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Kliniken werden zum Patientenrisiko
Zehntausende Infarktpatienten werden laut einer Studie jedes Jahr in Kliniken ohne geeignete Ausstattung behandelt. Minister Gröhe wollte die KlinikqualitĂ€t verbessern â und bekommt von den Kassen schlechte Noten.
Zehntausendfach werden Schwerkranke in Deutschland laut Krankenkassen und Experten in mangelhaft ausgestatteten Kliniken behandelt und groĂen Risiken ausgesetzt. So wĂŒrden jĂ€hrlich 22.000 Patienten mit Herzinfarkt in KrankenhĂ€user ohne Herzkatheterlabore eingeliefert, sagte AOK-Chef Martin Litsch in Berlin. Er beruft sich dabei auf die wissenschaftliche Erhebung "QualitĂ€tsmonitor 2017".
Notwendige Labore oft nicht vorhanden
Die Betroffenen seien zuletzt in einem Jahr in jenen 40 Prozent der Kliniken behandelt worden, die nicht ĂŒber solche Labore fĂŒr die genaue Untersuchung der HerzkranzgefĂ€Ăe verfĂŒgten. Laut Litsch ist das nur ein Beispiel von vielen fĂŒr mangelnde QualitĂ€t deutscher KrankenhĂ€user.
Litsch stellte auf einer AOK-Veranstaltung der jĂŒngsten Klinikreform von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) in diesem Punkt ein schlechtes Zeugnis aus: "Das erklĂ€rte Ziel des qualitĂ€tsorientierten Umbaus ist noch nicht so richtig in Fahrt gekommen."
Wenig Erfahrung, unklare Regelungen
Vor allem behandelten noch viel zu oft KrankenhÀuser mit vergleichsweise wenig Erfahrung in bestimmten Bereichen entsprechende Patienten.
Der Kassen-Spitzenverband forderte klarere Regeln, um Risiken fĂŒr die Patienten zu minimieren.
"Die Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt die Kliniken gut fĂŒr ihre Leistungen â dafĂŒr können die Patientinnen und Patienten auch erwarten, dass einzelne Kliniken Operationen und Behandlungen nicht durchfĂŒhren, wenn sie im konkreten Fall dafĂŒr ungeeignet sind", sagte der Vizechef des Verbands, Johann-Magnus von Stackelberg.
Spezialisierung und Erfahrung sollten im Fokus stehen
"Wo dies nicht freiwillig passiert, muss zum Beispiel durch die verbindliche Vorgabe von Mindestmengen dafĂŒr gesorgt werden." Das sind Untergrenzen von Behandlungszahlen in bestimmten Bereichen. Wichtig seien Spezialisierung und Erfahrung, so von Stackelberg.
Gröhe versicherte auf dem AOK-Kongress: "Wir wollen die QualitĂ€t weiter vorantreiben." Er verwies ebenso wie der AOK-Chef darauf, dass ein weiteres Ziel der Klinikreform erreicht worden sei â nĂ€mlich mehr Geld fĂŒr die KrankenhĂ€user.
Gröhe wollte mit seinem 2016 in Kraft getretenen Krankenhausstrukturgesetz QualitĂ€t zum Kriterium bei der Krankenhausplanung machen. Doch die fĂŒr diese Planung zustĂ€ndigen LĂ€nder, so der AOK-Chef, weigerten sich, das umzusetzen.
Kritik an Gröhes Krankenhausreform
Der Gesundheitsexperte der Linksfraktion, Harald Weinberg, warf Gröhe vor, sich wahlkampfgerecht fĂŒr eine untaugliche Krankenhausreform feiern zu lassen. "Die Reform fĂŒhrt dazu, dass ein Krankenhaus am besten fĂ€hrt, wenn möglichst wenig Personal möglichst viele und möglichst schwere Operationen durchfĂŒhrt."
Viele Kliniken behandelten Patienten in Bereichen, in denen sie weniger Erfahrungen als andere HÀuser haben, sagte der Klinikexperte Marcel Weigand der Deutschen Presse-Agentur. In KrankenhÀusern mit wenig Erfahrung steige das "LetalitÀtsrisiko" dramatisch, so Weigand - also die Gefahr zu sterben.
Weigand ist Projektmanager der "Weissen Liste", eines von der Regierung unterstĂŒtzten Portals mit Infos zur KlinikqualitĂ€t unter dem Dach der Bertelsmann-Stiftung. Es gebe viele Vorgaben an KrankenhĂ€user, sie wĂŒrden aber oft ignoriert, sagte er.