Aktionäre fliegen raus Die Enteignung ist das absolut falsche Signal
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Der Batteriehersteller Varta ist nach langer Durststrecke und vielen Management-Fehlern gerettet. Porsche steigt ein. Doch die Kleinaktionäre verlieren alles. Ein zu hoher Preis?
Es ist wohl nicht übertrieben, zu sagen: Varta kennt jeder. Und in nahezu jedem Haushalt dürften Produkte des Traditionsunternehmens mit Sitz im württembergischen Ellwangen zu finden sein: Knopfzellen in Kopfhörern und Hörgeräten, Batterien in Weckern, Fernbedienungen, Radios oder Spielzeug, Akkus fürs Auto. Doch Varta kämpft inzwischen um das nackte Überleben. Von 180 Euro für eine Aktie im Januar 2021 sind derzeit noch 1,63 Euro übrig. Wie konnte es so weit kommen?
Apple brachte einen neuen Schub ...
Varta war ein ausgewiesener Batterie-Spezialist und in vielen Bereichen Marktführer. Besonderen Schub brachte die Zusammenarbeit mit Apple: Varta lieferte die Knopfzellen für die Kopfhörer von Apple. Sie waren konkurrenzlos – zunächst – und verschafften Varta weitere Bekanntheit und hohe Gewinne. Und das war auch am Aktienkurs abzulesen: 2017 ging das Unternehmen für 17,50 pro Aktie an die Börse. Bis 2021 stiegen die Aktien auf 181 Euro, ein Rekordhoch. Inzwischen ist davon fast nichts übrig.
Die Autorin
Antje Erhard arbeitet seit rund 20 Jahren als Journalistin und TV-Moderatorin. Ihr Weg führte sie von der Nachrichtenagentur dpa-AFX u. a. zum ZDF. Derzeit arbeitet sie für die ARD-Finanzredaktion in Frankfurt und berichtet täglich, was in der Welt der Börse und Wirtschaft passiert.
... doch dann begann der Abstieg
Denn 2022 begann eine Misere, die Varta Richtung Insolvenz trieb: Die Aufträge von Apple, auf die sich Varta verlassen und in die man viel investiert hatte, gingen zurück. Andere Anbieter hatten nachgezogen – zu günstigeren Konditionen. Zugleich brachten neue Geschäftsfelder wie Wallboxen für Elektroautos nicht die gewünschten Erfolge. Schon gar keinen Ausgleich für die fehlenden Apple-Umsätze. Dabei hatte Varta durchaus Pläne:
So wollte man eine Lithium-Ionen-Batteriefabrik für Elektroautos in Deutschland bauen, doch gab auf, während die Konkurrenz Werk um Werk errichtete. Vor allem die Konkurrenz aus China ist weit vorn im Batteriegeschäft für E-Autos.
Varta machte immer höhere Schulden. Trotz staatlicher Förderung in Millionenhöhe. Am Ende waren es 485 Millionen Euro. Zu viel, um noch weitermachen zu können, noch dazu an einem relativ teuren Standort wie Deutschland. 2019 und 2023 hatte Varta seine Aktionäre schon um neues Geld gebeten und sogenannte Kapitalerhöhungen durchgeführt – also neue Aktien ausgegeben. Doch die Probleme blieben. Die jüngste Sanierung scheiterte.
Sanierung gescheitert – Aktionäre stehen dafür ein
Jetzt müssen die Aktionäre dafür geradestehen: Künftig werden nur noch zwei Aktionäre Anteilseigner des Unternehmens sein: Der bisherige Großaktionär Michael Tojner, der auch den Aufsichtsrat leitet. Und der Autohersteller Porsche.
Der hat ein besonderes Interesse an Varta: Denn Varta baut für Porsche Batterien für das Modell 911 GTS. Diese Batterien sind für den Turbo-Antrieb des Sportwagen-Modells wichtig, weil sie schnell laden und schnell Energie abgeben. Offensichtlich ist Varta das weltweit einzige Unternehmen, das diese Batterien fertigt. Der Einstieg bei Varta sichert Porsche diese Zulieferung und ist zugleich eine gute Gelegenheit, sich vergleichsweise günstig an ebendiesem Zulieferer Varta zu beteiligen. Ein Unternehmen kann und muss solche Chancen nutzen, das kann man nüchtern kaum anders sagen.
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Kleinaktionäre rausgeworfen dank neuem Gesetz
Doch alle anderen Aktionäre werden aus dem Unternehmen – salopp formuliert und dennoch wahr – hinausgeschmissen. Möglich macht das ein neues Gesetz, das seit 2021 in Deutschland in Kraft ist: das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen, kurz StaRUG. Das heißt: Sanierung ohne Insolvenz. Es sieht also vor, dass sich Unternehmen, die operativ noch aussichtsreich sind, vor einer Insolvenz bewahren können.
Dafür werden im Falle Varta die bisherigen 485 Millionen Euro Schulden, die das Unternehmen nicht mehr bedienen konnte, bereinigt bis auf 200 Millionen Euro. Zu Deutsch: Gläubiger wie Banken verzichten auf gut 200 Millionen Euro an Forderungen. Nach Angaben von Varta würden die Gläubiger diesem sogenannten Schuldenschnitt aber nur zustimmen, wenn das Eigenkapital von Varta auf null gesetzt wird.
Im Klartext heißt das: Alle anderen Aktionäre, auch und gerade die Kleinaktionäre, verlieren alle ihre Ansprüche. Ihre Aktien sind nichts mehr wert. Gar nichts mehr. Eine Entschädigung plant Varta nicht.
Kalte Enteignung: falsches Signal
Wenn in Deutschland eine Aktienkultur entstehen bzw. wachsen soll, wenn die Menschen privat mit Aktien für ihren Lebensabend vorsorgen sollen, weil die gesetzliche Rentenversicherung allein das auf Dauer nicht mehr stemmen kann – schon jetzt schießt die Bundesregierung jährlich gut 100 Milliarden Euro in die Rentenkasse zu –, dann ist eine Enteignung wie diese das völlig falsche Signal.
Auch für die sogenannten Belegschaftsaktien, bei denen Mitarbeiter am Unternehmenserfolg beteiligt werden und die Aktien des eigenen Unternehmens zu günstigeren Konditionen als an der Börse erwerben können, ist das ein fatales Signal. Auch diese Aktien, die mit Arbeitseinkommen erworben wurden, verlieren allen Wert.
Sollte das aus Vartas Sicht aber alles so klappen, sollen dann neue Aktien ausgegeben werden – die nur der Hauptaktionär Michael Tojner und Porsche zeichnen. Die übrigen Aktionäre wurden nicht gefragt, ob sie sich an dieser Kapitalerhöhung beteiligen wollen.
Kein Börsenprospekt, kein Jahresabschluss, keine Zukunft?
Auf der anderen Seite war Varta rechtlich gar nicht in der Lage, den Aktionären anzubieten, an der geplanten Kapitalerhöhung mitzuwirken. Denn in Deutschland darf man Wertpapiere nur dann öffentlich anbieten, wenn man einen gültigen Börsenprospekt vorlegen kann. Das kann Varta nicht. Denn das Unternehmen hat noch keinen gültigen Jahresabschluss 2023, der für einen Börsenprospekt notwendig wäre.
Da fragt man sich, wie es sein kann, dass ein Unternehmen Mitte 2024 noch nicht über das Vorjahr berichtet hat. Grund war ein Hackerangriff. Varta konnte dadurch nicht auf seine Firmendaten zugreifen, war nicht handlungsfähig. Es kam also über eine längere Zeit viel zusammen bei Varta. Aber sollte ein Unternehmen, das eine neue Zukunft plant, die Folgen dieses Hackerangriffs nicht inzwischen gelöst haben können? Das hat für mich ein Geschmäckle.
Schadenersatz oder Einigung noch möglich
Dennoch soll es weitergehen: Die bisherigen Gläubiger gewähren Varta einen Kredit von 60 Millionen Euro. Sie haben aber deutlich positivere Aussichten als die Kleinaktionäre, denn sie werden an künftigen Gewinnausschüttungen beteiligt.
Die enteigneten Aktionäre können versuchen, den Restrukturierungsplan aufzuhalten, denn er ist gerichtlich noch nicht beschlossen. Sollten sie von der Kapitalerhöhung ausgeschlossen bleiben, können sie versuchen, Schadenersatz zu beanspruchen. Auch eine Einigung, dass alle Aktionäre an der Kapitalerhöhung teilnehmen, ist noch denkbar.
Fakt ist: Nach mehreren Kapitalerhöhungen und mangelnder Strategie scheint die Zukunft von Varta nicht sicher zu sein. 4.000 Arbeitsplätze zu bewahren, ist alle Mühen wert. Doch nicht zulasten der Aktionäre, die die Management-Fehler bei Varta nicht verantworten: Das neue Gesetz, um Insolvenzen zu vermeiden, darf nicht dafür herhalten, Aktionären, der Aktionärskultur in Deutschland und dem Standort zu schaden.
- Eigene Recherche