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Interview Robert Baer: 'War On Terror' war von Anfang an falsch konzipiert


"Der 'War On Terror' war von Anfang an falsch konzipiert"

Ein Interview von Ramon Schack

21.10.2018Lesedauer: 5 Min.
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US-Präsident Trump mit Saudi-Arabiens König Salman: Die US-Führung rüstet das saudische Regime im Machtpoker mit dem Iran auf.Vergrößern des Bildes
US-Präsident Trump mit Saudi-Arabiens König Salman: Die US-Führung rüstet das saudische Regime im Machtpoker mit dem Iran auf. (Quelle: Jonathan Ernst/Reuters-bilder)

Als CIA-Agent unterwanderte Robert Baer islamistische Terror-Organisationen. Nun geht er mit der US-Führung hart ins Gericht. Wegen Saudi-Arabien, das im Fall Khashoggi unter Druck gerät.

Der gewaltsame Tod des Journalisten Jamal Khashoggi im Istanbuler Konsulat des saudischen Königreichs wirft ein Schlaglicht auf das fundamental-islamistische Regime. Die Führung um Kronprinz Mohammed bin Salman ist in der Defensive. Trotzdem hält US-Präsident Donald Trump noch zu seinen Verbündeten.


Der ehemalige CIA-Agent Robert Baer hält das für einen enormen Fehler. Die angeblichen Verbündeten seien tatsächlich erbittertste Feinde. Saudi-Arabien exportiere mit dem Wahabismus die Grundlage für islamistischen Terrorismus in die ganze Welt – und zwar mit dem Geld, das es im Öl-Geschäft mit dem Westen verdiene.

Herr Baer, Saudi-Arabien hat eingestanden, dass Jamal Khashoggi im Istanbuler Konsulat des Königreichs getötet wurde – angeblich nach einer Auseinandersetzung, behauptet die Staatsanwaltschaft in Riad. Was halten Sie davon?

Robert Baer: Die saudische Regierung gesteht weiterhin nicht ein, dass Khashoggis Tod geplant gewesen ist. Stattdessen wurde eine wachsweiche Erklärung abgegeben, dass ein Streit mit Konsulatsmitarbeitern zu einer "Schlägerei" ausgeartet ist. Klingt seltsam, ist auch seltsam.

Hat Sie das Geständnis der Saudis überrascht?

Das vage Eingeständnis aus Riad ist in erster Linie dem wachsenden Druck aus Washington geschuldet. Im Weißen Haus ist man zutiefst besorgt, dass die brüchige Nahost-Strategie der Herren Trump, Pompeo und Bolton sich als das offenbart, was sie ist: ein hochriskantes Spiel.

Würden Sie das näher erläutern?

Trump stellt Saudi-Arabien in den Mittelpunkt der US-amerikanischen Strategie in der Region und rüstet das Land auf. Damit folgt er der Strategie seiner Vorgänger. Genau das hat er im Wahlkampf seiner Konkurrentin Hillary Clinton vorgehalten.

Wo liegt das Problem dabei?

Die USA haben jahrzehntelang die Vorteile einer ununterbrochenen Erdölversorgung zu äußerst günstigen Konditionen genossen. Mit Hilfe des enormen Wohlstands, den unsere Petro-Dollars brachten, haben die Saudis ihre sehr fundamentalistische Version des Islam verbreitet. Zuvor besaß der Wahabismus innerhalb der islamischen Welt nur den Status einer Art Sekte.

Durch die wahabitische Missionierung hat sich die ganze Natur der Religion zum Nachteil verändert. In anderen Regionen der islamischen Welt, aber auch in der Diaspora wie etwa in Europa.

Sprechen Sie vom Terrorismus in Europa?

Der Anschlag von Brüssel war kein Einzelfall, sondern eingebettet in eine Reihe von Anschlägen – von Beirut bis Ankara über Paris bis hin zum Abschuss des russischen Passagierflugzeuges über der Halbinsel Sinai. Die überwiegend nordafrikanischen Einwanderer in Frankreich und Belgien stehen unter dem Einfluss der extrem puritanischen Ausrichtung des Islams saudischer Provenienz, den es in ihrer Heimat so nicht gab.

Weshalb hat Trump keine Kehrtwende vorgenommen?

Zum einen aus Unwissenheit. Trump hält die saudischen Erklärungsversuche ja für glaubwürdig und faselt von einem "guten ersten großen Schritt". Saudi-Arabien sei ein "großartiger Verbündeter". Zum anderen steht Trump aber unter dem Einfluss des Sicherheitsberaters Bolton und des Außenministers Pompeo. Beide sind Hardliner der Neokonservativen – und bestimmen jetzt im Weißen Haus die außen- und verteidigungspolitischen Richtlinien. Sie rüsten gegen Iran und benötigen die Saudis dabei.

Bolton und Pompeo sind Teil des Milieus, das 2001 den "Krieg gegen den Terror" in Gang brachte.

Der "War on Terror" stellt heute das Scheitern eines strategischen Entwurfs dar. Sonst müssten wir uns nicht über den Terror unterhalten, der sich globalisiert hat. Der "Krieg gegen den Terror" war von Anfang an völlig falsch konzipiert. Das lag weniger an geheimdienstlichen Mängeln, sondern hängt mit der Inkompetenz der damaligen Führung in Washington zusammen.

Wo lag der Fehler genau?

Terrorismus ist eine Art der Kriegsführung und so alt wie Menschheit selbst. Denken wir an die Ermordung diverser Präsidenten in den USA oder den Anschlag in Oklahoma City 1995. Nach den Anschlägen vom 11. September wurde so getan, als sei der Terrorismus etwas Neues. Neu war aber nur das Ausmaß, flankiert von modernster Technik in Verbindung mit Verkehrsmitteln. Und natürlich die Symbolkraft durch die Auswahl der Ziele.

Bei einem Krieg gegen den Terror ist der Gegner in keiner Weise definiert – anders als bei der konventionellen Kriegsführung, wenn Staaten gegen Staaten kämpfen. Wenn man also einen Krieg gegen den Terror ausruft, begibt man sich auf das Feld der asymmetrischen Kriegsführung – eine der schlimmsten Kriegsführungen überhaupt wie schon die Römer einst in Germanien erfahren mussten. Nach dem 11. September 2001 wurden völlig falsche Schritte eingeleitet.

Sie warnen seit Langem vor dieser Politik im Nahen Osten. Fühlen Sie sich bestätigt?

Nicht erst seit dem Fall Khashoggi. Saudi-Arabien finanziert die Koranschulen, die Terroristen indoktrinieren und inspirieren. Die weltweite radikalsunnitische Penetration wahabitisch-saudischer Provenienz ist ein Phänomen der Globalisierung, zumindest in diesem Ausmaß. Das basiert auf der westlichen Aufrüstung. Das will nur niemand eingestehen oder gar die Verantwortung dafür übernehmen.

Weshalb tut man sich im Westen so schwer, diese Entwicklung zu stoppen?

Überwiegend aus ökonomischen Gründen. Die USA haben Saudi-Arabien zum Lagerhaus für ihre Ölreserven gemacht. Das änderte sich auch nicht, als sich herausstellte, dass die meisten Attentäter des 11. September die saudische Staatsbürgerschaft besaßen. Alle Attentäter hatten einen wahabitischen Hintergrund. Und der Wahabismus ist die Grundlage des gesamten politischen Systems in Saudi-Arabien. Jeder, der dort davon profitiert, wird sich um dieses System scharen, falls es von außen angetastet wird.

Welche Schritte würden Sie einleiten, wenn Sie entscheidungsbefugt wären?

Die USA haben keine andere Wahl als die fälligen demokratischen Reformen in Saudi-Arabien energisch voranzutreiben. Das wäre aber riskant.

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Weshalb?

Jeder Versuch, eine liberale politische Ordnung zu schaffen, wird zusätzlichen Disput auslösen. Die antiamerikanische Stimmung würde angeheizt. Bei seinem Bemühen, die Demokratie im Mittleren Osten zu fördern, wird Washington wieder einmal feststellen müssen, dass seine engsten arabischen Verbündeten gleichzeitig seine erbittertsten Feinde sind.

Sie selbst plädieren dafür, dass der Westen von Saudi-Arabien abrücken sollte.

Die permanente Aufrüstung Saudi-Arabiens muss aufhören. Wie können wir dem Iran Terror-Unterstützung vorwerfen – und gleichzeitig zulassen, dass die Saudis mit unseren Waffen im Jemen eine humanitäre Krise herbeibomben?

Deshalb fordern Sie auch in Ihrem Buch "The Devil We Know" eine radikale Kehrtwende: Sie plädieren für eine Annäherung an Iran. Ist das nicht illusorisch?

Der gewachsene Einfluss Teherans ist ein direktes Produkt des "War on Terror". Die USA und ihre Alliierten haben Iran quasi geholfen, seinen Einfluss auszubreiten, indem sie seine schlimmsten Feinde beseitigten: das arabisch-nationalistische Regime in Bagdad und die radikalsunnitischen Taliban in Kabul.

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Im Vergleich zu seinen Nachbarstaaten ist Iran geradezu eine Insel der Stabilität in der unruhigen Region. Auch im direkten Vergleich zu Saudi-Arabien. Es ist eine Nation mit gewaltigem Potenzial, das bisher aber nicht ausgeschöpft wird, mit natürlichen Grenzen, einem stabilen Staatsaufbau und einer starken Armee. Außerdem haben der Westen, Russland und Iran durch den radikalen sunnitischen Islam einen gemeinsamen Feind, den man nur gemeinsam bekämpfen kann.


Kommen wir noch einmal auf den Fall Khashoggi zu sprechen. Hat dieser Fall direkte Auswirkungen auf die politische Zukunft von Mohammed bin Salman?

Die Leistungsbilanz des Kronprinzen ist eine Serie von Misserfolgen und Fehlschlägen in der Außen- und Sicherheitspolitik. Ob gegenüber Katar, im syrischen Bürgerkrieg, bei der Okkupation Bahrains, vor allem aber im Jemen. Trotzdem läuft in Riad wohl alles darauf hinaus, Salman aus der Schusslinie zu nehmen. Weshalb? Der 33-jährige Thronfolger gilt als eigentlicher starker Mann im Staat. Noch, solange er das Wohlwollen des Weißen Hauses genießt.

Robert Baer ist ehemaliger Mitarbeiter des US-Geheimdienstes CIA. In seiner aktiven Zeit war er unter anderem im Irak, in Syrien und im Libanon eingesetzt. Seit er den Nachrichtendienst verlassen hat, arbeitet er als Autor und Sicherheitsanalyst.

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