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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Qualität statt Nervenkitzel So trotzen Anleger der Börsen-Achterbahn

Qualität zahlt sich aus – auch an der Börse. Aktien von Unternehmen mit besonders guter Bilanz sind krisenresistent und laufen langfristig besser.
Das bisherige Börsenjahr war nichts für schwache Nerven. Von dem heftigen Kurseinbruch nach der Zollankündigung von US-Präsident Donald Trump haben sich die Märkte zwar längst erholt, aber es ist absehbar, dass es weitere Kursschwankungen geben wird. Trumps gewöhnungsbedürftige Zollpolitik mit allen Folgen für das weltweite Wirtschaftswachstum sorgt nicht gerade für Vertrauen.
Gerade in einem unsicheren Umfeld mit viel Volatilität setzen Anleger bevorzugt auf sichere Anlageklassen, die Stabilität ins Depot bringen. Dazu gehören auch Qualitätsaktien, die Aktien von qualitativ hochwertigen Unternehmen. Börsianer sprechen vom Faktor "Quality".

Zur Person
Jessica Schwarzer ist Finanzjournalistin, Bestsellerautorin und langjährige Beobachterin des weltweiten Börsengeschehens. Die deutsche Aktienkultur ist ihr eine Herzensangelegenheit. Mitte März 2024 ist ihr siebtes Buch "Erfolgreich investieren mit den besten Börsenstrategien" im Börsenbuchverlag erschienen. Sie erreichen sie auf LinkedIn, X, Facebook und Instagram. Alle Gastbeiträge von Jessica Schwarzer lesen Sie hier.
Qualität zahlt sich aus
Doch was zeichnet ein Qualitätsunternehmen aus? Woran erkennt man es? Diese Unternehmen sind extrem gut aufgestellt, haben solide Bilanzen, ein sehr stabiles Geschäftsmodell. Sie verfügen auch über stabile Cashflows und haben eine starke Marktstellung und die Macht, Preise zu setzen. Deshalb kommen sie auch vergleichsweise gut durch Krisen. In schwierigen Marktphasen entwickeln sie sich besser als die Konkurrenz.
Das heißt aber nicht, dass sie nicht auch Kursverluste verbuchen. Wenn es an der Börse knallt, dann trifft es alle Aktien, aber manche eben weniger stark als andere. Und manche erholen sich eben auch schneller als andere: die Qualitätsaktien.
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Man spricht dabei oft von sogenannten Burggraben-Aktien – also von Anteilen an Unternehmen, die sich durch nachhaltige Wettbewerbsvorteile behaupten. Dazu zählen starke Marken, Unternehmen, die technologisch den Ton angeben oder bei Kunden hohe Wechselkosten verursachen. Ein sogenannter Burggraben-ETF (Englisch: Wide Moat) des niederländischen ETF-Anbieters Van Eck (ISIN: IE00BL0BMZ89) hält unter anderem Aktien des irischen Herstellers von Sicherheitstechnik Allegion, des Halbleiterherstellers Taiwan Semiconductor oder Walt Disney.
Ein Umstieg eines "Burggraben-Unternehmens" zu einem anderen Anbieter würde viel Zeit kosten, viel Geld verschlingen oder Unsicherheit mit sich bringen. All das schützt Unternehmen langfristig vor der Konkurrenz und sichert stabile bis sehr gute Einnahmen und hohe operative Margen. Und das über viele Jahre und Jahrzehnte, was bei Investoren gut ankommt. Zumal viele Qualitätsaktien auch sehr solide Dividendenzahler sind.
Mit ETFs auf Qualitätsaktien setzen
Eine Möglichkeit, auf Qualitätsaktien zu setzen, ist ein ETF auf den MSCI World Quality. Diese spezielle Variante des Weltaktienindex identifiziert Aktien mit hohen Qualitätsbewertungen, die auf drei grundlegenden Variablen basieren: einer hohen Eigenkapitalrendite (ROE), einem stabilen Gewinnwachstum im Jahresvergleich und einem geringen Verschuldungsgrad. Sie stehen eben wirklich sehr solide da. Ich finde dieses Konzept ziemlich gut, aber es hat auch seine Tücken oder besser gesagt Schwachstellen.
Sicherlich kennen Sie die Kritik am MSCI World: zu US-lastig, zu viel Technologie und überhaupt kein echter Weltindex. Das trifft auch auf die Qualitätsvariante zu: Schwellenländer-Aktien fehlen im MSCI World Quality genauso wie im MSCI World, US-Aktien sind sogar noch höher gewichtet und kommen auf 80 Prozent (Stand Ende Juni).
Und auch die hohe Gewichtung von Technologie-Werten haben beide Indizes gemein. In der Qualitätsvariante macht die Technologiebranche fast 30 Prozent aus, gefolgt von der Gesundheitsbranche mit 15 Prozent und Kommunikationsunternehmen mit gut 14 Prozent. Die größten Werte sind Nvidia, Meta und Microsoft mit mehr als fünf Prozent Indexanteil, gefolgt von Apple und Visa.
Die langfristige Rendite spricht für den MSCI World Quality
Das müssen Sie wissen und das müssen Sie akzeptieren, wenn Sie auf den MSCI Quality setzen möchten. Die Performance spricht aber ganz klar für den Index. Vor allem langfristig – und das ist das Entscheidende – funktioniert der Faktor "Qualität" nämlich sehr gut.
Seit Ende Juni 1994 hat der MSCI World Quality im Schnitt jährlich 11,82 Prozent zugelegt, der MSCI World schaffte "nur" eine durchschnittliche Rendite von 8,63 Prozent pro Jahr. Das ist ein sehr deutlicher Unterschied. Wichtig aber gerade in unsicheren Zeiten: Qualitätsaktien schwanken weniger stark. Und das tut gut, wenn es an der Börse mal wieder kräftig auf und – vor allem – ab geht.
Auch in den vergangenen zehn Jahren hat es sich gelohnt, auf Qualität zu setzen. Der MSCI World Quality legte pro Jahr im Schnitt 13,62 Prozent zu, der MSCI World mit 11,23 Prozent etwas weniger. Zuletzt liefen die Qualitätsaktien allerdings etwas schlechter, was am sehr hohen US-Anteil im Index liegt.
Amerikanische Aktien laufen in diesem Jahr schlechter als europäische oder auch asiatische. Das lastet auf der Rendite, die aber trotzdem positiv ist. Im ersten Halbjahr legte der MSCI World 9,75 Prozent zu, der MSCI World Qualität "nur" 6,38 Prozent. Das ist aber noch immer eine ziemlich gute Rendite. Auch im vergangenen Jahr hatte der Klassiker die Nase ein kleines bisschen vorn, aber im Jahr 2023 waren die Qualitätsaktien klar besser unterwegs. Im Jahr davor war es wieder andersherum.
Langfristig auf Qualität setzen
Grundsätzlich gilt aber: Auch an der Börse lohnt es sich, langfristig auf Qualität zu setzen. Und deshalb ist ein ETF auf den MSCI Quality in meinem Depot auch recht hoch gewichtet. Auch wenn Qualitätsaktien nicht immer besser laufen als andere Anlageklassen, bringen sie aber auf jeden Fall Ruhe und Stabilität ins Depot – und eine langfristig sehr gute Rendite. Und das gefällt mir bei meinem persönlichen Aktienanteil von 80 Prozent sehr, sehr gut. Ihnen auch?
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