Merz warnt Dieser Großbank droht die feindliche Übernahme

Die italienische Großbank Unicredit will ihren Einfluss auf die Commerzbank deutlich ausweiten. Doch welche Folgen hätte das?
Er wolle "kein Blutbad" anrichten, kündigte der Vorstandschef der italienischen Großbank Unicredit, Andrea Orcel, am Mittwoch an. Und meinte damit einen Kahlschlag, sollte sein Kreditinstitut die deutsche Commerzbank übernehmen. Damit wollte er die Gemüter beruhigen und Ängste aus dem Weg räumen. Doch sein Plan, den er seit September 2024 verfolgt, bleibt bestehen.
Noch ist unklar, ob es tatsächlich zu einer Übernahme kommt. Doch die Pläne des Unicredit-Chefs befeuern schon jetzt politischen Widerstand, wirtschaftliche Spekulationen – und viele offene Fragen. t-online liefert die wichtigsten Antworten.
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Was ist die Unicredit?
Unicredit ist eine der größten europäischen Banken mit Hauptsitz in der italienischen Stadt Mailand. Das Institut ist in zahlreichen Ländern aktiv, mit einem Schwerpunkt in Mittel- und Osteuropa. In Deutschland ist Unicredit vor allem durch ihre Tochtergesellschaft Hypovereinsbank (HVB) vertreten, die 2005 vollständig übernommen wurde; die HVB war damals die zweitgrößte Privatbank Deutschlands.
Durch diese Übernahme wurde Unicredit zu einem der bedeutendsten internationalen Player im europäischen Bankensektor. Die HVB fungiert seitdem als zentrale Plattform für das Deutschlandgeschäft der Unicredit.
Wirtschaftlich sieht sich Unicredit sehr solide aufgestellt. Die italienische Großbank vermeldete diese Woche erneut einen Rekord-Quartalsgewinn. Von April bis Juni verdiente die Bank unter dem Strich 3,3 Milliarden Euro – ein Fünftel mehr als im Vorquartal und ein Viertel mehr als im zweiten Quartal 2024, wie sie am Mittwoch mitteilte.
Schon im ersten Quartal hatte die Unicredit einen Rekordgewinn von 2,8 Milliarden Euro erzielt. Im ersten Halbjahr standen damit 6,1 Milliarden Euro unter dem Strich, im Gesamtjahr erwartet die Bank nun einen Gewinn von 10,5 Milliarden Euro. Das wäre "das beste Jahr jemals", erklärte Bankenvorstand Orcel.
Er kündigte an, bis 2027 "mindestens 30 Milliarden Euro" an die Aktionäre auszuschütten, darunter mindestens 15 Milliarden Euro in Form von Dividenden. "Wir schauen mit Zuversicht in die Zukunft."
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Warum will Unicredit die Commerzbank übernehmen?
Orcel verfolgt seit Herbst 2024 das Ziel, die Commerzbank unter das Dach seiner Bankengruppe zu holen. Die strategische Begründung liegt vor allem in der starken Position beider Institute im Mittelstandsgeschäft.
Der Bankenchef betont, dass sich die Commerzbank mit der Unicredit-Tochter Hypovereinsbank gut ergänzen würde. Zudem verweist er auf Synergiepotenziale – etwa durch Überschneidungen in den Kundenstrukturen. Unicredit will finanziell von ihrer Beteiligung an der Commerzbank profitieren: Diese soll mehr als 600 Millionen Euro zum Ergebnis beitragen, so Orcel am Mittwoch.
Die Unicredit war im Herbst vergangenen Jahres in großem Stil bei Deutschlands zweitgrößter Privatbank eingestiegen, an der der Bund gut zwölf Prozent hält. Durch Umwandlung von Finanzinstrumenten in Aktien hat die italienische Bank ihren Anteil kürzlich auf 20 Prozent verdoppelt.
Weitere rund 9 Prozent, auf die die Großbank über Finanzinstrumente Zugriff hat, will sie nach eigenen Angaben "zu gegebener Zeit" ebenfalls in Aktien umwandeln (siehe letzte Frage). Jüngst sicherte Orcel zu, es werde im Fall eines Zusammenschlusses keinen harten Personalabbau geben.
"Ich glaube, dass das eine gute Sache für die HVB und die Commerzbank wäre – und für Deutschland", betonte Orcel. Europa brauche eine starke Bank, die Wachstum gewährleisten könne. "Aber das ist meine Meinung", unterstrich er. Aktuell gebe es "keinen Dialog zu diesem Thema, nichts liegt auf unserem Tisch".
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Am Dienstagabend hatte die Unicredit die im November angekündigte Übernahme der Banco BPM für rund zehn Milliarden Euro abgesagt. Die italienische Regierung hatte dafür harte Bedingungen gestellt. Die Absage dieser Übernahme sei eine "verpasste Chance" für die Aktionäre der Banco BPM, erklärte die Unicredit. Sie ist die zweitgrößte Bank Italiens, die Banco BPM die drittgrößte.
Welche Folgen hätte eine Übernahme?
Ein vollständiger Einstieg von Unicredit bei der Commerzbank – oder nur schon die geplante Ausweitung des Anteils auf 29 Prozent – hätte weitreichende Konsequenzen:
- Einfluss auf strategische Entscheidungen: Ab einem Anteil von mehr als 25 Prozent verfügt Unicredit über eine Sperrminorität. Damit könnte sie zentrale Entscheidungen auf der Hauptversammlung blockieren – etwa zu Kapitalmaßnahmen oder Vorstandsbesetzungen.
- Aufsichtsrat: Unicredit dürfte einen Sitz im Aufsichtsrat beanspruchen und könnte so direkt Einfluss auf die Ausrichtung der Commerzbank nehmen.
- Blockade gegenüber anderen Übernahmen: Orcel könnte mit seiner Beteiligung verhindern, dass ein anderer europäischer Mitbewerber Zugriff auf die Commerzbank erhält. Wer sie kaufen will, kommt faktisch nicht mehr an Unicredit vorbei.
- Integration mit der Hypovereinsbank: Sollte es zur vollständigen Übernahme kommen, könnte perspektivisch eine Zusammenlegung von Commerzbank und Hypovereinsbank erfolgen – mit möglichen Folgen für das Filialnetz, die Personalstruktur und IT-Systeme.
Ob es dazu kommt, bleibt offen. Orcels Strategie ist dabei durchaus kalkuliert: Auch ohne offizielles Übernahmeangebot kann er durch eine Sperrminorität maßgeblichen Einfluss ausüben. Es wäre womöglich ein Zwischenschritt zu einer späteren Fusion.
Wie realistisch ist eine Übernahme?
Eine vollständige Übernahme ist derzeit nicht ausgeschlossen, aber politisch und wirtschaftlich stark umstritten. Unicredit hält bereits rund 20 Prozent der Commerzbank und hat über Finanzinstrumente Zugriff auf weitere neun Prozent. Die Bank plant, ihren Anteil bis Ende September auf 29,9 Prozent auszubauen – knapp unter der gesetzlichen Schwelle von 30 Prozent. Ab dann wäre die Unicredit zu einem öffentlichen Übernahmeangebot verpflichtet, dem die Aktionäre zustimmen müssten.
Die Europäische Zentralbank und das Bundeskartellamt haben der Aufstockung bis zur 30-Prozent-Grenze grundsätzlich zugestimmt. Doch der politische Widerstand ist erheblich: Nicht nur bei Commerzbank-Vorstandschefin Bettina Orlopp, sondern auch bei der Bundesregierung. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sprach von einer "unfreundlichen" Vorgehensweise, die weder mit der Bundesregierung noch mit der Commerzbank abgestimmt sei.
"Die Art und Weise, wie dies versucht wird, ist unfreundlich sowohl gegenüber der Commerzbank als auch gegenüber der Bundesrepublik Deutschland", sagte Merz in der Bundespressekonferenz vergangenen Freitag. Der Bund ist selbst mit 12 Prozent Großaktionär. Der Staat war im Zuge der Finanzkrise 2009 bei der Commerzbank eingestiegen, um das Finanzinstitut zu retten. Damals lag der Anteil bei 25 Prozent.
Merz sagte weiter, das Institut, das durch eine Übernahme entstünde, könnte zudem womöglich aufgrund seiner Bilanzstruktur ein erhebliches Risiko für den Finanzmarkt darstellen. "Bevor diese Frage nicht ausreichend geklärt ist, werde ich auch von meiner Meinung keinen Abstand nehmen", sagte der Kanzler, der sich schon mehrfach gegen die mögliche Übernahme ausgesprochen hat.
Eine Übernahme ist also theoretisch möglich, in der Praxis aber mit hohen politischen Hürden und öffentlichem Druck verbunden. Ob Orcel auf ein offizielles Übernahmeangebot hinarbeitet oder sich mit einer Sperrminorität begnügt, bleibt offen.
Philipp Häßler, Analyst der DZ Bank, schreibt jüngst in einer Studie: "Aufgrund des heftigen Widerstandes gehen wir nicht davon aus, dass Unicredit kurzfristig ein Übernahmeangebot machen wird."
- Eigene Recherche
- capital.de: "Commerzbank-Übernahme: Jetzt kommt an Andrea Orcel keiner mehr vorbei"
- faz.net: "Unicredit will Commerzbank enger an sich binden" (kostenpflichtig)
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters
- Dieser Text wurde teilweise mit maschineller Unterstützung erstellt und redaktionell geprüft. Wir freuen uns über Hinweise an t-online@stroeer.de.