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Gamestop-Krimi an der Wall Street: Darum können Kleinanleger nur verlieren


Wahnsinn an der Wall Street
Darum können Kleinanleger im Gamestop-Krimi nur verlieren

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 03.02.2021Lesedauer: 5 Min.
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Aktienhändler (Symbolbild): Gamestop-Anleger fühlen sich durch Trader wie Robinhood behindert.Vergrößern des Bildes
Aktienhändler (Symbolbild): Gamestop-Anleger fühlen sich durch Trader wie Robinhood behindert. (Quelle: imago-images-bilder)

Eine wilde Truppe von Kleinanlegern macht an der Wall Street Rabatz und treibt die Kurse einzelner Unternehmen in die Höhe. Das hört sich super an – kann aber sehr gefährlich werden.

Auf den ersten Blick ist es eine großartige Geschichte: Tausende Kleinanleger nehmen die großen Spieler an den Weltbörsen unter Feuer. Sie zwingen Hedgefonds und Kapitalsammelstellen in die Knie, indem sie deren Wetten angreifen.

Wenn die Firma, über die die Kleinen ihre Attacke organisieren, dann auch noch Robinhood heißt, ist die Helden-Story fast schon fertig. Aber eben nur fast. Denn am Ende können sie nicht gewinnen.

Hedgefonds wetteten auf Niedergang der Videospielkette

Haben Sie schon mal von Gamestop gehört? In Deutschland ist der Videospiel-Einzelhändler in den C-Lagen der Großstädte mit kleinen Läden vertreten, rund 200 Läden hat der amerikanische Einzelhändler in Deutschland, weltweit sind es rund 5.000 (Stand: September 2020).

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Die Firma verkauft Online-Spiele und das nötige Zubehör. Zuletzt geriet es schwer unter Druck, nicht nur wegen des Lockdowns in der Corona-Krise: Gamer kaufen ihre Spiele, die Konsolen und Kopfhörer jetzt lieber online, der Gebrauchthandel mit alten Versionen oder Vorgängermodellen geht zurück.

Diese Entwicklung beobachten Hochrisikoanleger sehr genau. Sie glauben, dass es so weitergeht – und wetten mit Leerverkäufen gegen die Firma. Bei Leerverkäufen besitzt man die Aktien gar nicht, die man handelt: Man leiht sie sich erst einmal und verpflichtet sich nur, die Papiere zu einem bestimmten Termin nachzukaufen.

Leerverkäufe sind wichtiges Signal für den Markt

Liegt man mit der Wette richtig, bekommt man sie dann billiger, die Differenz (minus Leihgebühr) ist der Gewinn. Steigt der Wert aber in der Zwischenzeit, hat man sich verzockt. Man muss mehr bezahlen, als man wollte oder für angemessen hält.

Shortseller sind Händler, die annehmen, dass die Kurse fallen. Sie nutzen Leerverkäufe, um trotzdem Geld zu verdienen. Für den Aktienmarkt können Leerverkäufe ein wichtiges Signal sein: Sie zeigen an, dass Investoren das Vertrauen in bestimmte Firmen oder Märkte verlieren.

Genau das ist Gamestop und ein paar anderen Unternehmen, wie zum Beispiel den Mobiltelefonherstellern Blackberry und Nokia, aber auch dem Batteriehersteller Varta, in den vergangenen Monaten passiert.

Moralisch ist es natürlich heikel, wenn Händler am Niedergang und am Leid von Unternehmen, ihren Mitarbeitern und Eigentümern, Geld verdienen wollen. Deshalb haben Hedgefonds, die hier Geschäfte machen, einen schlechten Ruf. Und deshalb werden sie nun von den Kleinanlegern angegriffen.

Aktie schießt auf Schlusskurs von fast 270 Euro hoch

Im Fall der Gamestop-Aktie verabredeten sich tausende Kleinaktionäre zum Kauf der Gamestop-Aktie. Dafür nutzen die meisten die Handelsplattform Robinhood. Auf den ersten Blick ist die Sache ein krachender Erfolg.

Die Aktie, die im August des vergangenen Jahres noch für 3,90 Euro zu haben war, schoss bis Ende Januar auf fast 270 Euro hoch, richtig Schub bekam die Kursrakete in der letzten Januar-Woche, als die Kleinaktionäre alles kauften, was zu bekommen war.

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Die Shortseller wurden auf dem falschen Fuß erwischt: Wenn sie ihre Handelspositionen auflösen, also die Aktie tatsächlich kaufen mussten, waren sie gezwungen, die hohen Kurse zu bezahlen. Sie verloren in den vergangenen Wochen Milliarden.

Das Kapital des Hedgefonds Melvin Capital beispielsweise halbierte sich in nur einem Monat von 12,5 Milliarden Dollar auf gut die Hälfte. Den Zusammenbruch verhinderten nur zwei weitere Fonds, die Melvin Capital mit einer ordentlichen Kapitalspritze aus der Patsche halfen.

Das ist der Stoff, aus dem echte Börsenkrisen entstehen können. Deshalb ist die Geschichte von Robinhood und Gamestop nicht nur eine Heldensaga, bei der die Kritiker des Börsenhandels die Milliardäre mit ihren eigenen Waffen schlagen. Sie ist auch die Warnung vor einer wachsenden Instabilität der Märkte. Die Bedrohung ist real – aus drei Gründen.

Regierungen müssen im Notfall Hedgefonds retten

Erstens: Nach der Finanzkrise haben die Regierungen der Welt den Bankensektor stark reguliert. Das hatte gute Konsequenzen: Banken sind heute widerstandsfähiger als 2008, als die Schieflage eines Hedgefonds eine regelrechte Weltwirtschaftskrise auslöste.

Doch es gab auch unbeabsichtigte Folgen: Ein großer Teil des Anlagegeldes wanderte aus dem regulierten Bereich in die Hedgefonds ab, in denen höhere Risiken eingegangen werden, weshalb in guten Zeiten auch mehr Gewinn möglich ist.

Das Gewicht dieser Fonds für die Stabilität von Börsen und Finanzmärkten ist deshalb viel größer geworden – eine echte Krise hätte möglicherweise noch ernstere Folgen. Mitleid muss man mit ihnen nicht haben. Aber wenn es hart auf hart käme, müssten sie von Regierungen und Steuergeld gerettet werden, um einen Zusammenbruch des Weltfinanzsystems abzuwenden.

Handelsplattformen sind unter Druck

Zweitens: Auch die Plattformen, auf denen gehandelt wird, geraten unter Druck. Robinhood beispielsweise musste in der vergangenen Woche bei seinen Investoren rund 2,4 Milliarden Dollar an frischem Geld einsammeln, um es an der Börse zu hinterlegen.

So will die Börsenaufsicht in unsicheren Marktzeiten sicherstellen, dass die geschlossenen Verträge tatsächlich bezahlt werden können. Außerdem musste das Handelshaus die Zahl der Aktien begrenzen, die seine Kunden noch kaufen und verkaufen durften.

Zeitweise konnten Depotinhaber nur noch eine Aktie am Tag kaufen oder verkaufen – was die Kleinanleger natürlich verbitterte. Viele hatten gehofft, ganz schnell ganz reich zu werden.

Amerikaner sind verzweifelt

Drittens: Die Kleinanleger sind ebenfalls in Gefahr. Solange nur Wall-Street-Aktivisten die Gamestop-Aktie kauften, war klar, dass hier ein Kreuzzug gegen "Big Money" stattfindet. Den Teilnehmern war es nicht so wichtig, ob sie das eingesetzte Geld verlieren.

Jetzt aber sitzen auch Aktionäre im Zug, die das Geld brauchen. In der Corona-Krise sind vor allem in den USA viele Haushalte so unter Druck, dass sie sich an Lotterien und Wetten aller Art beteiligen, in der Hoffnung, am Ende des Monats ihre Rechnungen bezahlen zu können.

Bricht der Kurs von Gamestop und ähnlichen Firmen zusammen, ist ihre Lage schlimmer als je zuvor. Für die Großen dagegen gilt: Das Geld ist nicht weg, es ist nur woanders. Einem Hedgefonds, der sich verzockt hat, steht ein anderer gegenüber, dessen Wette aufgegangen ist.

So könnte am Ende aus der faszinierenden Komödie von Aufstieg und Fall der Superreichen doch noch ein Drama um Rache und Elend der Verzweifelten werden. Es muss nicht passieren. Doch wer sein Geld braucht, bleibt besser am Spielfeldrand.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Gemeinsam mit t-online.de und der Leibniz-Gemeinschaft produziert sie den Podcast "Tonspur Wissen".

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