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Kanzler im ZDF-Interview: Deshalb reist Olaf Scholz nicht nach Kiew


Scholz spricht Klartext
"Das kann man nicht machen"

Von dpa
Aktualisiert am 02.05.2022Lesedauer: 5 Min.
Olaf Scholz: Am Montagabend tritt der Kanzler im ZDF auf.Vergrößern des Bildes
Olaf Scholz: Am Montagabend tritt der Kanzler im ZDF auf. (Quelle: Michele Tantussi/Reuters-bilder)

Der Bundeskanzler steht wegen seiner Zurückhaltung während des Ukraine-Krieges seit Wochen in der Kritik. Nun erläuterte er seinen Kurs im Fernsehen. Und beantwortete eine Frage erstaunlich deutlich.

Bundeskanzler Olaf Scholz will wegen der Ausladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier durch die ukrainische Seite vorerst nicht in die Hauptstadt Kiew reisen. Es sei "ein ganz bemerkenswerter Vorgang" gewesen, den gerade mit großer Mehrheit wiedergewählten Bundespräsidenten auszuladen, sagte der SPD-Politiker am Montag in der ZDF-Sendung "Was nun?". Scholz stellte mit Blick auf eine eigene Reise klar: "Das steht der Sache im Weg."

Auf die Frage, wie das aufgelöst werden könne, entgegnete der Kanzler: "Erst mal muss es für uns als Demokratinnen und Demokraten dazugehören, dass wir über diese Sache keinen Zweifel haben: Das kann man nicht machen." Scholz fügte hinzu: "Es kann nicht funktionieren, dass man von einem Land, das so viel militärische Hilfe leistet, so viel finanzielle Hilfe leistet, das gebraucht wird, wenn es um die Sicherheitsgarantien geht, die für die Zeit der Ukraine in der Zukunft wichtig sind, dass man dann sagt: Der Präsident darf aber nicht kommen."

Merz habe Scholz über Pläne informiert

Der geplante Besuch von Steinmeier war Mitte April geplatzt, weil die ukrainische Seite ihn auslud. Er wollte zusammen mit den Staatschefs von Polen, Lettland, Estland und Litauen nach Kiew fahren, die schließlich ohne ihn aufbrachen. Steinmeier steht wegen seiner früheren Russland-Politik als Außenminister in der Ukraine in der Kritik. Inzwischen hat er Fehler in der Bewertung von Kremlchef Wladimir Putin und in seiner Einschätzung beispielsweise der Pipeline Nord Stream 2 eingeräumt.

Zu der geplanten Kiew-Reise von CDU-Chef Friedrich Merz sagte Scholz, dieser habe ihn über seine Pläne informiert. "Ich habe da keine Einwendungen." Er billige die Reise.

Scholz: "Ich habe immer schnell entschieden"

Den Vorwurf der Zögerlichkeit bei der Unterstützung der Ukraine weist der Kanzler indes zurück.

"Ich habe immer schnell entschieden, zusammen mit allen anderen, mich mit den Verbündeten abgestimmt", sagte er in der ZDF-Sendung. "Aber mein Kurs ist schon, dass wir besonnen und mit klarem Verstand handeln." Die Regierung treffe keine Entscheidung im Stil einer PR-Abteilung – "immer noch was drauf oder niemals etwas".

"Russland darf nicht gewinnen"

Scholz betonte, die geleistete finanzielle und militärische Hilfe Deutschlands und anderer Staaten habe dazu beigetragen, "dass die ukrainische Armee, die wirklich sehr erfolgreich agiert, jetzt so lange durchhalten kann gegen einen so übermächtigen Gegner". Man werde die ukrainische Armee dabei weiter unterstützen.

Ziel seiner Politik sei es, dass es "sofort zum Ende der Kampfhandlungen kommt" und "dass Russland den Krieg beendet und seine Soldaten aus der Ukraine wieder zurückzieht", so Scholz. "Russland darf nicht gewinnen und die Ukraine darf nicht verlieren."

Haltung von Schröder "völlig unvertretbar"

Seinen Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) forderte Scholz erneut auf, seine Posten bei russischen Staatsunternehmen niederzulegen. Es sei "völlig unvertretbar, spätestens seit dem Kriegsbeginn unmöglich, dass der frühere Bundeskanzler diese Aufgaben weiter wahrnimmt", sagte Scholz. Ein Bundeskanzler könne seinem Vorgänger aber "keine Befehle geben", fügte er hinzu.

Schröder steht massiv in der Kritik, weil er sich trotz des russischen Angriffs auf die Ukraine nicht von seinen Posten bei russischen Energieunternehmen trennt. Er war schon kurz nach dem Ausscheiden aus seinem Regierungsamt 2005 bei der Pipeline-Gesellschaft Nord Stream eingestiegen. Dort ist er immer noch Vorsitzender des Gesellschafterausschusses. Außerdem ist er Aufsichtsratschef beim staatlichen russischen Energieriesen Rosneft und im zuständigen Handelsregister nach wie vor als Verwaltungsratspräsident der Nord Stream 2 AG eingetragen. Für den Aufsichtsrat des russischen Gasgiganten Gazprom ist er zudem nominiert.

Scholz: Putin unterliegt einem "Fehler in seinem Kalkül"

Bundeskanzler Olaf Scholz hat der Ukraine indes zugesichert, keine Sanktionen gegen Russland ohne ihr Einverständnis zurückzunehmen. "Wir werden ja ohne ein Einvernehmen mit der Ukraine nicht die Sanktionen wieder aufheben", sagte Scholz am Montagabend im ZDF. Russlands Präsident Wladimir Putin unterliege einem "Fehler in seinem Kalkül", wenn er glaube, dass Gebietsgewinne seines Angriffs auf die Ukraine einfach akzeptiert würden.

Auch wenn sich Putin auf eine Teileroberung der Ukraine beschränke und dann zu einer Waffenruhe übergehe, sei für ihn "immer noch nichts gelöst", sagte Scholz mit Blick auf die Sanktionen. "Er muss sich mit der Ukraine einigen. Und das wird er nicht mit einem Diktatfrieden hinkriegen."

Scholz verteidigt seinen Kurs

Bereits am Wochenende hatte Scholz deutlich gemacht, dass er trotz Vorwürfen der Opposition an seinem Kurs festhält. "Ich treffe meine Entscheidungen schnell – und abgestimmt mit unseren Verbündeten. Übereiltes Agieren und deutsche Alleingänge sind mir suspekt", sagte er der "Bild am Sonntag".

Bei einer Maikundgebung betonte der Bundeskanzler: "Wir werden die Ukraine weiter unterstützen, mit Geld, mit humanitärer Hilfe, aber auch das muss gesagt werden: Wir werden sie unterstützen, dass sie sich verteidigen kann, mit Waffenlieferungen, wie viele andere Länder in Europa das auch machen."

Union übt scharfe Kritik an Scholz

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hatte dem Kanzler am vergangenen Donnerstag im Bundestag "Zögern", "Zaudern" und "Ängstlichkeit" in der Ukraine-Politik vorgeworfen. CSU-Chef Markus Söder lastete dem Kanzler am Samstag bei einem kleinen CSU-Parteitag an, sich davor zu drücken, der deutschen Bevölkerung in diesen schwierigen Zeiten Orientierung zu geben. "Ein solches Zögern, Sich-Verstecken oder Sich-davor-Drücken ist eines deutschen Kanzlers unwürdig", sagte er in Würzburg. "Deutschland macht seit Wochen eine peinliche Figur."

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert wies derweil in der "Augsburger Allgemeinen" (Montag) die Kritik Söders an Scholz zurück. "Söder macht wie so oft keine Politik, sondern setzt auf Stimmungen. Krawall und Remmidemmi ist in Zeiten des Krieges nicht die richtige Tonlage für einen führenden Politiker", so Kühnert. Nach zwei Jahren ohne Volksfeste scheine dem bayerischen Ministerpräsidenten das Gespür dafür abhandengekommen zu sein, dass man auch bei schmissigen Bierzeltreden staatspolitische Verantwortung trage.

Buschmann verteidigt den Kanzler

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) rief dazu auf, in diesen Zeiten auf alles zu verzichten, "was nach einem taktischen, kleinlichen Parteienstreit aussieht". Der "Rheinischen Post" (Montag) sagte er: "Die Ukraine hat jedes Recht, sich gegen den russischen Angriff zu verteidigen. Dabei hat sie unsere entschlossene Unterstützung – nicht nur mit Worten und Diplomatie, sondern auch mit finanzieller Unterstützung und Lieferung von Waffen." Das habe der Bundeskanzler auch am Wochenende nochmals namens der Bundesregierung betont.

Indes bedauerte die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann die Geheimhaltung bei den bislang getätigten Waffenlieferungen für die Ukraine. Sie halte dies für einen Fehler, "weil dies deutlich mehr ist, als sich manche vorstellen können".

Die Bundesregierung hatte am Dienstag die Lieferung von Gepard-Flugabwehrpanzern der deutschen Rüstungsindustrie genehmigt. Sie sind die ersten schweren Waffen, die direkt aus Deutschland in die Ukraine geliefert werden. Vor dem Ukraine-Krieg galt der Grundsatz, keine Waffen in Krisengebiete abzugeben. Am Donnerstag hatte der Bundestag zudem einen gemeinsamen Antrag von SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU mit einem Plädoyer für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine verabschiedet.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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