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Jamaika-Parteien zuversichtlich vor "Woche der Entscheidungen"


Jamaika kommt voran
Segel gesetzt, aber noch ein Berg von Problemen

Von dpa, afp, reuters, t-online
10.11.2017Lesedauer: 4 Min.
Fortsetzung der SondierungsgesprächeVergrößern des BildesAngela Merkel macht sich auf den Weg zum Regieren mit einem Bündnis aus Union, Liberalen und Grünen. (Quelle: Michael Kappeler/dpa-bilder)
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Vier lange Wochen verhandeln sie nun schon, doch so langsam scheinen CDU, CSU, FDP und Grüne zueinander zu finden. Am Freitag loben die Jamaika-Sondierer die Fortschritte bei ihren Verhandlungen. Nur ein Bayer findet mahnende Worte.

Die erste schwarz-gelb-grüne Koalition im Bund gewinnt an Form. Die Generalsekretäre und Geschäftsführer von CDU, CSU, FDP und Grünen zeigten sich am Freitag zuversichtlich für die noch anstehenden Verhandlungen – trotz fehlender Einigungen in zahlreichen Punkten.

Man sei einen "deutlichen Schritt weitergekommen", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU). Nach den Worten von FDP-Generalsekretärin Nicola Beer gelang es, "eine Reihe von Dissensen aufzulösen". Grünen-Geschäftsführer Michael Kellner bestätigte: "Die Segel sind gesetzt, wir kommen ein Stück voran." CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sprach davon, dass "alles so weit im Plan" sei.

Scheuers Parteikollege und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer fand zugleich mahnende Worte. Es gebe noch einen "Berg an Problemen", sagte er am Abend. Spitzenunterhändler äußerten sich nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters unzufrieden, dass noch immer eine große Zahl an Streitfragen ungelöst sei. Bei Einzelpunkten habe es sogar Rückschritte gegeben.

Am Sonntag soll ein Gespräch der Parteichefs und Verhandlungsführer deshalb Klarheit schaffen, wie es in den restlichen Sondierungen weitergehen soll. "Die nächste Woche wird dann die Woche der Entscheidungen", sagte Grosse-Bröhmer. Am Donnerstag sollen die Sondierungen abgeschlossen sein. Die Bilanz der bisherigen Beratungen:

Migration:

Grüne und FDP wünschen ein Einwanderungsgesetz. Nur die Union bremst. Aber mit Blick auf den (drohenden) Fachkräftemangel und die Wünsche der Wirtschaft kann sie ein Gesetz gut verkaufen.

Schwieriger wird es mit der Flüchtlingspolitik. CDU und CSU haben sich intern noch vor den Jamaika-Sondierungen auf eine Obergrenze von 200.000 Schutzsuchenden pro Jahr geeinigt. Kompliziert wird es vor allem mit dem Familiennachzug. Hier machen die Grünen Druck.

In der Praxis funktioniert das Verfahren bislang nicht. Auch weil der geschäftsführende Bundesinnenminister Thomas de Maizière bremst, sitzen in Griechenland Tausende Flüchtlinge mit Angehörigen in Deutschland fest. Von einem "staatlich organisierten Einreiseverbot" spricht Pro-Asyl-Geschäftsführer Günther Burkard. Er rügt auch die angestrebte Änderung des EU-Asylrechts. "Was Innenminister Thomas de Maizière derzeit in Brüssel verhandelt bedeutet de facto die Abschaffung des individuellen Grundrechts auf Asyl. Alles ohne Mandat des Bundestags. Das können die Grünen nicht dulden", sagte Burkard zu t-online.de

  • Fazit: Ein heikler Punkt für die Grünen. Aber Beobachter halten die Frage für lösbar.

Klima:

Cem Özdemir machte im Mikado-Spiel die erste Bewegung. Ein Aus für den alten Verbrennungsmotor bis 2030 müsse nicht kommen, sagte der Grünen-Chef diese Woche. Bekam aber umgehend Kritik vom CSU-Mann Alexander Dobrindt. Das "Abräumen von 'Schwachsinnsterminen' ist noch kein Kompromiss". Hoppla.

Die Klimapolitik ist längst der schwierigste Baustein auf dem Weg zu einem Bündnis. Grün wünscht den Ausstieg aus der Kohle, schwierig für Schwarz-Gelb, die im Kohleland Nordrhein-Westfalen gemeinsam regieren.

Die neue Taktik lautet jetzt: Deutschland sei Stabilitätsanker – auch im Klimaschutz. Also gelten die vereinbarten Klimaziele: Die der UN aus dem Vorjahr in Paris. Und die der EU.

Beobachter sind skeptisch, vor allem, was die Glaubwürdigkeit der Grünen angeht. "Die Grünen haben wichtige Klimaschutz-Ziele ohne Not aufgegeben und verschaffen den anderen Parteien so einen Vorteil", sagte Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin zu t-online.de. Sie mahnte konkrete Schritte für einen Kohleausstieg an. Kemferts Klimabilanz der bisherigen Gespräche: "Das Zwischenfazit der Jamaika-Sondierungen ist ernüchternd. Die FDP mimt die Ahnungslosen und verbreitet Energiewende-Mythen des vergangenen Jahrhunderts und zwingt so die Grünen in eine defensive Position."

  • Fazit: Stabilitätsanker hin oder her, das wird noch hakelig. Nicht nur für die Grünen und ihre Basis.

Steuern und Finanzen: Investition in digitale Infrastruktur

Verlässlichkeit, das gilt auch für die Finanzen. Auf 30 Milliarden Euro bezifferte Finanzminister Peter Altmaier die Steuermehreinnahmen. Bremste aber gleich mal Ausgabenwünsche. Schwierig. Die Wunschliste der Sondierer ist lang. Auf 100 Milliarden Euro summieren sich die Wahlversprechen.

So weit wird es nicht kommen. Aber allein für die empfohlenen Projekte in Bildung und Forschung belaufen sich die Ausgaben in den kommenden vier Jahren auf mehr als 16 Milliarden Euro. Auch in den Ausbau von Glasfasernetzen soll investiert werden. Ein Kostenrahmen von 20 Milliarden Euro bis 2025 ist im Gespräch. Zumindest digital soll der gefühlt abgehängte ländliche Raum an die globalisierte Welt heranrücken.

  • Fazit: Lösbar, auch wenn's am Ende wegen der Basar-Atmosphäre vielleicht auch unübersichtlich wird.

Soziales:

Bei Arbeit, Pflege und Gesundheit hatten sich die Jamaika-Unterhändler auf eine Ausdehnung der Riester-Rente auch für Selbstständige geeinigt. Mehr tun wollen die Sondierer auch gegen Altersarmut von Geringverdienern: Geplant sei zudem eine Verbesserung der Erwerbsminderungsrente. "Uns eint der Wille, dass jemand, der länger gearbeitet hat, im Alter mehr haben soll als die Grundsicherung", heißt es bei den Sondiererern.

Eine verpflichtende Rentenversicherung für Selbstständige soll kommen, die private Rentenversicherung ausgebaut werden. In der Alten- und Krankenpflege ist ein Sofortprogramm geplant. "Es werden Sofortmaßnahmen für eine bessere Personalausstattung in der Altenpflege und im Krankenhausbereich ergriffen und dafür zusätzliche Stellen zielgerichtet gefördert“, heißt es im Sondierungspapier.

  • Fazit: Die angehenden Bündnis-Partner mühen sich angesichts des Wahlergebnisses um Verbesserungen beim Thema soziale Gerechtigkeit. Unter Jamaika soll es sozial ein bisschen wärmer werden in Deutschland.

Zeitplan

Die SPD hat's vor vier Jahren vorgemacht. Um die Basis miteinzubinden (und die ewig grummelnde Funktionärsriege auszubremsen) pochte der damalige Parteichef Sigmar Gabriel auf einer Mitgliederbefragung.

Auch das Jamaika-Bündnis hört in die Parteien. Die basisbewegten Grünen hatten als erste einen Parteitag angekündigt, am 25. November soll der über eine Regierungsbeteiligung befinden. Die CDU will am 17. und 18. November in einer Klausur in Berlin über das Sondierungsergebnis sprechen, die CSU berät am 18. November – über Jamaika und Parteichef Horst Seehofer. Nun zieht auch die FDP nach, die parallel zu den Grünen am 25. November ein Parteitreffen erwägt.

  • Fazit: Das Taktieren geht weiter. Aber Jamaika kommt voran. Langsam. "Du Liebste kannst ruhig schlafen, Du bist der Hafen" - Jamaika soll Stabilitätsanker sein in einer taumelnden Welt.
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