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Wahl in Russland: Putin-Wahl im Schatten eines Konflikts


Wahl im Schatten des Konflikts
Putin: Russland ist von Feinden umgeben

Von dpa, pdi

Aktualisiert am 17.03.2018Lesedauer: 4 Min.
Russlands Präsident Wladimir Putin: Er wird vom Westen verdächtigt, einen Giftanschlag in London auf einen ehemaligen russischen Spion angeordnet zu haben.Vergrößern des BildesRusslands Präsident Wladimir Putin: Er wird vom Westen verdächtigt, einen Giftanschlag in London auf einen ehemaligen russischen Spion angeordnet zu haben. (Quelle: Yves Herman/Reuters-bilder)
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Die Wut über die Giftattacke in Großbritannien hat die westlichen Länder gegen Russland geeint. Doch so gefährlich der Streit ist: Er stärkt Theresa May in London und gibt Wladimir Putin noch mehr Schwung zur Wiederwahl.

Zwei Tage bis zur Wahl in Russland, das Land steckt in einem scharfen Konflikt mit dem Westen, doch Wladimir Putin interessiert sich für Perinatale Medizin. Gekleidet in einen weißen Arztkittel besucht der Kremlchef in seiner Heimatstadt St. Petersburg ein Medizinforschungszentrum. Der Auftritt am Freitag in der hochmodernen Almasow-Klinik ist für ihn der letzte Termin im Wahlkampf. Am Sonntag wird gewählt.

Putin beherrscht das größte Land der Erde seit 18 Jahren und steuert ungefährdet weitere sechs Jahre im Kreml an. In dem von oben gelenkten Prozess kann nur ein Wahlsieg herauskommen. Am Montag wird die Wahl vorbei sein, der internationale Streit aber nicht.

Putin nach Giftanschlag im Fokus

Perinatalmedizin kümmert sich um Schwangere und Neugeborene. In einem Labor lässt Putin sich von der Mitarbeiterin Ljudmila Wassiljewa Testreihen zu Diabetes und Schwangerschaft erläutern. "Das ist sehr wichtig", lobt er und wünscht ihr Erfolg. Fernsehteams nehmen jeden Schritt, jede Äußerung auf. So soll das Wahlvolk ihn sehen, als Präsidenten, der sich um die Entwicklung des Landes kümmert. "Wir werden jährlich zehn Milliarden Rubel zusätzlich für die medizinische Versorgung von Kindern ausgeben", verspricht Putin bei einer Beratung mit führenden Gesundheitspolitikern und Ärzten.

Doch während Putin über Gesundheit spricht, macht ihn 2100 Kilometer entfernt die britische Regierung in London persönlich verantwortlich für den Giftanschlag auf den früheren russischen Doppelagenten Sergej Skripal. Der britische Außenminister Boris Johnson sagte, die Entscheidung für die Tat sei "höchstwahrscheinlich" von Putin selbst getroffen worden.

Neue Sanktionen gegen Russland

Binnen Tagen hat sich der Konflikt verschärft. In Großbritannien, einem Mitglied der Nato und noch der EU, ist ein hochgefährlicher chemischer Kampfstoff eingesetzt worden. Ein Gift, das eigentlich nur staatliche Akteure in der Hand haben. London spricht von Nowichok, einem Nervengift, das in der Sowjetunion entwickelt wurde.

Die britische Haltung ist für eine Eskalation oder eine Entspannung der Lage entscheidend. Das Forschungsinstitut Rusi (Royal United Services Institute) nannte die bisherigen Sanktionen einen wohlüberlegten Balanceakt. "Die Ausweisung von 23 Diplomaten ist eine bedeutende Anzahl", sagte Malcolm Chalmers von der unabhängigen Denkfabrik. Aber insgesamt stünden auf der Liste der russischen Botschaft in London 58 Diplomaten. Sein Kollege John Louth sieht die jüngste Entwicklung kritischer. "Wir stehen an einem Wendepunkt", sagte er mit Blick auf die Beziehung der Briten zu Moskau.

Viele Experten, etwa vom Politik-Institut Chatham House in London, sehen in der Krise einen Stärketest für das geschwächte Großbritannien. Ob im Parlament oder beim Besuch des Tatorts in Salisbury: Premierministerin Theresa May wirkt zurzeit auffallend selbstbewusst. In den Monaten zuvor wurde sie nahezu zerrieben in ihrer wackeligen Regierung, die sich uneins im Brexit-Kurs ist. Nun scheinen alle an einem Strang zu ziehen.

Konflikt hilft Putin

Die Partnerländer Berlin, Paris, Washington haben sich an die Seite der Briten gestellt und richten scharfe Worte an Moskau. Nato und EU sind besorgt. Zwar sind die bislang verhängten Sanktionen maßvoll. Und von einem Boykott der Fußball-WM in Russland im Sommer könne keine Rede sein, stellte Bundeskanzlerin Angela Merkel klar.

Doch in dem westlichen Ärger scheinen sich die vielen Streitpunkte mit Putin zu einer Welle aufzutürmen: die russischen Übergriffe auf die Ukraine seit 2014, das geleugnete Staatsdoping im Sport, das brutale Vorgehen in Syrien, die Einmischung durch Propaganda und Hacker in die Wahlen in Frankreich und den USA. Washington hat seine Sanktionen gegen Russland deshalb nun erweitert. Und nach der Giftattacke steht selbst der erklärte Putin-Freund Donald Trump an der Seite der europäischen Verbündeten.

Russland weist alle Vorwürfe zurück. Der Verdacht gegen Putin sei eine "unverzeihliche Verletzung der diplomatischen Anstandsregeln", sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow. Trotzdem spielen die schrillen Töne aus dem Westen dem Kreml vor der Wahl in die Hand. Russland sei von Feinden umgeben, eine belagerte Festung, sagt Putin seit Jahren. In Krisenzeiten soll sich die Bevölkerung um ihre Führung scharen.

Aufruf zum Wahlboykott

Schon vor der aktuellen Eskalation hatte Putin im Wahlkampf nicht nur den Kümmerer gegeben, sondern vor allem den Oberbefehlshaber. In seiner Jahresrede Anfang März stellte er stolz neue Atomwaffen vor. Das sollte nach innen die Wähler beeindrucken, für die Welt außen war es vor allem ein frostiges Signal: Auch die nächsten Jahre mit Russland werden konfliktträchtig bleiben.

Zum nationalpatriotischen Überschwang gehört auch, dass die Wahl auf den Jahrestag der vom Westen als völkerrechtswidrig verurteilten Annexion der Halbinsel Krim 2014 gelegt wurde. Die Begeisterung soll die Russen an die Wahlurnen bringen. Denn der Kreml fürchtet nicht, dass Gegenkandidaten wie TV-Ikone Xenia Sobtschak oder der Kommunist Pawel Grudinin Putin in Verlegenheit bringen. Schlechter sehe es aus, wenn eine politikmüde Bevölkerung gar nicht wählt. In diese Wunde stößt der Oppositionelle Alexej Nawalny, der nicht antreten durfte. Er hat zu einem Wahlboykott aufgerufen.

Verwendete Quellen
  • dpa
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