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Europawahl 2019: Vorläufiges amtliches Endergebnis – so reagiert die Politik


Vorläufiges amtliches Endergebnis in Deutschland – so reagiert die Politik

Von t-online, nhr, aj

Aktualisiert am 27.05.2019Lesedauer: 6 Min.
Spitzenkandidat Manfred Weber spricht in Brüssel: Die ersten amtlichen Endergebnisse aus Deutschland liegen vor.Vergrößern des BildesSpitzenkandidat Manfred Weber spricht in Brüssel: Die ersten amtlichen Endergebnisse aus Deutschland liegen vor. (Quelle: Yves Herman/Reuters-bilder)
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Bei der Europawahl haben Union und SPD ein historisch schlechtes Ergebnis eingefahren. Die Grünen konnten ihre Stimmen im Vergleich zu 2014 verdoppeln und sind damit zweitstärkste Kraft vor der SPD.

Union und SPD schnitten nach dem vorläufigen Ergebnis des Bundeswahlleiters vom Montagmorgen so schlecht ab wie nie zuvor bei einer bundesweiten Wahl. Trotzdem bleiben CDU und CSU zusammen stärkste Kraft. Die Sozialdemokraten dagegen verlieren bei der Abstimmung am Sonntag mehr als zehn Prozentpunkte und rutschen auf den dritten Platz. Die Ergebnisse könnten das schwarz-rote Bündnis in Berlin stark belasten. Großer Gewinner sind die Grünen, sie klettern erstmals bei einer bundesweiten Wahl auf Rang zwei. Die EU-skeptische AfD verbessert ihr Europawahl-Ergebnis, bleibt aber unter dem der Bundestagswahl 2017.

Die herben Verluste für die Union gingen dabei auf das Konto der CDU, nicht auf das der bayerischen Schwester CSU. Für die Sozialdemokraten kommt hinzu, dass sie bei der zeitgleichen Landtagswahl in Bremen ebenfalls ein Fiasko erlitten. Die CDU lag dort einer Hochrechnung des Wahlleiters zufolge vor der SPD. Der Stadtstaat war über 70 Jahre eine rote Hochburg.

Die Union aus CDU und CSU erreicht nach Auszählung aller Wahlkreise 28,9 Prozent – bei der Europawahl 2014 waren es 35,4 Prozent und bei der jüngsten Bundestagswahl 32,9 Prozent. Die SPD stürzt auf 15,8 Prozent ab. Bei der vorherigen Europawahl waren es noch 27,3 Prozent, bei der Bundestagswahl 20,5 Prozent. Die Grünen legen auf 20,5 Prozent zu – fast zehn Punkte mehr als bei der Europawahl vor fünf Jahren (10,7 Prozent). Die AfD kommt auf 11,0 Prozent (2014: 7,1 Prozent). Die Linke liegt bei 5,5 Prozent (2014: 7,4 Prozent), die FDP bei 5,4 Prozent (2014: 3,4 Prozent). Von den anderen Parteien erzielten nur die Freien Wähler und die Satirepartei Die Partei mehr als 2 Prozent.


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Wie reagiert die deutsche Politik auf die Ergebnisse?

Die Wahlen waren der erste Stimmungstest für die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer seit ihrem Amtsantritt im Dezember, Kanzlerin Angela Merkel hatte sich weitgehend aus dem Wahlkampf herausgehalten. Kramp-Karrenbauer räumte Defizite in der Klimaschutzpolitik ein, die ein wichtiges Wahlkampfthema war. Weder vertrete die Regierung sehr glaubwürdig, wie sie die Klimaschutzziele erreichen wolle, noch habe die Partei programmatisch schon die Antworten hierfür, sagte sie am Sonntagabend in der ARD. CSU-Chef Markus Söder fordert ein strategisches Umdenken der Union: "Die große Herausforderung der Zukunft ist die intensive Auseinandersetzung mit den Grünen", sagte er im Bayerischen Fernsehen.

Die SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles bezeichnete das Abschneiden ihrer Partei als "schmerzlich". Der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte dem "Tagesspiegel", es gehe jetzt "um die Existenz der SPD als politische Kraft in Deutschland".

SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley sagte: "Ich habe echt alles gegeben, was ich konnte, mehr ging nicht." Sie wolle sich in Brüssel dafür einsetzen, dass es ein sozialeres Europa gebe. Wie angekündigt tritt Barley als Justizministerin heute Abend zurück – damit muss das Kabinett in Berlin umgebaut werden.

Manfred Weber, der Spitzenkandidat der Union sagte: "Die europäische Demokratie lebt." Man habe sich jedoch ein besseres Ergebnis gewünscht.

Generalsekretär Lars Klingbeil und Vizekanzler Olaf Scholz wandten sich gegen Personaldebatten. Fraktionsvize Achim Post und Ex-Kanzlerkandidat Martin Schulz war zuletzt nachgesagt worden, sich für die Ablösung von Nahles an der Fraktionsspitze warmzulaufen. Den innerparteilichen Gegnern der großen Koalition dürften die Niederlagen jedenfalls neue Argumente liefern. CSU-Chef Söder appellierte in Richtung SPD, "nicht nur die eigene Parteibefindlichkeit" zu beachten. Deutschland müsse jetzt handlungsfähig bleiben.

Die Grünen bezeichneten ihr historisches Ergebnis als "Signal für mehr Klimaschutz". "Das ist ein Sunday for Future", sagte Spitzenkandidat Sven Giegold in Anspielung auf die Klimaschutzbewegung Fridays For Future. Laut einer Analyse von infratest dimap für die ARD sind die Grünen bei den unter 60-jährigen Wählern sogar die stärkste Kraft, bei den 18- bis 24-Jährigen stehen sie demnach bei 34 Prozent.

AfD-Chef Alexander Gauland sprach von einem "schwierigen Wahlkampf". Angesichts dessen sei er mit dem Ergebnis zufrieden, sagte er im ZDF. In Ostdeutschland zeichnete sich jedoch ein Triumph für die AfD ab. In Sachsen und Brandenburg, wo im Herbst Landtagswahlen anstehen, lag sie nach Zwischenergebnissen vor der CDU.

Gregor Gysi, Chef der europäischen Linken, sagte t-online.de: „Die Grünen haben zugelegt, das liegt auch daran, dass die Klima-Frage so im Vordergrund steht. Wir haben es nicht geschafft, den Leuten deutlich zu machen, dass wir diese Klima-Frage auch beantworten – und zwar über die soziale Gerechtigkeit.“ Die Linke müsse nun gründlich darüber nachdenken und Schlussfolgerungen ziehen. „Genauso müssen wir von Bremen lernen, wie man erfolgreich sein kann.“

Bundesforschungsministerin Anja Karliczek rief die Union auf, in den nächsten Monaten der Klima- und Umweltpolitik noch mehr Gewicht zu geben. Die CDU-Politikerin sagte: "Dabei müssen wir deutlich machen, was bisher erreicht wurde und welche großen Anstrengungen bereits laufen. Dies ist bei den Bürgern und auch gerade bei den jüngeren Menschen offensichtlich zu wenig bekannt." Der CDU-Wirtschaftspolitiker Joachim Pfeiffer dagegen nannte die Klimadebatte "nur noch schwer erträglich". Die Diskussion sei alarmistisch und Fakten würden weitgehend durch Emotionen ersetzt, sagte Pfeiffer der dpa.

Der Vorsitzende der Jungen Union (JU), Tilman Kuban, verlangte eine tiefgreifende Aufarbeitung der Ursachen der Verluste. "Allerdings kann es nicht sein, dass wir nun noch mehr SPD-Themen durchwinken, um die Koalition auf Gedeih und Verderb zusammenzuhalten", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND, Montag).

Neben dem Klimaschutz ging es im Wahlkampf insbesondere um Mindestlöhne, die Besteuerung von Internetkonzernen, die Migrationspolitik und die Debatte um das Urheberrecht im Internet. Bestimmt war die Kampagne aber auch von Sorgen vor einem Erstarken von Rechtspopulisten und Nationalisten.

Keine Mehrheit mehr für Christ- und Sozialdemokraten

Aus der ersten europaweiten Prognose des EU-Parlaments ging hervor, dass Christ- und Sozialdemokraten nach erheblichen Verlusten erstmals nicht mehr in der Lage sein werden, alleine eine Mehrheit im Europaparlament zu stellen. Liberale und grüne Parteien legten zu. Auch rechtspopulistische Parteien verbuchten Zugewinne. Allerdings blieben einige von ihnen hinter ihren Erwartungen zurück.

Die EU-kritische AfD will im Europaparlament eine neue Fraktion mit anderen Rechtspopulisten wie der italienischen Lega und der französischen Partei Rassemblement National bilden. Kurz vor der Wahl war die mit der AfD verbündete FPÖ in Österreich durch die Ibiza-Affäre massiv unter Druck geraten.

Die Wahlbeteiligung lag in Deutschland bei 61,4 Prozent – ein deutlicher Sprung nach oben: vor fünf Jahren waren es 48,1 Prozent. Diesmal waren in Deutschland 64,8 Millionen Menschen wahlberechtigt.

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Wie geht es nach der Europawahl weiter?

Das Prozedere ist in seinen Grundsätzen vergleichbar mit den Vorgängen nach einer Bundestagswahl. Die Fraktionen, die im Europaparlament zusammenarbeiten wollen, müssen sich formieren, Das geschieht im Wesentlichen auf Grundlage von bereits bestehenden, etablierten Blöcken. Verhandelt wird dann mit Parteien, die nicht zwangsläufig zur jeweiligen Parteienfamilie gehören, sich aber anschließen wollen – also zum Beispiel bei den Christdemokraten, Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen.


In diesem Jahr ist genau dieser Prozess spannend, denn die rechtspopulistischen Parteien haben in Europa viel Zustimmung gewonnen, das dürfte Einfluss auf das Kräfteverhältnis im EU-Parlament haben. Außerdem sind auch die EU-kritischen Stimmen lauter geworden.

Während und nach der konstituierenden Plenarsitzung des neu gewählten Parlaments geht es um die Posten. Besonders im Fokus steht die Frage nach dem neuen Kommissionspräsidenten, faktisch dem Regierungschef der EU. Dieser wird aus den jeweiligen Spitzenkandidaten der Fraktionen ermittelt. Der Ratspräsident schlägt nach einer Diskussion in Rat und Parlament den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten einen Kandidaten vor. Bisher war das in der Regel der Spitzenkandidat der größten Fraktion im Parlament. Die Staatschefs müssen sich wiederum auf den Kandidaten einigen und ihn dem Rat vorschlagen. Der muss mit einer einfachen Mehrheit von mindestens 376 Stimmen für den Kandidaten votieren. Die Wahlergebnisse allein sind demnach nicht entscheidend.

Verwendete Quellen
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