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Ex-CIA-Agent Robert Baer: "Iran ist der Gewinner im Schlagabtausch mit den USA"


Ex-CIA-Agent Robert Baer
"Iran ist der Gewinner im Schlagabtausch mit den USA"

InterviewRamon Schack

Aktualisiert am 11.01.2020Lesedauer: 5 Min.
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US-Präsident Donald Trump: Hier am 8. Januar bei seiner Ansprache nach den Angriffen des Iran auf US-Militärbasen.Vergrößern des Bildes
US-Präsident Donald Trump: Hier am 8. Januar bei seiner Ansprache nach den Angriffen des Iran auf US-Militärbasen. (Quelle: imago-images-bilder)

Als CIA-Agent unterwanderte er islamistische Terrororganisationen. Jetzt hat Robert Baer die Trump-Regierung scharf für ihr Vorgehen im Iran kritisiert und sieht den Iran im Vorteil.

Robert Baer ist ehemaliger Mitarbeiter des US-Geheimdienstes CIA. In seiner aktiven Zeit war er unter anderem im Irak, in Syrien und im Libanon eingesetzt. Seit er den Nachrichtendienst verlassen hat, arbeitet er als Autor und Sicherheitsanalyst.

t-online.de: Was war Ihr erster Gedanke, als Sie die Rede von Donald Trump anlässlich der iranischen Angriffe auf US-Basen im Irak hörten?

Robert Baer: Ich dachte – nicht zum ersten Mal übrigens –, Trump ist nicht bei Sinnen. Interessant war hierbei allerdings, dass der Präsident, wenn auch durch Phrasen untermauert, den Sieg der Iraner in diesem aktuellen Konflikt eingestanden hat.

Inwiefern?

Donald Trump behauptete in seiner Rede, die amerikanische Bevölkerung solle "äußerst dankbar und glücklich" sein. – "Der Iran scheint klein beizugeben." Vizepräsident Michael Pence sagte danach, "dass wir heute sicherer sind" als vor dem Mord an Ghassem Soleimani. Das ist völliger Unsinn, denn weder war ein lebender Soleimani eine akute Gefahr für die USA, noch wurde die Position Irans durch die Ermordung nachhaltig geschwächt. Soleimanis Nachfolger, Esmail Ghaani, hat ja auch bestätigt, dass er den Kurs seines ermordeten Vorgängers fortsetzen wird.

In Ihrem Buch "The Perfect Kill: 21 Laws for Assassins" stellen Sie die These auf, dass die gezielte Tötung als Strategie des Geheimdienstes nicht funktioniert.

Richtig. Das Buch basiert auf meinen Erfahrungen als amerikanischer Agent vor Ort, besonders als Mitglied einer Operation im Irak, die an der geplanten Ermordung von Saddam Hussein beteiligt war. Damals fragte ich mich, was ich dort eigentlich mache. Ich befand mich inmitten eines Schlachtfeldes mit einer Kalaschnikow in der Hand, während um uns herum Geschosse einschlugen. Kurz danach wurde ich beinahe vom FBI wegen der versuchten Tötung Saddam Husseins angeklagt. In dem Buch verarbeite ich meine eigenen Erfahrungen, arbeite mich durch die gezielten Tötungen in der Geschichte, bis zum heutigen Drohnenkrieg, der im Übrigen auch nicht funktioniert.

Der Drohnenkrieg wird doch aber vom Pentagon als beispiellose Erfolgsgeschichte interpretiert?

Ich kann Ihnen nur so viel mitteilen, dass man Stellungnahmen und Behauptungen von Geheimdiensten und Verteidigungsministerien mit größter Skepsis begegnen sollte. Der massive Einsatz von Drohnen wurde unter Obamas Präsidentschaft forciert. Damals behauptete die CIA, dass Al-Qaida damit ausgeschaltet wurde – eine These, die höchst zweifelhaft ist. Drohnen stiften in erster Linie Chaos, verbreiten Angst, töten viele unschuldige Zivilisten. Folgt man der These, dass durch das gezielte Töten durch Drohnen ein schnelleres Kriegsende erreichbar ist – oder wie im Falle Soleimani behauptet, Gefahren abgewehrt wurden –, so ist das falsch. Durch den Einsatz von Drohnen wurden weder Gefahren abgewehrt noch Frieden erreicht. Im Gegenteil: Die USA sind heute viel stärker in die Konflikte im Nahen und Mittleren Osten verwickelt.

Inwiefern?

Beispielsweise kam es seit der Liquidierung von bin Laden zu keiner Stabilität, sondern zum Aufstieg des "Islamischen Staates". Für die CIA-Behauptung, durch den Einsatz von Drohnen seien amerikanische Leben gerettet wurden, fehlen die Beweise. Ich bin der Ansicht, dass Drohnen Terror und Gewalt fördern. Ob in der Vergangenheit oder jetzt bei der Ermordung von Soleimani in Bagdad.

Trumps Strategie gegen den Iran ist also gescheitert?

Trump hat überhaupt keine Strategie und sein Umfeld hat auch keinerlei Kenntnisse über die Mentalität der Iraner. Durch den Angriff auf die US-Basen im Irak hat Teheran bewiesen, dass es mit erstaunlicher Präzision US-Ziele in der Region treffen kann. Die Tatsache, dass die USA indirekt vom Iran gewarnt wurden, um Tote auf amerikanischer Seite zu vermeiden, ändert nichts an der Tatsache, dass niemand in der Lage war, die Raketen abzufangen. Die Experten sind darüber erstaunt, mit welcher Präzision zugeschlagen wurde, auch wenn man das öffentlich nicht zugibt. Die ballistische Kompetenz der Iraner ist Fakt und zugleich Warnung, dass im Falle eines Krieges mit hohen US-Verlusten zu rechnen ist. Den USA gelang es nicht, mit ihrem Luftabwehrsystem die einfliegenden Raketen abzufangen – trotz der Vorwarnung aus Teheran.

Haben die USA die Reaktion des Iran unterschätzt?

Ja. Der Iran ist der Gewinner in diesem Schlagabtausch. Es ist Teheran gelungen, den Konflikt von einer drohenden militärischen Eskalation wieder auf die politische Ebene zu tragen. Persönlich wundere ich mich darüber, dass niemand das Weiße Haus über die möglichen Folgen des Attentats auf Soleimani informiert hatte. Trumps Stellungnahme, sein Auftreten und seine Aussagen unterstreichen das. Letztendlich gestand er sein Scheitern ein, als er die Nato dazu aufforderte, die meines Wissen zuvor nicht informiert wurde, sich zukünftig stärker in der Region zu engagieren.

Sie haben gesagt, die US-Regierung besitze keine tieferen Kenntnisse über die Mentalität der Iraner. Ist das nicht auch ein Versagen der US-Geheimdienste?

Die CIA und andere US-Dienste sind im Iran kaum aktiv.

Wie meinen Sie das?

Die CIA-Arbeit wird heute von Bürokratie dominiert, von moderner Technologie, der Überwachung sozialer Netzwerke, der Steuerung von Drohnen. Das alles spielt sich in den Hauptquartieren ab, fernab der Einsatzgebiete, wo kaum jemand die Sprachen der betreffenden Länder beherrscht oder ein Gefühl für die Nationen hat, die die nationalen Interessen der USA tangieren.

Das war zu Ihrer Zeit noch anders? Sie hatten die Aufträge, Organisationen wie die Hisbollah oder Al-Qaida zu infiltrieren.

In der Tat. Wir riskierten unser Leben, machten uns zuvor mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut, studierten im Vorfeld über Jahre hinweg Sprachen und Kulturen. Es war nicht immer wie bei James Bond, manchmal aber schon.

Nach dem Anschlag von Bagdad ging Israels Premierminister Netanjahu zunächst auf Distanz zu Washington. Er sprach von einer US-Operation und betonte, dass Israel damit nichts zu tun habe.

Richtig, in Israel ist man zutiefst besorgt über die ballistische Kompetenz der Iraner – und das aus gutem Grund. Die Hisbollah sitzt in unmittelbarer Nachbarschaft, einer der engsten Alliierten Teherans. Hier deutet sich auch die Uneinigkeit zwischen Washington und Tel Aviv an. Die Israelis sind zutiefst darüber besorgt, dass die US-Truppen im Irak abziehen könnten, wie es jetzt von der irakischen Regierung gefordert wird. Dadurch würde der iranische Einfluss dort natürlich zunehmen. Die USA sind sich aber ihrer großen Verwundbarkeit vor Ort bewusst, die ihnen jetzt von den Iranern noch einmal vor Augen geführt wurde.

Was ist denn das strategische Ziel Teherans?

Die iranische Regierung sieht die USA, Großbritannien und andere Weststaaten als Kolonialmächte. Das strategische Ziel Teherans ist es, diese Kolonisierung zu beenden. Die jetzige Vormachtstellung des Iran ist durch die Fehler des Westens entstanden. Die Vormachtstellung entspricht aber auch der geographischen und demographischen Größe des Iran. Während der Westen also versucht, den Einfluss Irans einzudämmen, wird der Iran alles dafür tun, diesen Einfluss zu erhalten und auszubauen.

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Sehen Sie eine Möglichkeit, diesen Konflikt lang oder mittelfristig zu entschärfen?

Nur dann, wenn Washington und Teheran ihre jeweilige geopolitische Ausrichtung radikal ändern. Dafür fehlen zur Stunde sowohl in Washington wie auch in Teheran die Voraussetzungen.

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