Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Aspartam und Co Was künstliche Süßstoffe in unserem Körper anrichten

Zuckerersatzstoffe versprechen süßen Genuss ohne Kalorien, geraten aber zunehmend in die Kritik. Neue Studien weisen auf mögliche Gesundheitsrisiken und Veränderungen im Darm hin.
Zucker hat in der Welt der gesunden Ernährung nicht den allerbesten Ruf. Grund genug für die Industrie, uns einzuladen in die bunte Welt der Ersatzstoffe: Im Laufe der Jahrzehnte durften wir die tollsten Kreationen erleben, in der Mehrzahl bis heute chemische Substanzen, die als harmlose Zuckeralternativen gepriesen werden.

Zur Person
Dr. med. Yael Adler ist Fachärztin für Dermatologie, Venerologie, Phlebologie und Ernährungsmedizin (DGEM). Ihre Bücher "Haut nah" und "Darüber spricht man nicht" standen auf Platz 1 der "Spiegel"-Bestsellerliste. Ihr neuestes Buch "Genial ernährt! – Klüger essen, entspannter genießen, besser leben" wurde gerade veröffentlicht. Mehr
Wissenschaftlich sind sie zumindest umstritten. Immer mehr wird infrage gestellt, ob diese Stoffe ohne Effekt so einfach durch unseren Körper flutschen: Zum einen führen sie unser Gehirn in die Irre, das glaubt, dass jetzt gleich etwas Süßes kommt – nur irgendwie fehlt dann die bei Zucker dazugehörende Energie. Was tun? Das Defizit mit mehr Essen ausgleichen?
Zum anderen kann das Mikrobiom im Darm verändert werden: Hier läuft eine Vielzahl von Stoffwechselleistungen, die weit über die Verdauung hinausgehen. Kommt nun ein künstlicher Süßstoff rein, versucht das Mikrobiom, auch ihn zu verstoffwechseln. Dabei verändert sich die Zusammensetzung des Mikrobioms laut neuer Studien mitunter auf ungünstige Weise: Entzündungsfördernde Bakterien könnten erstarken, gesundheitsförderliche Bakterien-Stoffwechselprodukte abnehmen, Übergewicht und Diabetes Typ 2 begünstigt und manchmal sogar Antibiotikaresistenzen gefördert werden.
Vorsicht bei der Interpretation
Dank ihrer starken Süßkraft lassen sich künstliche Süßstoffe sparsam dosieren, Kalorien spielen also kaum eine Rolle. Sie werden zudem nicht wie Nahrung verstoffwechselt, sondern im Wesentlichen unverändert wieder ausgeschieden, über Umwege auch ins Trinkwasser.
Süßstoffe wie Acesulfam-K (E950), Aspartam (E951) und Sucralose (E955) werden von Wissenschaftlern noch aus anderen Gründen kritisch betrachtet: Eine mehrjährige französische Beobachtungsstudie ging der Frage nach, ob die Aufnahme künstlicher Süßstoffe mit Krankheitsrisiken verbunden sein könnte. Das Ergebnis: Insbesondere der Konsum der künstlichen Süßstoffe Aspartam und Acesulfam-K war mit einem erhöhten Gesamtkrebsrisiko verbunden. Bei Aspartam war das Brustkrebsrisiko gesteigert und für mit Fettleibigkeit verbundene weitere Krebserkrankungen. Außerdem trat zutage, dass Konsumenten von künstlichen Süßstoffen insgesamt ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf- und insbesondere für Gehirngefäß-Erkrankungen aufwiesen als Menschen, die Verzicht üben.
Bei der Interpretation der Studie ist allerdings Vorsicht angezeigt: Übergewichtige Menschen könnten Süßstoffe auch nutzen, um ihr Gewicht zu kontrollieren und aufgrund bereits bestehenden Übergewichts solche Krankheiten entwickeln – nicht zwingend bedingt durch die Süßstoffe. Andere Studien konnten keinen direkten Beweis für einen Zusammenhang zwischen Süßstoffen und den genannten Erkrankungen finden.
Wir sollten uns den Zuckergeschmack abgewöhnen
Die Kollegen Saccharin (E954), Sucralose und Aspartam können jedoch laut Untersuchungen des Weizmann Institute of Science das Darmmikrobiom schwächen, das Verhältnis von Bakterienstämmen wie Firmicutes und Bacteroidetes negativ verändern, was zu Übergewicht führen kann. Sie könnten die Darmbarriere durchlöchern und so das Risiko für Infektionen und Entzündungen steigern. Noch gravierender aber: Ein durch Süßstoffe verursachtes Ungleichgewicht im Darm kann unsere Glukosetoleranz beeinträchtigen und so Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes begünstigen.
Diskutiert wurden bisher verschiedene Szenarien: Störungen der Insulinfreisetzung der Bauchspeicheldrüse, Steigerung der Insulinresistenz; eine erhöhte Fettbildung und verringerter Fettabbau; die Förderung von oxidativem Stress und zellulären Schäden; die negative Beeinflussung des Darmmikrobioms mit dadurch gestörter Glukoseregulation. Der Konsum von künstlichen Süßstoffen könnte uns auch dazu verleiten, mehr oder kalorienreichere Lebensmittel einzuwerfen – die Kalorien, die wir durch Süßstoffe eingespart haben. Ernüchterndes Fazit der Forscher: Künstliche Süßstoffe sind als sichere Alternative zu Zucker für den Massenkonsum nicht zu empfehlen. Sinnvoller ist es, sich den Zuckergeschmack abzugewöhnen.
Probieren Sie mal Yacón
Auch wenn die Studiendaten gemischt oder noch nicht abschließend sind, manchmal nur eine Koinzidenz und keine Kausalität beweisen, sollten wir solche kritischen Stimmen und besorgniserregenden Daten ernst nehmen. Über Zuckeralkohole werden wir an anderer Stelle sprechen. Auch hier gibt es keine heilsbringenden Botschaften. Wer aber den Konsum von Zucker, Süßstoff, Salz und Fett herunterfährt, gibt seinen Geschmacksknospen die Chance, mehr Freude an zarten, natürlichen Aromen aus Mutter Natur zu haben: Weder Haushaltszucker noch künstliche Süße müssen sein.
Probieren Sie es mal mit Süßholzwurzel, Datteln oder reifen Bananen. Auch der Ballaststoff Inulin hat eine natürliche Süße, der zudem die Darmflora unterstützt. Zum Streuen gibt es Vanille, Zimt, Kakao, Beerenpulver und Yacón-Wurzel-Pulver. Die Pflanze aus Höhenlagen wie etwa den Anden ist reich an löslichen Ballaststoffen wie Inulin und Fruktooligosacchariden – gut für den Darm, gegen Übergewicht und Diabetes, knochenstärkend, antioxidativ und krebshemmend! Yacón ist auch als Sirup erhältlich.
Auch die Aminosäure Glycin schafft es auf die Liste gesunder Streusüße – sie unterstützt die Entgiftung, fördert den Kollagenaufbau, schützt das Gehirn und verbessert die Schlafqualität.
Und was ist mit Stevia?
Ich werde oft gefragt, ob Stevia nicht die ideale Alternative zum Süßen sei, wo sie doch so "natürlich" sei. Die Studienlage ist auch hier noch uneindeutig. Stevia, aus den Blättern von Stevia rebaudiana gewonnen, ist als Kraut in der Europäischen Union nicht als Lebensmittel zugelassen (außer in Teemischungen). Zum Süßen wird jedoch ein Extrakt aus Steviolglykosiden verwendet, der mit der natürlichen Süße aus der Pflanze nicht mehr viel zu tun hat – ein Resultat chemischer Verarbeitung, bei der Aluminiumsalze, synthetische Ionenaustauscher, Absorberharze und Alkohole wie Methanol zum Einsatz kommen.
Wegen dieser Verarbeitung sind Stevia-Süßstoffe nicht biozertifiziert und dürfen in Bio-Lebensmitteln nicht vorkommen. Dennoch werden gerne natürliche grüne Blätter auf den Verpackungen abgebildet, wenn die weit gereisten Rohstoffe endlich abgefüllt sind. Ein Kritikpunkt war lange Zeit der bittere Nachgeschmack, der durch Steviosid erzeugt wird, das in den unverarbeiteten Steviablättern vorkommt. Mittlerweile gibt es hochreine Formen und fermentierte Produkte, die nur noch die süßen Anteile extrahieren, so dass sie nicht mehr bitter, metallisch oder nach Lakritz schmecken. Die Süßkraft des Produkts ist – mit nahezu null Kalorien – 300-mal höher als Zucker. Deshalb ist Stevia interessant für Diabetiker und zur Gewichtskontrolle. Auch hier ist zu betonen, dass intensiv übersüßte Kost nicht empfehlenswert ist.
Das hält das Gehirn fit
Steviakraut und Steviolglykosidextrakt werden eine Reihe gesundheitsförderlicher Effekte zugeschrieben, die aber stark von der Form abhängen. Antioxidative oder entzündungshemmende Wirkungen sind vor allem in Extrakten gezeigt worden, die die vollständige Pflanzenmatrix enthalten. Die Verarbeitung ist also entscheidend. Ein Nutzen für die Zahngesundheit (gerade auch im Gegensatz zu Zucker) ist nachvollziehbar. Als völlig risikofrei gilt Stevia zudem nicht.
Kurzfristig kann der Konsum den Blutdruck leicht erhöhen und den Cortisolspiegel nach oben treiben, mit möglichen negativen Auswirkungen auf den Stoffwechsel. Die langfristigen Effekte auf alle im Darm lebenden Bakterien sind noch unzureichend erforscht. Die europäische und die amerikanische Lebensmittelsicherheitsbehörde haben eine tägliche Aufnahmemenge von etwa 4 mg pro Kilogramm Körpergewicht als sicher erachtet.
Wenn, sollte man Stevia also nur sparsam verwenden. Es ist bisher jedoch weniger umstritten als Aspartam. Ähnliches gilt für Monk Fruit (Mönchsfrucht), ein Kürbisgewächs aus China und Thailand. Und genial zum gesunden Süßen sind im Übrigen nicht die raffinierten, sondern die "intelligenten" Zucker, wie Tagatose, Galactose, Allulose, Trehalose, Isomaltulose und Mannose. Sie unterstützen das Mikrobiom, halten das Gehirn fit, können krebshemmend sein und stimulieren die Insulin-Ausschüttung nicht. Was es mit diesen noch etwas teureren, aber sehr gesunden Zuckern auf sich hat, haben Sie in einer früheren Kolumne erfahren.
Bleiben Sie auch in den süßesten Stunden problembewusst, und kommen Sie gesund durch die Zeit!
- Eigene Meinung
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.