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Nach Gipfel in Buenos Aires: Der G20-Burgfrieden ist brüchig


Nach G20-Gipfel in Buenos Aires
Die Risse werden größer

Von dpa, pdi

02.12.2018Lesedauer: 5 Min.
Buenos Aires: Donald Trump sitzt sich beim bilateralen Treffen im Rahmen des G20-Gipfels Jinping, dem Staatschef von China, gegenüber.Vergrößern des BildesBuenos Aires: Donald Trump sitzt sich beim bilateralen Treffen im Rahmen des G20-Gipfels Jinping, dem Staatschef von China, gegenüber. (Quelle: dpa-bilder)
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Nach außen wirkt alles harmonisch beim G20-Gipfel. Sogar Donald Trump gibt sich handzahm. Doch autoritäre Kumpels und nicht mehr zu übertünchende Risse manifestieren die Krise der G20.

Das wichtigste Ereignis des G20-Gipfels findet erst nach dessen Ende statt. Als die meisten Staats- und Regierungschefs schon längst abgereist sind, sitzen zwei der Mächtigsten beim Abendessen in einem Luxushotel in Buenos Aires zusammen. Breit grinsend gibt Donald Trump Chinas Staatschef Xi Jinping danach die Hand, beide entschärfen einen Streit, der die gesamte Weltwirtschaft massiv zu belasten droht. Es ist aber erstmal nur eine Atempause - wie so vieles bei diesem ungewöhnlichen Gipfel.

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Trump schafft Probleme, löst sie dann ein wenig, um dafür gefeiert zu werden. Unterm Strich bleibt alles fragil. Beide kommen nach monatelangen Giftpfeilen überein, sich ab 1. Januar nicht mehr mit zusätzlichen Zöllen zu bekriegen - und zu verhandeln. Damit hat dieses zweitägige, von 25.000 Polizisten und Soldaten bewachte Treffen doch noch ein Ergebnis mit ganz konkreten Folgen. Von der Abschlusserklärung der führenden Wirtschaftsnationen kann man das nicht behaupten. Der größte Erfolg ist, dass es die Erklärung überhaupt gibt. Ein Scheitern wäre ein Novum und ein Offenbarungseid der G20 gewesen.

Trumps Einigung mit China

Bei den Themen Migration und Handel gelingen aber nur notdürftige Kompromisse - ein Spiegel der Spaltung. Und vielem drückt Trump seinen Stempel auf. So können sich die G20-Staaten nicht mehr darauf einigen, sich weiterhin zum Kampf gegen Protektionismus zu bekennen - Trump will sich die Option von Strafzöllen offen halten, die aber das Stottern des globalen Konjunkturmotors verstärken könnte. Besonders zittern die deutschen Autokonzerne, dass Trump mit China zwar erst einmal einen Burgfrieden hat, aber er verkündet ja immer wieder, dass ihm die vielen BMW und Mercedes auf amerikanischen Straßen ein Dorn im Auge sind. Am Dienstag sind mehrere Chefs deutscher Autokonzerne deshalb im Weißen Haus.

Immerhin soll die Welthandelsorganisation (WTO) reformiert werden, um die Spielregeln für den Handel verbindlicher zu definieren - und unlautere Subventionen zu bekämpfen. Beim Klimaschutz ist es mit der Einigkeit dagegen schon lange vorbei, obwohl die Erde von Temperatur- zu Temperaturrekord eilt. Immerhin hält noch die Front gegen die USA, ein wichtiges Signal an die Weltklimakonferenz in Kattowitz (Katowice), die in den nächsten zwei Wochen Details zur Umsetzung des Abkommens von Paris zur Treibhausgasbegrenzung erarbeiten soll.

Uneinigkeit beim Klima

Die USA bekräftigen in Buenos Aires den Ausstieg aus dem Abkommen. 19 gegen einen, wie schon beim G20-Gipfel in Hamburg. Trump hofft sogar, dass er weitere Abtrünnige aus der Klima-Übereinkunft herauslösen kann, etwa Brasilien, wenn Jair Bolsonaro im Januar sein Amt antritt - unter ihm könnte es eine Abholzungsoffensive im Regenwald geben. Als Wackelkandidaten sieht er auch die Türkei, Saudi-Arabien und Russland.

Die Risse zwischen den größten Wirtschaftsnationen, die Krise des Westens, das alles lässt sich auch in Buenos Aires nicht mehr übertünchen. Nächtelang feilen die Unterhändler an Formelkompromissen, die jeder nach Gutdünken interpretieren kann. Es ist bezeichnend für den Zustand der Welt, dass hart gerungen werden muss, um in der Abschlusserklärung noch ein Bekenntnis zum Multilateralismus unterzubringen, dem Ringen um gemeinsame Leitplanken in der internationalen Politik. Drei Mal taucht das Wort "multilateral" am Ende im Kommuniqué auf, nur ein Mal ein Lieblingswort von Kanzlerin Angela Merkel: "regelbasiert".

Die deutsche Regierungschefin ist nach ihrer Flugzeugpanne mit zwölf Stunden Verspätung nach Buenos Aires gekommen, um in Zeiten von Abschottung und Kriegsgefahren die Fahne dieses Multilateralismus hochzuhalten. "Es lohnt sich, dafür zu kämpfen", sagt sie. "Bisher haben die Kämpfe auch immer gewisse Erfolge gezeigt. Aber es ist schwerer geworden."

Keine "lahme Ente"

DasPech mit dem Regierungsflieger verkürzt ihre Gipfelteilnahme fast um einen ganzen Tag. In die wenigen Stunden, die ihr bleiben, packt sie alles rein, was geht. Fünf bilaterale Gespräche, zwei Arbeitssitzungen in großer Runde, dazwischen noch ein Termin für die Medien. Der mit ihr gereiste Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) spricht von "Speed-Dating". Beide gehören zur Fraktion: Reden lohnt sich.

Merkel macht nach dem Beginn ihres Rückzugs auf Raten aus der Politik nicht den Eindruck einer "lahmen Ente" auf der Weltbühne. Im Gegenteil: Sie wird gebraucht, auch wenn sie selbst etwa in Klimafragen nicht mehr so sehr Vorreiterin ist: Stichwort Kohle- und Dieselpolitik. Aber gerade in der verworrenen Lage im Ukraine-Konflikt schauen viele am Rio de la Plata auf sie.

Deutschland versucht seit viereinhalb Jahren hier zu vermitteln, zwar mit mäßigem Erfolg, genießt aber immer noch mehr Vertrauen auf beiden Seiten als jedes andere Schwergewicht in der internationalen Politik. Auch Trump sieht das so: "Angela, lasst uns Angela einbeziehen", forderte er vor dem Gipfel mit Blick auf die Festsetzung ukrainischer Schiffe durch die russische Küstenwache vor der Halbinsel Krim.

Putin und der Ukraine-Konflikt

Merkel versucht, in einem Gespräch mit Russlands Präsident Wladimir Putin zu deeskalieren. Der zeigt sich aber wenig entgegenkommend. Nach Gipfelende richtet er im Stile Trumps eine deftige Drohung an die ukrainische Regierung: "Das ist eine Partei des Krieges, und solange sie an der Macht ist, werden Tragödien dieser Art und der Krieg andauern." Das Thema wird Merkel weiter ziemlich beschäftigen.

Mit Trump redet Merkel auch, 30 Minuten lang, in einem schmucklosen Raum in der Messehalle am Rio de la Plata. Der schwärmt dabei von der "großartigen Beziehung" zur Kanzlerin. Aber während er Deutschland sonst gerne mal via Twitter beschimpfte, gibt er sich diesmal ziemlich zahm - er will diesen Gipfel anders als beim G7-Treffen im Mai nicht sprengen.

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Über seine PR-Waffe Twitter kommen vor allem warme Worte: Trump lobt seinen während des Gipfels gestorbenen Vorgänger George H. W. Bush, bedankt sich artig bei Gipfel-Gastgeber Argentiniens Staatschef Mauricio Macri und den Kollegen für tolle Gespräche und produktives Arbeiten. Das schon minutiös geplante Treffen mit Putin sagt er aber - offiziell wegen der Ukraine-Krise ab - wichtige weltpolitische Fragen, darunter die Zukunft des Atomabrüstungsvertrages INF, bleiben somit auf höchster Ebene unbehandelt. Es kommt gerade mal zum Smalltalk der beiden beim Dinner im berühmten Teatro Colón.

Die Pressekonferenz zum Gipfelabschluss sagt Trump dann auch noch ab - angeblich aus Respekt vor der trauernden Familie Bush. Der Respekt ist in Trumps Amtsführung jedoch neu - während der Beerdigung von Senatorenlegende John McCain hatte er zum Beispiel Golf gespielt.

Umgang mit Saudi-Arabien

Das nach dem Mord am Journalisten Jamal Khashoggi im Konsulat Saudi-Arabiens in Istanbul heikle Thema Saudi-Arabien überlässt der US-Präsident seinem Außenminister Mike Pompeo. Einen Handschlag mit dem saudischen Kronprinzen, so wie Wladimir Putin ihn zelebrierte, wollte Trump nicht. Ohnehin wird Mohammed bin Salman sehr freundlich behandelt. Offene Kritik oder auffällige Distanz: Fehlanzeige. Auch das ist eine Botschaft: Öl- und Rüstungsgeschäfte sind vielen wichtiger.


Merkel war übrigens nicht nur die letzte, die zum Gipfel eintraf, sondern sie tritt auch ihre Rückreise ungewöhnlich spät an. Am Ende hat sie plötzlich ganz viel Zeit, spaziert durch Buenos Aires, besucht eine Kirche, sogar für einen Steakhaus-Besuch reicht es noch. Weil die Crew des nach Buenos Aires beorderten Ersatzfliegers "Theodor Heuss" die Ruhezeiten beachten muss, genießt die Kanzlerin einen freien Nachmittag und Abend in Argentiniens Hauptstadt. Blitzschnell spricht sich das herum. Als sie das Steakhaus "Don Julio" verlässt, stehen draußen über hundert Leute, feiern sie mit "Angela, Angela"-Rufen. Szenen, die es in Deutschland nicht mehr so oft gibt.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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