Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Sommerflaute kündigt sich an Wall Street auf Rekordjagd – doch Anleger sollten jetzt vorsichtig sein

Die US-Börsen sind im Höhenflug, doch der Lack beginnt zu blättern. Warum Anleger jetzt wachsam sein sollten.
Investoren können sich, anders als die Menschen in Deutschland, über einen sommerlichen Juli nicht beschweren. Denn vor allem die US-Börsen feiern neue Rekorde. Der S&P 500 schloss am 21. Juli 2025 erstmals oberhalb von 6.300 Punkten, und auch der Nasdaq bleibt im Höhenflug. Wer aber genau hinschaut, erkennt erste Risse im Lack.
Geld kennt doch eine Sommerpause
Die große Dynamik der Frühjahrsrally ist einer gemächlichen Sommeraufwärtsbewegung gewichen. Die Marktbreite bröckelt, sprich: Vor allem die bekannten Tech-Werte tragen derzeit noch den Aufwärtstrend. Das allein ist noch kein Signal zur Umkehr, aber ein Hinweis, dass der Anstieg auf schmaleren Schultern steht.
Dazu gesellen sich bekannte Begleitgeräusche: der schwelende Handelskonflikt rund um neue Zölle, wachsendes Unbehagen über mögliche politische Eingriffe in die US-Notenbank und nicht zuletzt der saisonale Kalender. Auch die Quartalszahlen kommen nicht durch die Bank gut an. "SAP wurde ebenso wie Netflix nach seinen Zahlen mit einem ordentlichen Minus quittiert", so Thomas Soltau von Smartbroker.

Zur Person
Daniel Saurenz ist Finanzjournalist, Börsianer aus Leidenschaft und Gründer von Feingold Research. Mit seinem Team hat er insgesamt mehr als 150 Jahre Börsenerfahrung und bündelt Börsenpsychologie, technische Analyse, Produkt- und Marktexpertise. Bei t-online schreibt er über Investments und die Lage an den Märkten, immer unter dem Fokus des Chance-Risiko-Verhältnisses für Anleger. Sie erreichen Daniel auf seinem Portal www.feingoldresearch.de.
Banken brennen Feuerwerk ab
Im Bankensektor sahen JP Morgan und Goldman Sachs gut aus, jedoch waren sie mit reichlich Vorschuss in die Quartalssaison gegangen. JP weist in den Daten von Gettex auf zwölf Monate in US-Dollar knapp 30 Prozent Kursplus aus und hat sich auch um ebendiese 30 Prozent seit dem Ausverkauf Anfang April erholt.
Bei Goldman Sachs sieht es ähnlich aus, und europäische Banken wie die Unicredit zeigen auf zwölf Monate sogar 55 Prozent Kursplus und ebenso wie die Amerikaner rund 50 Prozent Erholungsrally seit Anfang April.
Statistik gibt Warnsignal
Der Blick zurück auf die Gesamtindizes liefert keine Garantie für die Zukunft, aber interessante Muster. In den vergangenen 35 Jahren gehörten der August und September zu den schwächsten Börsenmonaten. Der S&P 500 verlor laut Lynx-Broker im August im Schnitt 0,6 Prozent, der Dow 0,9 Prozent. Und der Nasdaq konnte sich mit einem Plus von 0,1 Prozent zumindest behaupten. Auch das passt gut ins aktuelle Bild: Wachstumswerte wie Tech zeigen in der Spätsommerphase meist etwas mehr Resilienz als klassische Substanztitel.
Wichtig ist, dass solche Durchschnittswerte kein Prognoseinstrument sind, sondern lediglich eine grobmaschige Orientierung liefern, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Sie bieten eine Perspektive, aus der sich mögliche saisonale Muster ableiten lassen, ohne diese überzubewerten. Wer antizyklisch denkt, sieht in solchen Phasen nicht nur Risiken, sondern auch Chancen. Denn so schwach das dritte Quartal oft verläuft – das vierte gilt nicht umsonst als das wesentlich freundlichere.
Rücksetzer in den kommenden Wochen sollten sich daher als Einstiegsgelegenheit erweisen. Marc Seidner von Blackrock rechnet dabei "weiterhin mit einer Abwertung des US-Dollars und einer Versteilerung der Renditekurve – insbesondere vor dem Hintergrund des One Big Beautiful Bill Act, der das US-Defizit unabhängig von den Wachstumsaussichten ausweiten könnte." Er glaubt, dass die globalen Märkte weiterhin eine bessere Performance erzielen dürften als die USA.
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