Zukunft der Rente Sie werden länger arbeiten!
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Wen die aktuelle Rentendiskussion betrifft, wer seine Lebenspläne ändern muss – und wer sich beruhigt zurücklehnen darf.
Sie müssen diesen Artikel nicht lesen. Wenn Sie älter als 60 Jahre sind, können Sie es sein lassen. Alter kann manchmal ein Glück sein. Zum Beispiel, wenn es um die Rente geht. Denn besser als heute wird die finanzielle Lage für Rentner nicht mehr werden. Natürlich: Auch bei Ihnen, den über 60-Jährigen, gibt es viele, die jetzt schon mit sehr kleinen Renten zurechtkommen müssen. In Großstädten, in denen die Mieten steigen und das Leben teurer wird, wird Armut zu einer immer drückenderen Belastung. Doch im Großen und Ganzen können Sie sich trösten. Den nächsten Rentner-Generationen wird es kaum besser gehen als Ihnen.
Wenn Sie allerdings zwischen 35 und 55 Jahre alt sind, sollten Sie sich Gedanken machen. Sie dürfen sich auch ärgern. Denn der Berliner Streit um die Rente ist zwar nötig. Er kommt nur viel zu spät. Die Fakten zur Rente sind lange bekannt. Bisher fehlte nur der Mut zu schwierigen politischen Entscheidungen. Den Älteren unter den beruflich Aktiven – das sind die Babyboomer, die der Rentenkasse in ein paar Jahren große finanzielle Probleme bereiten werden – haben deshalb viel Zeit verloren, die sie sonst zur Vermögensbildung hätten nutzen können. Zeit, die sie vielleicht auch gebraucht hätten, um sich auf eine längere Lebensarbeitszeit vorzubereiten.
Denn trotz des Vorschlags von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) wird sich das Rentenniveau für sie nicht auf 48 Prozent festschreiben lassen. Dazu kommt: Die Nachwirkungen der Finanzkrise haben auch die private Vorsorge ordentlich gebeutelt. Die Erträge aus Lebensversicherungen, Sparkonten und Geldreserven schrumpfen. Die Bundesbank berichtete an diesem Montag, dass die Nettovermögen der Deutschen in diesem Sommer erstmals seit sechs Jahren gesunken sind. Die Älteren müssen jetzt gegen eine doppelte Lücke bei ihren Alterseinkünften kämpfen.
Wer soll die Rentenlücke schließen?
Das erste Loch entsteht im gesetzlichen Rentensystem, weil das Rentenniveau ohne Zusatzzahlungen nicht zu halten sein wird. Aber wer soll die finanzieren? Glauben Sie, dass die Jungen Rentenbeiträge von nahe 30 Prozent bezahlen können und wollen? Hoffen Sie, dass eine Vermögen- oder Erbschaftsteuer – abgesehen von verfassungsrechtlichen Problemen – 75 bis 100 Milliarden Euro jährlich einspielen kann, die nach Berechnungen des Prognos-Instituts im Jahr 2040 fällig würden? Wären Sie für eine Mehrwertsteuer, die von heute 19 auf 26 Prozent steigen müsste, wie der Münchner Rentenexperte Axel Börsch-Supan ermittelt hat? Nein, keiner dieser Vorschläge ist realistisch. Die mittlere Generation muss sich darauf einstellen, auf dem größten Teil der gesetzlichen Rentenlücke sitzen zu bleiben.
Der andere Fehlbetrag klafft in der privaten Vorsorge, weil Inflation und Niedrigstzinsen das Ersparte auffressen, und weil die Deutschen ihr Geld zu zaghaft anlegen. Hier lässt sich etwas ändern. Wenn man die Sache langfristig angeht, schneiden Aktien besser ab als Sparbuch und Eigenheim. Zwar haben die Kursverluste an der Börse zum allgemeinen Schwund bei den Vermögen in diesem Jahr beigetragen, aber insgesamt haben sich Aktien in den vergangenen zehn Jahren sehr viel besser geschlagen als andere Anlageformen. Wenigstens für die Jüngeren in der mittleren Generation ist es eine Überlegung wert, für die Altersvorsorge stärker (auch) auf Firmenanteile zu setzen. Kursschwankungen kann man besser aushalten, wenn man früh anfängt, regelmäßig investiert, und wenn man bei einem Crash die Nerven behält.
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Am Ende aber führt kein Weg daran vorbei: Die mittlere Generation wird ihre Lebenspläne ändern, die Jungen werden sie anpassen müssen. Ein Rentenniveau von 48 Prozent ist jenseits des Jahres 2040 nur möglich, wenn die Betroffenen entsprechend länger arbeiten. Wer bereit ist, bis zum Alter von 70 oder darüber hinaus berufstätig zu sein, wird auch im Jahr 2040 eine ordentliche Summe aus der gesetzlichen Rente bekommen können. Wer früher gehen will, muss in seiner aktiven beruflichen Zeit mehr und klüger vorsorgen.
Das ist keine neue Erkenntnis. Sie ist auch dem Bundesfinanzminister wohlbekannt. Es wäre besser gewesen, er hätte sie ausgesprochen, statt unrealistische Hoffnungen zu wecken.
Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr neues Buch heißt: "Regierung ohne Volk. Warum unser politisches System nicht mehr funktioniert."