr stabil und kann sogar per Kurier verschickt werden, sofern keine extremen Witterungsverhältnisse vorherrschen. In der Praxis arbeiten wir aber mit mehreren Laboren zusammen, damit die Patienten ihr Ergebnis möglichst schnell bekommen.

Viele Ärzte dürften kaum erfreut sein über Ihre Idee, schließlich nehmen Sie ihnen einen Teil ihres Geschäfts weg, wenn Sie Bluttests in die Apotheken verlagern. Warum wagen Sie sich auf dieses verminte Terrain?

Wir wissen um den Gegenwind der Ärzteschaft, da es sich um ein neues Versorgungsmodell handelt. Zugleich hören wir von vielen Ärzten, dass ihre Praxen überlastet sind. Und wir wissen auch, dass bis 2035 voraussichtlich 10.000 Hausarztstellen unbesetzt sein werden. Wir denken, dass jedes bisschen Entlastung vor diesem Hintergrund helfen kann. Die Apotheken und Labore könnten – wie übrigens in vielen anderen Ländern – eine noch viel wichtigere Rolle in der medizinischen Versorgung übernehmen und damit auch die Ärzteschaft unterstützen.

Das wird der Ärzteschaft kaum als Antwort genügen, schließlich geht's ums Geld, das ihnen die Apotheken als "Praxis to go" streitig machen.

Das mag sein. Aber es kann uns doch nicht darum gehen, allein die Einnahmen der Ärztinnen und Ärzte zu schützen. Noch einmal: Es geht absolut nicht darum, irgendwelche Tätigkeiten, die eine ärztliche Expertise erfordern, irgendwohin auszulagern. Bereits heute wird die Blutentnahme aber ohnehin meist nicht von den Ärzten selbst durchgeführt. Was wir vorschlagen, ist, dass bestimmte Messungen, bestimmte Blutwerte, bestimmte Gesundheitsparameter einfach für die Patienten überprüfbar sind, nicht zuletzt als sinnvolle Vorsorge.

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Quotation Mark

Bis Ende 2024 wollen wir mit rund 1.000 Apotheken zusammenarbeiten


Daniel Werner


Wenn das wirklich sinnvoll ist – warum sind Bluttests dann keine Kassenleistung?

Wir setzen uns sehr dafür ein, dass Bluttests künftig nicht länger eine Selbstzahlerleistung sein sollen und insbesondere Ärzte solche Tests im Rahmen der normalen Versorgung an Apotheken delegieren können. Und ich bin zuversichtlich, dass sich das aktuelle Modell auch noch ändern lässt, wenn die Hemmschwelle für Bluttests erst einmal gesunken ist.

Bis dahin muss ich als Patient aber noch selbst zahlen, mindestens 25 Euro.

Ja, wobei momentan die Preise für den Patienten am Ende nicht wir, sondern die Apotheken festlegen. Und: Je mehr Apotheken bei dem Bluttest mitmachen, desto günstiger können auch wir wiederum die Logistik dahinter anbieten. Die Preise könnten also noch fallen.

Daniel Werner ist Mitgründer und Geschäftsführer von Probatix, einer digitalen Plattform für Labordiagnostik. Nachdem er seine Promotion in Mathematik in Berlin abgeschlossen hatte, gründete er bereits mehrere andere Unternehmen. Probatix hat seinen Sitz in Berlin und 20 Mitarbeiter aus 15 Nationen.

Wie viele Apotheken haben Sie denn schon am Netz – und wie viele sollen es bis Ende nächsten Jahres werden?

Derzeit durchlaufen rund 100 Apotheken unseren Auftaktprozess, die befinden sich vor allem in Berlin. Bis Ende Januar können die meisten Probatix nutzen und sich dann entscheiden, ob sie mit uns dauerhaft zusammenarbeiten. Diese Zahl wird sich absehbar aber stark erhöhen. Ab Januar 2024 starten zudem verschiedene Kooperationen mit Landesapothekenverbänden, um das Modell flächendeckend zur Verfügung zu stellen. Startpunkt wird unsere Partnerschaft mit dem Berliner Apothekerverein.

Das heißt, bis Dezember 2024 wollen Sie vor allem in Berlin weiter expandieren?

Ja, aber nicht nur. Wir werden auch in vielen anderen Städten in ganz Deutschland aktiv sein, nicht zuletzt auch im ländlichen Raum. Bis Ende 2024 wollen wir mit rund 1.000 Apotheken zusammenarbeiten.

Herr Werner, vielen Dank für dieses Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Daniel Werner
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