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Klimaprotest Fridays for Future verliert an Zulauf – aus diesen fünf Gründen


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Klimaprotest
Fridays for Future verliert an Zulauf – aus diesen fünf Gründen


Aktualisiert am 25.09.2020Lesedauer: 3 Min.
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Demo mit Abstand: Am Freitag gingen Jugendliche unter anderem in Berlin fürs Klima auf die Straße.Vergrößern des Bildes
Demo mit Abstand: Am Freitag gingen Jugendliche unter anderem in Berlin fürs Klima auf die Straße. (Quelle: Michael Sohn/ap)

Die Zustimmung für Greta Thunberg ist immer noch hoch, doch bei den Aktionstagen schwächeln die jugendlichen Unterstützer. Sie gehen wieder in die Schule – oder gleich in die Politik.

Zugegeben, das Wetter ist nicht so gut an diesem 25. September. Und die coronabedingten Abstands- und Versammlungsregeln wollen auch beachtet werden. Doch diese Hindernisse allein können nicht erklären, warum am Freitag nicht ansatzweise so viele Schülerinnen und Schüler dem Aufruf zum Schulstreik für das Klima folgten wie noch vor der Corona-Krise.

Die Bewegung ist erkennbar ins Stocken geraten: nicht trotz – sondern wegen ihres Erfolgs.

Der weltweit sichtbare Klimawandel müsste eigentlich gerade jetzt Hunderttausende auf die Straße treiben. Die verheerenden Waldbrände in Kalifornien, das rapide Schrumpfen des Polareises, der dritte Dürre-Sommer nacheinander in Europa oder die Jahrhundertflut in Ostafrika.

Die Erderwärmung fordert weltweit Tote

Wohin man in diesen Wochen blickt, fordert die Erderwärmung Menschenleben und richtet schlimme Schäden an. Doch die jugendliche Klimabewegung, die seit zwei Jahren freitags die Schule Schule sein lässt, profitiert nicht mehr davon. Immer weniger kommen zu den Aktionstagen. Eine zweite, neue Generation Thunberg wächst nicht nach.

Das hat verschiedene Gründe.

  1. Corona I: In und nach der Corona-Krise ist Schülern und Eltern in aller Dramatik bewusst geworden, wie wichtig die Schule ist. Der wochenlange Ausfall hat schon jetzt zu kaum aufholbaren Rückständen im Stoff geführt. Das hat unangenehme Folgen für weitere Bildungswege, mögliche Abschlüsse und das potenzielle Lebenseinkommen. Jede weitere unnötig versäumte Stunde vertieft das Problem. Die Kinder gehen seit den Sommerferien mit einem neuen Ernst zum Lernen aus dem Haus. Auch die gutmütigsten Eltern mahnen jetzt zu Disziplin, wenn der Nachwuchs wieder zum Protestplakat statt zum Ranzen greifen will.
  2. Corona II: Demonstrieren in Corona-Zeiten ist schwierig. In den meisten Ländern gibt es Beschränkungen für die Teilnehmerzahl von Demonstrationen, und die Abstandsgebote machen das Protestieren nicht leichter. Weil die Fridays-for-Future-Bewegung die amtlichen Auflagen richtig findet und beachtet, gibt es im Augenblick keine großen Aufmärsche. Ohne die aber gibt es auch keine beeindruckenden Bilder, die potenzielle neue Gefolgsleute motivieren könnten, dazuzustoßen.
  3. Der Erfolg: Greta Thunberg beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos, bei den Vereinten Nationen, bei Bundeskanzlerin Angela Merkel. Mehr Aufmerksamkeit und Beachtung haben Jugendliche nie gefunden. Wacher als heute waren Politiker für Klimafragen noch nie. Doch der mächtige Appell "Hört auf die Wissenschaft" nutzt sich schneller ab, als es den Klimaaktivisten lieb sein kann. Eine Regierungskommission löst die nächste ab, ein High-Level-Expertengremium gibt dem anderen in den Regierungszentralen Europas die Klinke in die Hand. Leider aber ist es mit dem Hören nicht getan. Es muss auch gehandelt werden. Mit dem wütenden Ausruf "How dare you?" ("Wie könnt Ihr es wagen?") auf dem Weltklimagipfel im vergangenen Jahr hat Greta Thunberg ihre schärfste Waffe benutzt: die öffentliche Verurteilung für das angebliche Versagen der Politiker. Das aber wirkt nur einmal.
  4. Die Polarisierung: Die Klimabewegung zerfällt schon jetzt erkennbar in zwei Gruppen. Die ein tritt den Marsch durch die Institutionen an. Etwa fünf der prominenten deutschen Aktivisten planen nach Recherchen der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" eine politische Karriere. Bekannt ist, dass der Schleswig-Holsteiner Jakob Blasel für die Grünen in den nächsten Bundestag einziehen will, auch SPD und Linke seien im Gespräch mit möglichen Kandidaten. In der Politik aber werden diese Nachwuchstalente Kompromisse schließen müssen – sehr zum Ärger der Fundamentalisten in der Bewegung. Die wenden sich in immer größerer Zahl radikaleren Gruppierungen wie "Extinction Rebellion" zu, die statt der eher braven Aufmärsche vor den Ministerien auch rabiat werden und beispielsweise stundenlang Straßen und Zufahrten zu Flughäfen blockieren.
  5. Der Nachwuchs: Nach zwei Jahren Fridays for Future verfestigen sich die Strukturen in der Bewegung. Die Aktivisten der ersten Stunde sitzen in Talkshows und eilen zum Gespräch bei der Bundeskanzlerin. Eifersüchteleien und die Frustration in der zweiten Reihe belasten die Zusammenarbeit. Das aber verschreckt die nächste Engagement-Generation. Je älter, professioneller und erwachsener die prominenten Gesichter argumentieren, desto weiter entfernen sie sich von den 13- bis 16-Jährigen, die sie für ihre Aktionstage noch gewinnen müssen.

Kein Zweifel: Die Bewegung verliert den Rückhalt der Basis, es bilden sich Flügel, die irgendwann nicht mehr integrierbar sein werden. Das aber ist nicht schlimm.

Erstens geht es allen Bewegungen irgendwann so, die Grünen sind das beste Beispiel dafür. Und zweitens steht die Klimapolitik ja jetzt in den meisten entwickelten Ländern der Welt ganz oben auf der Agenda. Wenigstens dieses Ziel ist also erreicht.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Gemeinsam mit t-online.de und der Leibniz-Gemeinschaft produziert sie den Podcast .

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