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Sergej Lawrow: Kein Entkommen im Schlagabtausch mit Baerbock


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Schlagabtausch mit Baerbock
Diesmal gibt es für Lawrow kein Entkommen


Aktualisiert am 04.03.2023Lesedauer: 6 Min.
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Neu-Delhi: Sergej Lawrow raucht vor der zweiten Sitzung des G20-Außenministertreffens. (Quelle: Manish Swarup/dpa)

Durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine werden die Risse zwischen den G20-Staaten größer. In Indien trifft Annalena Baerbock auf Sergej Lawrow – ein politischer Ringkampf.

Er steht allein, umrandet von Blumen vor einem Springbrunnen, raucht noch eine Zigarette, bevor er wieder in die Sitzung des G20-Außenministertreffens geht: Russlands Außenminister Sergej Lawrow trifft in Indien auf seine westlichen Amtskollegen. Nachdem er im Jahr zuvor auf Bali für einen Eklat gesorgt hat, kann er diesmal der Kritik nicht entkommen. Lawrow wird in Neu-Delhi scharf attackiert, muss die heftige Kritik am russischen Angriffskrieg in der Ukraine wegstecken.

Auf dem G20-Treffen wurde klar: Für Russland geht es nicht mehr darum, international den Krieg zu verharmlosen. Vielmehr möchte Lawrow im Machtkampf mit dem Westen vor allem Indien und die Länder des globalen Südens auf seine Seite ziehen. Russland, das den Angriffskrieg begonnen hat, weiß: Diese Länder spüren zwar die Folgen des Krieges, aber die Ukraine ist für sie weit weg – in Teilen sehen sie ihn als europäisches Problem.

Das bekommt auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zu spüren. Für Baerbock bedeutet dieser Ringkampf harte und intensive diplomatische Arbeit, aber bei wichtigen G20-Ländern wie Indien beißt sie noch immer auf Granit. Doch die Außenministerin ist in Neu-Delhi in einem Raum mit Lawrow und nutzt die Chance, um ihren russischen Amtskollegen zu attackieren.

"Es ist gut, dass Sie hier im Saal sind"

Die Risse zwischen den G20-Staaten werden durch Putins Krieg immer größer. Deswegen geht es in Indien für den Westen momentan nicht darum, die russische Führung zum Umdenken zu bewegen. Dafür sehen die Nato-Staaten und ihre Verbündeten aktuell zu wenig Gesprächsbereitschaft bei Putin. Vielmehr geht es um das Werben für die eigene Position auf der großen internationalen Bühne.

"Es ist gut, dass Sie hier im Saal sind, um zuzuhören", sagte Baerbock in der Sitzung der Außenminister, direkt an Lawrow gewandt. "Beenden Sie diesen Krieg, beenden Sie die Verletzung der internationalen Ordnung. Nicht in einem Monat oder einem Jahr, sondern heute." Sie fügte hinzu: "Denn jede Familie, die einen Vater, einen Bruder, eine Mutter, ein Kind verliert, verliert eine ganze Welt." Ihr Angriff auf den russischen Außenminister war aber vor allem eine Botschaft an den Rest der G20-Gemeinschaft.

Ihr Inhalt: Nur Russland ist für das Morden in der Ukraine und den Krieg mit allen seinen Folgen verantwortlich. Putin könnte das noch heute beenden.

Auf dem G20-Außenministertreffen auf Bali im Jahr 2022 war Lawrow nach seiner Rede geflohen, um sich der westlichen Kritik nicht aussetzen zu müssen. Doch in diesem Jahr reiste er nicht schnell ab, ließ die Angriffe stoisch über sich ergehen, hieß es aus deutschen Delegationskreisen. Möglicherweise dachte er, dass er mit einer erneuten Flucht vom diplomatischen Parkett Russlands internationale Stellung weiter geschwächt hätte.

Wohl auch deswegen entschied sich Lawrow in Indien zum Gegenangriff.

Ein heftiger Zusammenstoß

"Es ist notwendig, den unrechtmäßigen Sanktionen, jeglicher Verletzung der internationalen Handelsfreiheit, der Marktmanipulation, der willkürlichen Einführung von Preisobergrenzen und anderen Versuchen, sich fremde Bodenschätze anzueignen, einen Riegel vorzuschieben", erklärte der russische Außenminister. Lawrows Strategie dahinter ist klar: Russland und China möchten die Länder des globalen Südens auf ihre Seite ziehen, in dem sie die Narben der Kolonialgeschichte für ihre politischen Zwecke nutzen.

Das Ergebnis ist in Indien ein harter Zusammenstoß, infolgedessen sich die G20-Außenminister auf keine gemeinsame Erklärung einigen können. Ein Großteil der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer forderten darin das Ende des Ukraine-Kriegs und den Rückzug aller russischen Truppen aus der Ukraine. Nicht unter den Unterzeichnern: Russland und China.

Das war keine Überraschung. Peking und Moskau sind seit Russlands Angriffskrieg immer näher zusammengerückt. Gleichwohl scheint Putins Außenpolitik nicht sonderlich zu fruchten: Das russische Regime bleibt international weitgehend isoliert, nur wenige Staaten stellen sich auf Putins Seite. Entsprechend zufrieden zeigte sich die deutsche Außenministerin Baerbock in Neu-Delhi: "Hier an diesem G20-Tisch haben 19 Länder deutlich gemacht, dass dieser Krieg enden muss. Dass sie alle endlich Frieden wollen."

Lawrow attestiert Westen "schlechte Manieren"

Der russische Außenminister sieht das selbstverständlich anders. "Die Erklärung wurde blockiert", behauptete Lawrow vor Pressevertretern. Dem Westen attestierte er "schlechte Manieren", denn dieser würde nur noch mit "Erpressungen und Drohungen" arbeiten. Es sind bekannte russische Erzählungen, die angesichts des von Putin begonnenen brutalen Angriffskrieges nur wenig mit der Realität zu tun haben.

Doch im Prinzip geht es Lawrow um etwas anderes: Russland und China wollen das Narrativ aufbauen, dass der Westen angeblich mit Sanktionen die nicht-westliche Welt unterdrücke, um sie zu kontrollieren. Daher sei auch der Westen Schuld an der globalen Wirtschaftskrise – und nicht nur der russische Krieg.

Aber das fällt in Indien nicht wirklich auf fruchtbaren Boden. China und Russland waren die einzigen G20-Mitglieder, die den Passus eines "vollständigen und bedingungslosen Rückzugs (der russischen Truppen) vom Territorium der Ukraine" in der Erklärung ablehnten.

Auch darüber hinaus gibt es wenig Rückhalt für Russland. Lawrow holt sich in Indien für Putin die nächste Ohrfeige ab.

Sorgen im Westen

Im Angesicht der aktuellen Krise sind in Indien für Deutschland und den Westen vor allem drei Dinge besorgniserregend:

  • Durch Putins aggressive Kriegsrhetorik und dem Festhalten an seinen Kriegszielen gibt es für den Westen kaum Raum für Dialog mit der russischen Führung.
  • Mit China steht das bevölkerungsreichste Land an der Seite von Putin und viele westliche Länder sind wirtschaftlich massiv von der Volksrepublik abhängig. Das ist ein Problem. Zwar stellte Peking zuletzt ein Positionspapier zum Ukraine-Krieg vor (mehr dazu lesen Sie hier), aber das beinhaltet keine Idee, wie der Konflikt gelöst werden könnte.
  • Das G20-Format ist gelähmt und durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zunehmend unfähig, sich um andere globale Probleme zu kümmern. Etwa um die Bekämpfung von Armut oder die Klimakrise.

Beim G20-Außenministertreffen ist vor allem der chinesische Außenminister Qin Gang ein begehrter Gesprächspartner. Lawrow spricht bei einem Treffen von "weitreichenden Plänen zur Entwicklung unserer bilateralen Zusammenarbeit". Beide Länder seien ein "Stabilitätsfaktor im System der internationalen Beziehungen". Der Kreml versucht, den Schulterschluss möglichst groß zu inszenieren. Die Botschaft: Wir sind nicht allein, wir haben China.

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Treffen zwischen Lawrow und Blinken

Aber die chinesische Führung ist wiederum auch an keiner Eiszeit in den Beziehungen zur EU interessiert. Die Volksrepublik ist durch die Null-Covid-Politik wirtschaftlich angeschlagen, möchte westliche Sanktionen gegen China verhindern. Auch Baerbock trifft ihren neuen chinesischen Amtskollegen Qin. Vor dem Hintergrund von Spekulationen über die mögliche Lieferung von chinesischen Drohnen an Moskau habe sie klargemacht, dass die Lieferung von Waffen oder von Gütern, die zivil als auch militärisch genutzt werden könnten, "Unterstützung eines völkerrechtswidrigen Angriffskriegs wäre".

Darüber hinaus sind die Fronten verhärtet. Doch bei den G20-Treffen ist oftmals das interessant, was hinter den Kulissen passiert – in den Gängen, abseits von den offiziellen Verkündungen. So gab es auch ein Gespräch zwischen Lawrow und US-Außenminister Antony Blinken. Laut der US-Zeitung "New York Times" sagte Blinken seinem russischen Kollegen, die Vereinigten Staaten würden die Ukraine weiterhin unterstützen. Russland solle den kürzlich von Kremlchef Wladimir Putin ausgesetzten Abrüstungsvertrag "New Start" wieder aufnehmen.

Nicht einmal zehn Minuten habe das Gespräch dem Vernehmen nach gedauert. Laut russischer Darstellung war es ein Dialog "im Vorbeigehen". US-Diplomaten erklärten danach, dass sie keine Anzeichen für eine Entspannung sehen würden.

Indien droht ein Desaster

Das trifft letztlich vor allem auch Indien, den Gastgeber des diesjährigen G20-Gipfels. Die internationale Aufmerksamkeit und die Chance, eigene Themen zu setzen – das ist für Länder wie Indien noch neu und hat einen hohen Stellenwert. Doch nun droht ein Desaster, ein Gipfel, der im Streit versinkt und zu keiner gemeinsamen Abschlusserklärung kommt.

"Zum Thema Ukrainekonflikt gab es Divergenzen, es gab Differenzen, die wir zwischen verschiedenen Teilnehmern nicht schlichten konnten", sagte der indische Außenminister Subrahmanyam Jaishankar. Eigentlich wollte Indien am liebsten über andere Themen reden, über die Weltwirtschaftskrise, über Armut und Hunger in der Welt. Denn auch die indische Regierung möchte für Länder des globalen Südens attraktiver werden und dafür den G20-Gipfel nutzen.

Indien verurteilte Putins Krieg bisher nicht, verwies dabei auf die eigenen militärischen Abhängigkeiten zu Russland und betonte die Gefahr, selbst geostrategisch in Asien isoliert zu werden, wenn es sich von Moskau lossagt. Die indische Führung sitzt zwischen den Stühlen, aber das bietet auch Chancen für den G20-Vorsitz. Doch der Weg bleibt steinig, das wurde schon beim Außenministertreffen klar.

Verwendete Quellen
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