t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikAuslandInternationale Politik

Gewalt in Nahost nach Explosion an Klinik: Ausschreitungen in mehreren Ländern


Proteste gegen Israel eskalieren
Klinik-Explosion löst Gewaltspirale in Nahost aus

Von Lucas Maier

Aktualisiert am 19.10.2023Lesedauer: 5 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Player wird geladen
Einschlag in Krankenhaus: Diese Bilder des israelischen Militärs sollen Ursache belegen. (Quelle: t-online)

Die pro-palästinensischen Demonstrationen im Nahen und Mittleren Osten werden immer gewaltsamer. Mehrfach wurde versucht, israelische Einrichtungen zu stürmen.

In Gaza-Stadt wurde das Ahli-Arab-Krankenhaus am Dienstagabend von einer Explosion erschüttert. In der Folge sprach die Hamas von bis zu 500 Toten. Mittlerweile äußern europäische Geheimdienste Zweifel an der Zahl. "Es gibt nicht 200 oder gar 500 Tote, sondern eher ein paar Dutzend, wahrscheinlich zwischen zehn und 50", sagte eine anonyme Geheimdienstquelle der französischen Nachrichtenagentur AFP.

Neben den genauen Opferzahlen ist auch der Auslöser der Explosion bisher nicht geklärt. Die Terrororganisation Hamas sprach davon, dass Israel das Krankenhaus bombardiert habe. Israel wies die Vorwürfe zurück und veröffentlichte Videos und Tonaufnahmen, die beweisen sollen, dass es sich um eine fehlgelenkte Rakete der Terrorgruppe Islamischer Dschihad gehandelt haben soll. Mehr zu den Hintergründen lesen Sie hier.

Trotz der unklaren Informationslage gingen im Nahen und Mittleren Osten Tausende Menschen auf die Straße. Teilweise nahmen die israelfeindlichen Proteste gewaltsame Ausmaße an. Auch in den USA und Europa kam es zu Ausschreitungen. Ein Überblick.

Türkei: Sturm auf israelisches Konsulat in Istanbul – ein Toter

Am Abend nach der Explosion in Gaza-Stadt gingen 80.000 Menschen in der türkischen Großstadt Istanbul auf die Straße, wie die "New York Times" schreibt. Am israelischen Konsulat eskalierte die Situation. Mit Steinen, Stöcken, Fackeln und Feuerwerkskörpern sollen Teile der Masse versucht haben, gewaltsam das Konsulat zu stürmen.

Nach Behördenangaben wurden bei den Ausschreitungen in Istanbul 63 Menschen verletzt, 43 davon sollen Polizisten sein. Ein 65-Jähriger soll während der gewaltsamen Demonstration verstorben sein. Nach bisherigen Informationen soll die Todesursache ein Herzanfall sein. Auch in der Hauptstadt Ankara kam es zu Protesten.

Staatschef Recep Tayyip Erdoğan hat am Dienstagabend Israel dafür verantwortlich gemacht, "ein Krankenhaus angegriffen zu haben, in dem Frauen, Kinder und unschuldige Zivilisten untergebracht sind". Am Mittwoch sprach der türkische Staatschef dann von "Völkermord" an den Menschen in Gaza, allerdings ohne eine konkrete Schuldzuweisung.

Israel hatte die Reisewarnung für die Türkei auf die höchste Stufe angehoben. "Alle Israelis, die sich in der Türkei aufhalten, müssen so schnell wie möglich abreisen", verkündete Israels Nationaler Sicherheitsrat am Dienstagabend. Die Botschaft der USA in Adana wurde wegen Sicherheitsbedenken geschlossen.

Jordanien: Molotowcocktails bei Sturm auf Botschaft

Im östlichen Nachbarstaat von Israel, Jordanien, kam es ebenfalls zu Ausschreitungen. Im Westen der Hauptstadt Amman soll es am Dienstag zu Brandstiftungen und Sachschäden gekommen sein, wie die jordanische Nachrichtenagentur Petra schreibt. Zuvor sollen die Demonstranten versucht haben, die israelische Botschaft zu stürmen. Dabei sollen sie Molotowcocktails und Steine geworfen haben. Ein Sprecher der Sicherheitsbehörde sprach von mehreren verletzten Polizeibeamten.

In der Folge der Ausschreitungen vom Dienstag riegelten die Sicherheitsbehörden am Mittwoch die Zufahrtsstraßen zur israelischen Botschaft ab. Laut Korrespondenten der AFP sollen sich 10.000 Menschen am Mittwoch vor der Botschaft versammelt haben.

In Jordanien leben viele palästinensische Flüchtlinge. Die jordanische Regierung macht ebenso wie andere muslimische Länder Israel für den Raketeneinschlag im Ahli-Arab-Krankenhaus verantwortlich. Jordanien sagte ein für Mittwoch geplantes Vierer-Gipfeltreffen seines Königs Abdullah II. mit US-Präsident Joe Biden, Palästinenserpräsident Abbas und dem ägyptischen Staatschef Abdel Fattah al-Sisi ab.

Iran: Brennende Israel-Fahnen

Im Iran, der als einer der Hauptunterstützer der islamistischen Hamas gilt, kam es ebenfalls zu Protesten. Bei einem Massenprotest mit mehreren Tausend Menschen in der Hauptstadt Teheran beschuldigte der iranische Präsident Ebrahim Raisi neben Israel auch die USA. Letztere würden die Bomben verkaufen, die Israel in Gaza einsetzt.

Ein ähnliches Bild zeigte sich auch bei Protesten vor der britischen und der französischen Botschaft in Teheran. Dort forderten die Demonstranten den "Tod Englands und Frankreichs", wie ein AFP-Korrespondent berichtete. Israel und die USA haben in der Islamischen Republik keine Botschaft.

Tunesien: Schulen zum "Tag des Zorns" teilweise geschlossen

In Tunesien richtete sich der Hass der pro-palästinensischen Demonstranten gegen die französische Botschaft in der Hauptstadt Tunis. Dort sollen 17.000 Menschen auf die Straßen gegangen sein, wie die AFP unter Berufung auf das Innenministerium mitteilte. Frankreich wird ebenso wie den USA von vielen Demonstranten vorgeworfen, Israel im Krieg mit der radikalen palästinensischen Terrororganisation Hamas zu unterstützen.

Die staatliche Nachrichtenagentur Tunesiens, TAP, berichtete, dass mehrere Schulen, Universitäten und Ausbildungszentren den Unterricht am Mittwoch aus Protest aussetzten. Der Generalsekretär der Allgemeinen Föderation für Hochschulbildung und wissenschaftliche Forschung rief die Mitglieder der Föderation dazu auf, an den Protesten zum "Tag des Zorns" teilzunehmen.

Bei einer nächtlichen Sitzung seines Nationalen Sicherheitsrates am Dienstag verurteilte der tunesische Präsident Kais Saied das "internationale Schweigen" über den "Völkermord", den Israel seiner Meinung nach am palästinensischen Volk verübt. Das berichtete "Le Monde" am Mittwoch.

Libanon: "Tod für Amerika" – Wasserwerfer in Beirut eingesetzt

Im Libanon rief die Hisbollah-Miliz, die vor allem im Süden des Landes sitzt, für Mittwoch einen "Tag der Wut" aus. Immer wieder kommt es auch an der Grenze zwischen dem Libanon und Israel zu Kämpfen zwischen der israelischen Armee und der Terrororganisation. Zuletzt gerieten dort auch Angehörige der Bundeswehr unter Beschuss.

Loading...
Loading...
Loading...
Empfohlener externer Inhalt
X
X

Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.

In der Hauptstadt Beirut kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und pro-palästinensischen Demonstranten. Gegen die Demonstranten wurden Wasserwerfer und Tränengas eingesetzt. Hunderte protestierten auf einer Straße, die zur US-Botschaft führte und skandierten "Tod für Amerika" und "Tod für Israel". Die USA warnten ihre Bürger vor Reisen in den Libanon, wie die "New York Times" schreibt. Zuvor hatten bereits Tausende Anhänger der pro-iranischen Terrororganisation Hisbollah im südlichen Vorort Beiruts demonstriert.

Ägypten: Regierung ruft zum Protest

Im ägyptischen Al-Arisch, nahe dem einzigen Grenzübergang zum Gazastreifen, gingen Tausende auf die Straße, wie Augenzeugen laut AFP berichteten. Proteste soll es auch in Kairo, Alexandria, Minya, Mansoura und Beni Suef gegeben haben. Teilnehmer schwenkten ägyptische und palästinensische Flaggen. In Kairo strömten die Demonstranten zur Botschaft der USA. Dort wurden sie allerdings von Sicherheitskräften so weit auf Abstand gehalten, dass sie ihren Protest vor die britische Botschaft verlagerten.

Proteste, die nicht direkt unterbunden werden, sind in dem autokratisch verfassten Ägypten keine Alltäglichkeit. Für Freitag hat Präsident Abdel Fattah al-Sisi sogar zu einem Massenprotest in Solidarität mit der palästinensischen Sache aufgerufen, wie die "New York Times" unter Berufung auf die Pressestelle der Regierung schreibt.

Ägypten stand vor al-Sisi unter der Führung von Mohammed Mursi, welcher sich ebenso wie die Hamas dem Islamismus der Muslimbrüder verschrieben hatte. In der Bevölkerung des Landes besteht eine starke Verbundenheit zur Bevölkerung des benachbarten Gazastreifens. Auch wenn zwischen Israel und Ägypten bereits seit 1979 Frieden herrscht, besteht in der ägyptischen Öffentlichkeit eine tiefe Feindschaft gegenüber Israel. Die politische Führung arbeitet allerdings seit einigen Jahren immer enger mit Israel zusammen. Mehr zur Position Ägyptens im Nahostkonflikt lesen Sie hier.

USA: Demonstranten stürmen in das Kapitol

Aber nicht nur in den arabisch geprägten Teilen der Welt kam es zuletzt zu Massenprotesten als Reaktion auf die Explosion am Ahli-Arab-Krankenhaus im Gazastreifen. In den USA strömten mehrere Hundert friedliche Demonstranten in einen Teil des US-Kapitols in Washington. Es kam zu rund 300 Festnahmen. Die Aktivisten forderten ein Ende des Blutvergießens. Berichten zufolge sollen dort orthodoxe Juden und Palästinenser gemeinsam an dem Protest teilgenommen haben.

Empfohlener externer Inhalt
X
X

Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.

Bei dem Protest sprach auch die linke Abgeordnete Rashida Tlaib. Tlaib steht in den USA stark in der Kritik, da sie Israel mehrfach für die Explosion in Gaza-Stadt verantwortlich machte. "Wer würde eine Gruppe, die gerade unschuldige israelische Zivilisten massakriert hat, für unseren wichtigsten Verbündeten halten?", sagte der linksgerichtete Senator John Fetterman "Daily Beast". Fetterman brach infolge ihrer Anschuldigungen mit Tlaib. In den USA kam es nach dem Angriff der Hamas auf Israel immer wieder zu großen Protesten. Teilweise gerieten die Lager der pro-israelischen und pro-palästinensischen Demonstranten aneinander.

Der Konflikt im Nahen Osten führte zuletzt auch zu gewaltsamen Protesten in der deutschen Hauptstadt Berlin. Nach einem Demonstrationsverbot der Berliner Polizei kam es zu Zusammenstößen mit pro-palästinensischen Demonstranten im Stadtteil Neukölln.

Verwendete Quellen
  • tagesschau.de: "Brennpunkt: Krieg in Nahost2
  • petra.gov.jo: "Protestors in Rabieh caused riot, material damage, says PSD" (englisch)
  • mdr.de: "Schuldzuweisungen nach Explosion von Rakete vor Gaza-Klinik"
  • lemonde.fr: "Israel tells citizens to leave Turkey 'as soon as possible'"
  • nytimes.com: "Across Mideast, Protests Erupt Over ‘Horrific Scenes’ in Gaza"
  • lemonde.fr: "Thousands in Tunisia protest against Israel outside French embassy"
  • lemonde.fr: "In Tunisia, support for Palestinians unites whole society"
  • tap.info.tn: "Gaza Aggression: 20,000 protesters in Tunis Wednesday, Interior Ministry says"
  • tap.info.tn: "Classes suspended in several Tunisian schools and universities in protest at bombing of al-Ahli Arab hospital in Gaza"
  • handelsblatt.com: "Krieg in Israel: Feindselige Proteste am Time Square"
  • handelsblatt.com: "Demonstranten strömen in US-Kapitol und fordern Waffenstillstand in Nahost"
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen AFP und dpa
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website