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Weltall | Wissenschaftler: "Das Überleben der Menschheit sichern wir dort nicht"


Weltraummediziner erklärt
"Es gibt nur eine geringe Spanne zum Überleben"


Aktualisiert am 17.06.2023Lesedauer: 4 Min.
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Spacewalk eines NASA-Astronauten: Nicht nur staatliche, zunehmend auch kommerzielle Anbieter dringen in das Weltall vor.Vergrößern des Bildes
Spacewalk eines Nasa-Astronauten: Nicht nur staatliche, zunehmend auch kommerzielle Anbieter dringen in das Weltall vor. (Quelle: IMAGO/Frank Rubio/NASA)

Noch nie gab es so viele Raketenstarts wie heute. Warum eigentlich? Und rettet die Raumfahrt möglicherweise die Menschheit? Ein Weltraummediziner erklärt die Hintergründe.

Mehr als 600 Menschen waren bereits im Weltraum. Was machen sie da oben? Und was erzählt uns das All über die Menschen und die Lebensbedingungen auf der Erde? t-online sprach mit dem Weltraummediziner Hanns-Christian Gunga.

t-online: Herr Gunga, wir befinden uns im Zeitalter der Raumfahrt. Was wollen wir da oben eigentlich?

Hanns-Christian Gunga: Wir sammeln Wissen. Denn wir lernen im All so viel über unseren Planeten und den menschlichen Körper wie nirgendwo sonst.

Wie meinen Sie das?

Nehmen wir den Planeten. Satelliten zum Beispiel messen heute schon global so viele verschiedene Dinge, Temperaturen zum Beispiel oder die Bodenfeuchte. Man sieht Migrationsbewegungen auch in den entlegensten Gebieten.

Und was lernen wir über den Menschen?

Zum Beispiel, welche Einflüsse die Schwerelosigkeit auf den menschlichen Körper hat. Es kommt – naheliegenderweise – zu Gleichgewichtsstörungen. Auch der Stoffwechsel ist ein anderer. Bis hin zu der Erkenntnis, dass Raumfahrt sogar zu Genveränderungen führen kann.

Was ist das Problem?

Neben der Schwerelosigkeit vor allem die kosmische Strahlung. Man kann Menschen dagegen nicht hinreichend abschirmen, sie kann sogar bis in die DNA vordringen. Die Strahlung ist das größte Problem in der Raumfahrt.

Hanns-Christian Gunga
Hanns-Christian Gunga (Quelle: privat)

Professor Hanns-Christian Gunga ist Weltraummediziner und Paläontologe. Er war bis September 2022 stellvertretender Direktor des Instituts für Physiologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin und gehört seitdem als Seniorprofessor der Charité an. Ende des Monats erscheint sein neues Buch "Tödliche Hitze".

Das heißt, da oben ist eine lebensfeindliche Umgebung, egal, wie wir es drehen und wenden?

Ja, das Überleben der Menschheit sichern wir dort oben nicht. Aber die dort durchgeführten Experimente geben – wie schon gesagt – Aufschluss über eine Vielzahl von Problemen, mit denen wir uns auf der Erde herumschlagen.

Nun kommt es uns Laien oft so vor, als würden wir dort oben einen Ausweg suchen, weil klar ist, dass dieser Planet vielleicht gar nicht mehr zu retten ist …

Das wird nicht funktionieren.

Auch der Mars ist keine Lösung? Das ist ja offenbar das große Ziel?

Der Mars ist nicht der Ausweg für das Überleben der Menschheit, da müssen wir uns schon mit den Problemen auf der Erde beschäftigen und Lösungen finden. Allein die Reisedauer von etwa drei Jahren für eine Crew zeigt, dass das keine Alternative ist. Und dann erzählt uns der Mars ja auch eher, wie es nicht laufen sollte mit einem Planeten.

Wie meinen Sie das?

Was der Mars schon hinter sich hat, hat die Erde erst noch vor sich. Dort hat sich ein lebensfeindliches Klima entwickelt, warum genau, weiß man nicht, wenn es auch einige Theorien dazu gibt.

Auf der Erde scheint es so, als würde den Menschen dasselbe gelingen: ein Klimawandel, der den Planeten zu einem Planeten machen kann, auf dem Leben nicht mehr möglich ist. Zumindest nicht für Menschen.

Der Klimawandel ist Ihr großes Thema – das ist ungewöhnlich für einen Weltraummediziner, oder?

Nein, gar nicht, das ist sogar naheliegend. Ich bin ja auch Paläontologe, also beschäftige mich mit der vorzeitlichen Tier- und Pflanzenwelt. Und was Sie dann ganz schnell lernen: Menschen haben nur eine sehr geringe Temperaturspanne, innerhalb derer sie überleben können. Sie liegt bei einer Körpertemperatur von etwa 36 bis 37,5 Grad. Schon ein Grad mehr oder weniger wirkt sich auf unseren Körper aus.

Was passiert dann?

Sehen Sie: Menschen, die sich in sehr kalten Regionen – etwa im Himalaya – bewegen, treffen – wenn sie dauerhaft unterkühlt sind – irrationale Entscheidungen. Weil sie nicht mehr denken können. Und wenn es Menschen zu heiß wird, passiert dasselbe.

Ab circa 38 Grad Körperkerntemperatur können wir zunehmend nicht mehr richtig arbeiten, wir fangen an zu lallen, die Sprache verwischt. Der Körper ist auf derartige Temperaturen nicht ausgelegt. Mit steigenden Außentemperaturen und besonders bei gleichzeitiger körperlicher Arbeit nimmt die Gefahr einer Überhitzung des Körpers zu.

Nun scheint aber die Überhitzung sowohl des Planeten als auch der Menschen offenbar unsere Zukunft zu sein. Was hat das dann für Folgen?

Ja, uns wird auch nicht wirklich kommuniziert, was da im Einzelnen auf uns zukommt. Wir reden hier von großen Gebieten in Afrika, etwa in der Sahel-Zone, in denen die Temperaturen derart ansteigen werden, dass Menschen dort am Ende dieses Jahrhunderts nicht mehr leben können. Sie können dort nichts mehr anbauen oder arbeiten. Sie werden aus den Gebieten fliehen müssen. Wir reden hier von etwa 300 Millionen Menschen.

Und diese Menschen werden sich als Klima-Flüchtlinge auf den Weg in kühlere Regionen machen?

Ja. Zunächst in Afrika Richtung Norden oder Ostafrika, aber früher oder später werden auch uns diese Migrationsbewegungen in der einen oder anderen Weise erreichen.

Nun argumentieren Menschen, die die den menschengemachten Klimawandel leugnen, gern damit, dass es immer schon Klimaerwärmungen in der Geschichte der Erde gegeben hat.

Das ist auch richtig, zum Beispiel beim sogenannten miozänen Klimaoptimum. Die globalen CO2-Konzentrationen waren vergleichbar mit den heutigen. Sie stiegen auf Werte an, die jenen entsprechen, die wir heute am Ende dieses Jahrhunderts erwarten. Aber dieser Anstieg dauerte damals ca. zwei Millionen Jahre. Heute "schaffen" wir das in 100 Jahren. Eine physiologische Anpassung bei diesem Tempo ist nicht möglich.

Eine Lösung für dieses Problem kann Deutschland aber sicher nicht allein erreichen, auch wenn Demonstranten wie die Klimakleber gern so tun. Was wäre notwendig?

Das ist tatsächlich keine Aufgabe, die Deutschland allein bewältigen kann, sondern eine globale. Auch das kann man in der Raumfahrt lernen: Für das Überleben des Planeten sind Nationen egal. Dort oben arbeiten auch alle Nationen friedlich an einem Ziel zusammen. Das müssen wir auch auf der Erde erreichen.

Denn eins ist klar: Selbst, wenn wir das jetzt gesteckte Klimaziel von einer maximalen Erwärmung von 1,5 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts auch nur um ein halbes Grad verfehlen, es also etwa zwei Grad wärmer wird, wird das verheerende Auswirkungen haben. Ganze Regionen werden dann nicht mehr bewohnbar sein – mit allen Folgen, die das dann hat. Unsere vordringlichste Aufgabe muss es sein, das zu verhindern.

Herr Gunga, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Interview mit Hanns-Christian Gunga
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