t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeWirtschaft & FinanzenAktuellesWirtschaft

Sondervermögen: Warum Merz’ 500-Milliarden-Paket ohne Reformen scheitert


Sondervermögen
Dann verpufft Merz' Milliardenpaket

MeinungEin Gastbeitrag von DIW-Präsident Marcel Fratzscher

28.07.2025 - 18:47 UhrLesedauer: 3 Min.
Bundeskanzler Merz bei einem Treffen mit Präsident Macron (Archivbild): Nur 49 Prozent der Befragten sind mit der Arbeit der Bundesregierung zufrieden.Vergrößern des Bildes
Bundeskanzler Merz (Archivbild): Der DIW-Präsident mahnt Reformen der Kommunen an, damit das Milliardenpaket der Bundesregierung nicht scheitert. (Quelle: IMAGO/imago-images-bilder)
News folgen

Deutschlands Infrastruktur steht am Scheideweg. Ein 500-Milliarden-Euro-Fonds könnte sich als nutzlos erweisen, falls nachhaltige kommunale Reformen ausbleiben.

Das Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Investitionen könnte Deutschlands Zukunft entscheidend beeinflussen. Es wird jedoch scheitern, zusätzliche Investitionen anzustoßen, wenn nicht gleichzeitig grundlegende Reformen der Kommunen umgesetzt werden: Entschuldung der Kommunen, Reform der Bund-Länder-Finanzierung und Schaffung neuer Kapazitäten für Investitionsprojekte.

Loading...

Kommunen sind essenziell für jedes Unternehmen und der Schlüssel für die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts. Sie tätigen knapp die Hälfte aller öffentlichen Investitionen – in Straßen, Brücken, Wasser- und Stromversorgung, Schulen, öffentliche Einrichtungen und viele weitere Dinge der Daseinsfürsorge.

Fakt ist aber auch: Seit 25 Jahren realisieren die Kommunen fast jedes Jahr erhebliche negative Nettoinvestitionen – der Wertverlust der Infrastruktur übersteigt die neuen Investitionen. Der deutsche Staat lebt somit seit einem Vierteljahrhundert von seiner Substanz. Deutschlands Problem sind nicht vermeintlich zu hohe Staatsschulden, sondern der Substanzverlust öffentlicher Vermögenswerte.

Marcel Fratzscher
DIW-Präsident Marcel Fratzscher (Archivbild) (Quelle: Annette Riedl/dpa/dpa-bilder)

Zur Person

Marcel Fratzscher leitet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin und zählt zu den einflussreichsten Volkswirten des Landes. Als Makroökonom beschäftigt er sich vor allem mit Verteilungsfragen. In der Vergangenheit hat er sich immer wieder für eine Reform der Schuldenbremse ausgesprochen.

Zudem gibt es große regionale Ungleichheiten bei den kommunalen Investitionen, mit einem zunehmenden Süd-Nord-Gefälle. Kommunen in Bayern und Baden-Württemberg sind häufig hervorragend aufgestellt. Dagegen sind viele Kommunen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und in Teilen Niedersachsens und Hessens überschuldet. Sie können wichtige Investitionen häufig nicht tätigen. Es fehlt ihnen an Planungskapazitäten und Kompetenzen.

Loading...
Symbolbild für eingebettete Inhalte

Embed

Die meisten Kommunen werden keine andere Wahl haben

Der Hauptgrund liegt meist nicht in Fehlentscheidungen, sondern in der Art der Finanzierung, die den Kommunen wenig Autonomie bei der Gestaltung von Einnahmen und Ausgaben gibt, wie das DIW Berlin bereits vor mehr als zehn Jahren gewarnt hat.

Das unvermeidbare Resultat wird sein, dass die 100 Milliarden Euro, die durch das Sondervermögen für die Kommunen bereitgestellt werden sollen, verpuffen und das Ziel der Schaffung zusätzlicher Infrastruktur verfehlt wird. Die meisten Kommunen werden keine andere Wahl haben, als diese Gelder für ihre Entschuldung und für das Stopfen immer größerer Finanzierungslücken zu nutzen.

Die unabhängige Expertenkommission der Bundesregierung zur Stärkung von Investitionen in Deutschland, bei der ich den Vorsitz hatte, hat 2015 mögliche Lösungswege aufgezeigt. Diese sind valider und dringender denn je.

Diese fünf Schritte sind jetzt nötig

Der erste Schritt eines Fünf-Punkte-Plans muss die Entschuldung aller Kommunen sein – durch die Übernahme der Verbindlichkeiten durch die jeweiligen Länder und den Bund. Hessen zeigt, wie eine solche Umsetzung aussehen kann.

Zweitens benötigen die Kommunen zusätzliche Kapazitäten für die Planung, Ausschreibung und Umsetzung von Projekten. Dies sollte nicht primär durch den Aufbau von Kapazitäten bei den einzelnen Kommunen geschehen, sondern durch die Schaffung regionaler und überregionaler Beratungsgesellschaften, die die Kommunen bei jedem Schritt – von Planung über Umsetzung bis hin zur rechtlichen Unterstützung und Wartung – beraten und Aufgaben übernehmen.

Dies bedeutet keine Beschneidung der Souveränität der Kommunen, sondern vielmehr einen Gewinn an Effizienz, geringere Kosten und eine schnellere Umsetzung von Projekten. Die Nutzung solcher gemeinsamer Kompetenzen sollte eine bindende Vorgabe für die Bereitstellung zusätzlicher Gelder an die Kommunen sein.

Drittens müssen Kommunen und die Beratungsgesellschaften bei Ausschreibung und Umsetzung darauf achten, dass auch die Privatwirtschaft zusätzliche Kapazitäten schafft. Andernfalls führen zusätzliche Gelder primär zu höheren Preisen und nicht zu einer besseren Infrastruktur.

Viertens müssen Kommunen und die Beratungsgesellschaften ihre ideologischen Scheuklappen gegenüber öffentlich-privaten Partnerschaften ablegen und viel stärker als bisher mit privaten Anbietern zusammenarbeiten. Denn auch dies ist eine bittere Lehre der letzten Jahrzehnte: Viele Kommunen konnten die finanziellen Risiken großer Projekte nicht abfedern, und zu häufig bedeutete eine Kostenexplosion bei einzelnen Projekten, dass Kommunen für viele Jahre andere wichtige Investitionen nicht mehr stemmen konnten.

Fünftens muss langfristig der Bund-Länder-Finanzausgleich neu geordnet werden. Die 100 Milliarden Euro für die Kommunen sind richtig, aber sie werden das strukturelle Problem der Unterfinanzierung nicht dauerhaft lösen. Viele Kommunen brauchen dauerhaft mehr Geld und mehr Autonomie über Einnahmen und Ausgaben. Reiche Bundesländer, insbesondere Bayern und Baden-Württemberg, werden sich kräftig gegen eine andere Verteilung der kommunalen Gelder wehren. Notfalls müssen Bund und Länder die bedürftigen Kommunen besser finanzieren.

Das 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Infrastruktur wird scheitern, wenn nicht gleichzeitig strukturelle Reformen der Kommunen und deren Finanzierung umgesetzt werden. Der hier aufgeführte Fünf-Punkte-Plan zeigt, wie dies gelingen kann. Die Lösungen liegen auf der Hand. Die Frage bleibt, ob der politische Wille zur Umsetzung und das Bewusstsein für deren Dringlichkeit vorhanden sind.

Hinweis: Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben die Meinungen der jeweiligen Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...


Bleiben Sie dran!
App StorePlay Store
Auf Facebook folgenAuf X folgenAuf Instagram folgenAuf YouTube folgenAuf Spotify folgen


Telekom