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Gravierende Fehler bei Gaspreisbreme: Wer gespart hat, ist der Dumme


Gaspreisbremse
Wer gespart hat, ist der Dumme

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 11.10.2022Lesedauer: 3 Min.
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Gasherd: Das Ergebnis der Expertenkommission sei unter zu großem Zeitdruck entstanden, schreibt t-online-Kolumnistin Ursula Weidenfeld.Vergrößern des Bildes
Gasherd: Das Ergebnis der Expertenkommission sei unter zu großem Zeitdruck entstanden, schreibt t-online-Kolumnistin Ursula Weidenfeld. (Quelle: Frank Rumpenhorst)

Die Kommission für Gas und Wärme hat einen Vorschlag gemacht, wie die hohen Energiekosten zu schultern wären – dabei aber gravierende Fehler gemacht.

Ein bisschen sonderbar ist es schon, wenn Experten sich für ihre Expertise entschuldigen, kaum dass sie sie veröffentlicht haben. "Sicher nicht perfekt" sei der Vorschlag, entschuldigte der Co-Vorsitzende und Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Siegfried Russwurm, das Gutachten zum Gaspreisdeckel.

Im Einzelfall gerecht sei es auch nicht, klagte sein Vorsitz-Kollege, der Chemie-Gewerkschaftschef Michael Vassiliades: "Es zerreißt mir das Herz". Und die nüchterne dritte Vorsitzende der Kommission, die Wirtschaftssachverständige Veronika Grimm, beschied knapp, die Sache sei "pragmatisch" geraten.

Sie alle haben recht und unrecht. Denn der Zwischenbescheid der Kommission Gas und Wärme zur Entlastung der Bürger ist mit heißer Nadel gestrickt. Er gibt in seiner vorläufigen Variante kaum Sparanreize. Er entlastet alle und ist damit viel teurer als nötig – anstatt nur diejenigen zu unterstützen, die ihre Rechnungen tatsächlich nicht mehr bezahlen können.

Kommission stand unter gewaltigem Zeitdruck

Die Kommission steht unter einem unmöglichen Zeitdruck. Zwar wusste die Bundesregierung schon bei Kriegsausbruch im Februar, spätestens beim ersten und zweiten Entlastungspaket (Steuerentlastung, Tankrabatt, Energiekostenzuschuss, 9-Euro-Ticket) im Frühjahr, dass eine belastbare Lösung gefunden werden muss. Doch ihre "unabhängige Expertenkommission" berief sie erst Ende September (nach dem dritten Paket) – und machte den Professoren, Unternehmensvorständen, Verbandspräsidentinnen, Gewerkschaftschefs und Energieexpertinnen gleich gewaltig Dampf.

Bis Mitte Oktober müsse Rat da sein, verlangte der Bundeskanzler. Obwohl sich die Berufenen umgehend an die Arbeit machten, in der Kommission "ungewöhnlich konstruktiv und konzentriert gearbeitet" werde, wie Teilnehmer berichten, war klar: Auf die Schnelle und mit den konkreten Vorgaben der Regierung (ein Preisdeckel, und zwar flott!) würde nur eine vorläufige, fehlerhafte und keinesfalls unabhängige Lösung machbar sein.

Wichtigste Antwort fehlt

Unter diesen Umständen kann sich das Ergebnis zwar sehen lassen, jedenfalls was die Entlastung der Verbraucher betrifft. Fast 100 Milliarden Euro sollen Dezember-Entlastung und der Preisdeckel für das kommende Jahr kosten.

Finanziert werden soll das Ganze aus neuen Staatsschulden, die der Finanzminister in einem neuen Sondervermögen parken will. Doch für das schwierigste Thema liefert die Kommission keine Antwort: Wie die privaten Haushalte wohl zwanzig Prozent ihres Verbrauchs sparen werden, damit das Gas nicht ausgeht.

Die Wahrscheinlichkeit für ein striktes Sparverhalten sinkt mit der Höhe der staatlichen Zuschüsse. Wer den Preis als Signal ausschaltet, muss mit anderen Instrumenten dafür sorgen, dass die Bürger den Waschlappen und nicht die heiße Dusche nehmen.

Zu hoffen, dass auch ohne drastische Maßnahmen ausreichend gespart wird, wäre genau so naiv, wie eine Wette auf einen ungewöhnlich warmen Winter zu machen. Wie die Maßnahmen aber aussehen sollen, bleibt unbeantwortet.

Es werden die Falschen entlastet

Die Alle-kriegen-etwas-Doktrin ist ebenfalls in erster Linie der Eile geschuldet, in der die Kommission verhandeln mussten. Jetzt werden auch Reiche und Verschwender entlastet. Wer es sich in den vergangenen Jahren besonders kuschelig gemacht hat, wird stärker bezuschusst als Verantwortungsbewusste, die schon in den letzten Wintern gespart haben, um Klima und Geldbeutel zu schonen.

Wer im Keller die olle Gasfunzel weiterarbeiten lässt, bekommt mehr als diejenige, die in eine moderne Brennwerttechnik investiert hat. Das ist weder gerecht noch sozial: Denn für diejenigen, die wirklich hart betroffen sind, könnte die Dezember-Hilfe zu niedrig ausfallen, um sie vor der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren.

Gab bereits brauchbares Gutachten

Nötig gewesen wäre das nicht. Denn ausgerechnet die Vorsitzende der Kommission, Veronika Grimm, hatte im Frühjahr schon ein Gutachten für die mögliche Rückerstattung der CO2-Steuer vorgelegt.

Die Wissenschaftler stellten fest, dass nicht nur die unteren, sondern auch einige mittlere Einkommensgruppen von steigenden Kosten für fossile Energien besonders hart erwischt werden können. Das gilt beispielsweise für Haushalte auf dem Land, die in schlecht sanierten großen Häusern wohnen und weite Pendelstrecken bewältigen müssen.

Dieses Gutachten hätte auch als Vorlage für eine vernünftige Gaspreisbremse getaugt. Die Expertenkommission hätte mit etwas weniger Druck ein System entwickeln können, wie man in nationalen Notlagen besonders belastete Haushalte identifiziert und ihnen Hilfe zukommen lassen kann. Und zwar nur ihnen.

Dafür wären kommende Bundesregierungen vermutlich unendlich dankbar. Und für die Vorsitzenden der Kommission wäre es vielleicht leichter gewesen, zu ihrer Arbeit zu stehen.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr neues Buch heißt: Die Kanzlerin. Porträt einer Epoche.

Verwendete Quellen
  • Kolumne von Ursula Weidenfeld
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