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Nato-Gipfel in Litauen: Selenskyj kämpft für Beitritt der Ukraine


Nato unter Zugzwang
Bringt Biden die Lösung mit?


Aktualisiert am 11.07.2023Lesedauer: 5 Min.
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Wolodymyr Selenskyj und Joe Biden: Hat der US-Präsident die Lösung für die Zeit nach dem Krieg parat? (Quelle: Josh Morgan/imago-images-bilder)

Die Erwartungen an den Nato-Gipfel in Litauen sind hoch. Doch um was geht es genau? Der Überblick.

Das Aufgebot ist beachtlich. 48 ausländische Delegationen mit rund 2.400 Mitgliedern werden in den kommenden zwei Tagen die litauische Hauptstadt Vilnius zum Zentrum der westlichen Sicherheitspolitik machen: Auf dem Nato-Gipfel will das Verteidigungsbündnis seine Ausrichtung für die kommenden Monate und Jahre diskutieren.

Bis zu 12.000 Soldaten und Einsatzkräfte sichern den Gipfel ab, unter anderem vor Ort ist auch ein deutsches Patriot-Flugabwehrsystem. Was sind die wichtigsten Themen und wo könnte es zu Streit kommen? Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Wie kann die Nato die Ukraine unterstützen?

Das größte Thema dürfte auch das schwierigste des Gipfels werden. Die grundsätzliche Strategie der Nato gilt weiterhin: Das Land so gut es geht zu unterstützen, ohne in den Krieg hineingezogen zu werden. Allerdings bringen die bisher mäßigen Erfolge der Offensive das Bündnis unter Zugzwang, möglicherweise weitere Waffen zu liefern.

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Die Diskussion beherrschen derzeit zwei Perspektiven: In westlichen Kreisen kritisieren manche die Ukraine mitunter für die ausbleibenden Erfolge. Die Ukraine wiederum wirft den Nato-Partnern vor, für entsprechende Eroberungen nicht ausreichend ausgestattet zu sein. "Es kotzt mich an", sagte jüngst der Oberkommandant der Ukraine, Walerij Saluschnyj, in der "Washington Post" über die Klagen des Westens.

Konkret wünscht sich die Ukraine mehr Unterstützung aus der Luft. Zwar hat mittlerweile die Ausbildung ukrainischer Kampfpiloten an den US-amerikanischen F-16-Jets begonnen, doch die Lieferung der Flieger könnte sich noch verzögern. Der Leiter des Militärausschusses der Nato, Rob Bauer, sagte jüngst dem britischen Radiosender LBC, dass eine Lieferung erst nach Ende der Offensive infrage käme. Tatsächlich wäre mehr Tempo auch wenig sinnvoll, weil die Ausbildung an den Fliegern laut dem dänischen Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen sechs bis acht Monate dauert.

Bleibt die Frage, welche anderen Optionen die Nato hätte und welche Art Waffen der Ukraine weiterhelfen könnten. Grundsätzlich ist wichtig, dass das Bündnis selbst keine Waffen liefert, sondern solche Entscheidungen im sogenannten Ramstein-Format getroffen werden. Trotzdem ist es denkbar, dass auch während des Gipfels einzelne Staaten sich für weitere Lieferungen an die Ukraine entscheiden könnten.

In einem Telefonat mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zuletzt die bereits gelieferten Flugabwehrsysteme Patriot und Iris-T SLM gelobt, allerdings hätte sein Land davon auch gerne mehr. Zwei weitere sollen noch in diesem Jahr folgen, vier zusätzlich 2024.

Außerdem wolle man der Ukraine 30 weitere Gepard-Flugabwehrpanzer liefern, kündigte der Leiter des deutschen Sonderstabs für die Ukraine, Christian Freuding, in der "Welt am Sonntag" an. "Aber hat die Ukraine trotz alldem genügend Luftverteidigung und Flugabwehr? Klares Nein!", räumte der Brigadegeneral ein.

Video | Das kann das Raketenabwehrsystem Iris-T
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Quelle: t-online

Wird die Ukraine Nato-Mitglied?

Das ist die politisch heikelste Frage des Gipfels, auf die es deshalb wohl auch keine finale Antwort geben wird. Denn: Solange die Ukraine noch im Krieg ist, wäre ein Beitritt schon deshalb unmöglich, weil dann die übrigen Nato-Staaten dem Land bei seiner Verteidigung gegen Russland beispringen müssten. Zudem wäre ein Nato-Beitritt aus Sicht vieler im Westen eine Provokation Russlands, deren Folgen als kaum abschätzbar erscheinen.

Die Position der Ukraine in der Frage ist derweil klar: Das Land hat seit 2019 den Willen zum Beitritt zur EU und zur Nato in seiner Verfassung verankert.

Die Ukraine hatte vor dem Gipfel den Druck erhöht: Präsident Wolodymyr Selenskyj reiste jüngst in etliche Nato-Staaten und betonte, dass man sich eine Einladung in das Bündnis wünsche und ein konkreter Prozess für eine Mitgliedschaft in Gang gesetzt werde. Doch genau dazu wird es höchstwahrscheinlich nicht kommen: Skepsis hinsichtlich eines schnellen Beitritts gibt es außer in den USA auch in Deutschland. Auch Nato-Generalsekretär Stoltenberg schloss aus, dass es auf dem Gipfel zu einer offiziellen Einladung kommen wird. Stattdessen erklärte der Norweger, dass ein Nato-Ukraine-Rat eingerichtet werde, in dem künftige Verhandlungen über Sicherheitsfragen geführt werden sollen.

Zudem dürfte es dazu kommen, dass der Ukraine ein schnelleres Verfahren für den Beitritt angeboten wird. Eine entsprechende Einigung hatte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba im Vorfeld des Gipfels bereits angekündigt. Ähnlich wurde zuletzt auch mit Schweden und Finnland verfahren. Auch wurde im Vorfeld des Gipfels darüber diskutiert, dass möglicherweise nur die Teile der Ukraine der Nato beitreten könnten, die unter der Kontrolle Kiews stehen. Wie eine solche Teilmitgliedschaft allerdings konkret funktionieren soll, ist noch unklar.

Als Alternative werden zudem immer wieder Sicherheitsgarantien diskutiert, die der Westen der Ukraine nach dem Krieg zusagen könnte. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach davon, dass man der Ukraine auch zukünftig in Sicherheitsfragen etwas schulde.

Konkreter wurde US-Präsident Joe Biden: Er schlug vor, dass nach dem Krieg und vor der Nato-Mitgliedschaft die Ukraine aus den USA ähnliche Unterstützungen wie Israel erhalten könnten. Damit verbunden wären jährliche Militärhilfen in Milliardenhöhe. Eine einheitliche Linie dazu gibt es unter den Mitgliedstaaten des Verteidigungsbündnisses bislang nicht.

Wird Schweden der Nato beitreten?

Danach sieht es aus, nachdem es kurz vor Gipfelbeginn zu einer Einigung kam: Am Montagabend hatte sich Stoltenberg nochmal mit dem schwedischen Ministerpräsidenten Ulf Kristersson und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan beraten. Die Türkei und Ungarn waren die letzten Staaten, die dem Beitritt der Skandinavier noch nicht zugestimmt hatten.

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Nach dem Treffen verkündete Stoltenberg, die Türkei werde ihre Blockade beenden. Ungarn hatte schon zuvor angekündigt, man werde nach einer Zustimmung der Türkei ebenfalls einlenken.

Nach einer Einigung hatte es zuvor nicht ausgesehen. Denn noch am Montagnachmittag hatte der türkische Präsident plötzlich eine neue Forderung aufgestellt: Er sei bereit, den Weg für Schweden freizumachen, wenn die EU den Beitrittsprozess der Türkei wiederbelebt. Die Verhandlungen standen zuletzt jahrelang still.

Wann genau der schwedische Beitritt vollzogen wird, war allerdings zunächst unklar. Mit seinem harten Kurs scheint Erdoğan allerdings Erfolg gehabt zu haben: Neben den Verhandlungen mit Stoltenberg und Kristersson sprach der Präsident am Abend auch mit EU-Ratspräsident Charles Michel. Man wolle die Beziehungen zwischen EU und Türkei "neu beleben", twitterte der Belgier anschließend. Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu meldete zudem, die USA hätten sich mit der Türkei auf die Lieferung von F-16-Kampfjets geeinigt. Beobachter hatten zuvor spekuliert, dass es der Türkei bei der Blockade hauptsächlich um neue Kampfflugzeuge gegangen war.

Welche Rolle wird Generalsekretär Jens Stoltenberg spielen?

Die gleiche wie immer, und das ist eine Überraschung. Denn Stoltenberg hatte Anfang des Jahres bereits zum zweiten Mal angekündigt, dass er sein Amt abgeben wolle. Ursprünglich war vorgesehen, dass der Norweger in Vilnius abtritt und sich die 31 Mitgliedsstaaten offiziell auf einen Nachfolger einigen.

Die Gespräche in den vergangenen Wochen brachten allerdings keine Einigung. So wurde sich bereits in der vergangenen Woche darauf geeinigt, dass Stoltenberg bis zum Oktober 2024 weitermacht. Offiziell müssen das die 31 Nato-Länder in Vilnius noch beschließen.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP
  • washingtonpost.com: "Ukraine’s top general, Valery Zaluzhny, wants shells, planes and patience" (englisch, kostenpflichtig)
  • lbc.co.uk: "Ukraine won't be given fighter jets in the short term, top NATO admiral tells LBC" (englisch)
  • welt.de: ""Was die russischen Streitkräfte vorbereitet haben, wirkt sehr professionell"" (kostenpflichtig)
  • welt.de: ""Wiederholt nicht den Fehler, den Bundeskanzlerin Merkel gemacht hat"" (kostenpflichtig)
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