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Das sagt die internationale Presse zu den Sondierungen


Presse zur Einigung in Berlin
"Der Winter der deutschen Matriarchin hat begonnen"

Von dpa
Aktualisiert am 13.01.2018Lesedauer: 5 Min.
Bundeskanzlerin Angela Merkel: Die CDU-Chefin hat sich mit CSU und SPD auf Eckpunkte einer möglichen neuen Großen Koalition geeinigt.Vergrößern des BildesBundeskanzlerin Angela Merkel: Die CDU-Chefin hat sich mit CSU und SPD auf Eckpunkte einer möglichen neuen Großen Koalition geeinigt. (Quelle: Bernd von Jutrczenka/dpa-bilder)
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Nicht nur in Deutschland haben Bürger und Medien die Sondierungsgespräche von Union und SPD aufmerksam verfolgt. In den europäischen Zeitungskommentaren überwiegt die Skepsis.

Nach einem Verhandlungsmarathon haben sich SPD, CDU und CSU am Freitag auf ein Sondierungspapier geeinigt. Die Beschlüsse wären die Richtschnur einer neuen Großen Koalition – wenn sie die parteiinternen Abstimmungen überstehen. Für die europäische Presse ein Anlass, die schleppende Regierungsbildung in Berlin zu kommentieren. Eine Auswahl der Pressestimmen:

Die französische Regionalzeitung "Les Dernières Nouvelles d'Alsace" schreibt: "Die einzigen wirklich wichtigen Punkte (im Sondierungspapier) sind die Plätze, die Europa und der Eurozone im Koalitionsprojekt einnehmen, auch wenn sie im Vergleich zu den Visionen von Präsident Macron vage bleiben. Eines ist gewiss: Die nächste deutsche Regierung wird nicht vor Ostern im Amt sein... oder am Sankt-Nimmerleins-Tag. Sicherlich mit Merkel als Kanzlerin. Aber mit einer immer weniger souveränen."

Die ebenfalls in Frankreich erscheinende "Libération" meint: "In diesem 28-seitigen Dokument fällt nicht nur auf, dass es Europa ins Zentrum des Handelns der künftigen Regierung stellt, sondern vor allem, dass es keine "rote Linie" zieht und damit das Feld der Möglichkeiten weit öffnet. Die GroKo-Vereinbarung wirft eins der deutschen Tabus über Bord: das der Ablehnung jeder finanziellen Solidarität innerhalb der Eurozone. So hat es die SPD geschafft, ihre zurückhaltenden Partner dazu zu drängen, sich dem Vorschlag von Macron zur Schaffung eines Eurozonen-Haushalts anzuschließen.

Die britische Zeitung "The Guardian" sieht es so: "Nach dem Aufschwung der rechtsextremen AfD bei den Bundestagswahlen im September war es wichtig, dass Deutschlands etablierte Parteien einen Weg finden, ihr Modell einer sozialen Marktwirtschaft für kommende Zeiten zu erneuern. Doch es wäre klug, die Sektkorken nicht vorschnell knallen zu lassen. Zwar hat Angela Merkels konservativer Block aus CDU und CSU einen Koalitionsdeal mit der Mitte-Links-SPD von Martin Schulz erreicht. Aber es ist längst noch nicht sicher, dass dieser Deal Bestand haben wird."

In der britischen "The Times" ist zu lesen: "Angela Merkel steuerte am Freitag zwar auf einen Entwurf für eine neue Regierungskoalition zu, aber sie muss nun erst einmal nervös abwarten, wie ihr politisches Schicksal von Mitgliedern Deutschlands großer Mitte-Links-Partei entschieden wird. Offene Ablehnung kommt aus der SPD-Jugendorganisation und dem linken Flügel, aber auch von Mitgliedern des nordrhein-westfälischen Landesverbandes."

Die italienische Tageszeitung "La Repubblica" kommentiert: "Der nicht mehr ganz so junge Schulz, der die Chance schwinden sah, Kanzler zu werden und der Merkel schließlich den letzten Rettungsring zugeworfen hat, hat viele Wehwehchen. Er wird erst die SPD-Delegierten in Bonn am 21. Januar und dann die zum Referendum aufgerufenen Mitglieder überzeugen müssen, eine neue Große Koalition abzunicken. Eine titanenhafte Aufgabe mit ungewissem Ausgang. Derweil ist mit Blick auf die Einigung zu sagen, dass der Teufel im Detail steckt."

Der mailändische "Corriere della Sera" analysiert: "Es gibt noch immer Hürden, die genommen werden müssen. Aber die Einigung, die nach dem Scheitern der einzigen anderen Option auf eine Regierung – einer "Jamaika"-Koalition – kam, ist ein Zeichen für die Vertrauenswürdigkeit einer politischen Klasse, die ganz genau weiß, wo ihre Verantwortlichkeiten gegenüber den Wählern liegen. Man kann sagen, dass die Einigung eine gute Nachricht für die europäische Idee ist, die auch Italien unterstützt. Sie beendet die zu lange Abwesenheit Deutschlands vom gemeinsamen Gespräch, die Brüssel in diesen Monaten beunruhigt und teils wichtige Entscheidungen blockiert hat."

In der niederländischen Zeitung "de Volkskrant" aus Amsterdam heißt es: "Nun bleibt abzuwarten, ob SPD-Chef Martin Schulz seine kritischen Genossen für die sozial-ökonomischen Pluspunkte erwärmen kann, die er erreichen konnte. Die Christdemokraten meckern (noch) nicht hörbar über die Vereinbarungen. Zweifellos sind jedoch viele von ihnen nicht glücklich mit einer weiteren Vertiefung der europäischen Integration, zu der sich die künftige Große Koalition bekennt. Die AfD dürfte daraus Argumente für eine kräftige Oppositionspolitik gewinnen. Selbst wenn der SPD-Parteitag am 21. Januar einer Regierung Merkel/Schulz den Segen erteilt, wirkt diese Koalition zerbrechlicher als alle bisherigen in der Ära Merkel seit 2005."

Die spanische Zeitung "La Vanguardia" aus Barcelona schreibt: "Obwohl es einige Monate dauern wird, bis die Große Koalition in Berlin Wirklichkeit wird – man redet von einer Regierungsbildung zu Ostern – ist es eine Tatsache, dass die Einigung bei den Sondierungsgesprächen eine große Nachricht für Deutschland und für ganz Europa ist. Die Notwendigkeit, dass die deutsche Lokomotive das europäische Gemeinschaftsprojekt weiterhin vorwärts zieht, ist offensichtlich. Und noch mehr nach dem Brexit. Dass Berlin über eine stabile Regierung und über einen konkreten und machbaren Fahrplan verfügt ist gut für alle, für die Deutschen und auch für die Europäer."

"Die Presse" aus Wien kommentiert: "Von einer solchen Zwangsehe Aufbruchstimmung zu erwarten wäre fast unfair. Alle drei Parteichefs tragen ein Ablaufdatum auf ihrer Stirn. CSU-Chef Horst Seehofer musste bereits die halbe Macht abgeben: Markus Söder verdrängt ihn demnächst als Bayerns Ministerpräsident. Martin Schulz bleibt nur deshalb, weil sich auf die Schnelle kein Besserer gefunden hat. Und auch CDU-Kanzlerin Merkel musste sich schon während der Sondierungsgespräche öffentliche Erörterungen über die einsetzende Abenddämmerung ihrer Ära anhören. Der Winter der deutschen Matriarchin hat begonnen. Eine Vision hat sie auch auf ihrer Abschiedstournee nicht anzubieten."

Die "Neue Zürcher Zeitung" meint: "Die Konturen des Koalitionsprogramms, auf die sich die Parteien verständigt haben, verweisen auf die fortgesetzte Verwaltung des Aufschwungs, auf ein paar Umverteilungsmanöver bei den Sozialversicherungen, ein paar Milliarden Euro mehr für Schulen und Kindergärten sowie einige neue, die Unternehmen belastende Rechtsansprüche für Arbeitnehmer. Viel mehr ist da nicht. Das Reservoir an Ideen und Projekten der großen Koalition hat sich schon in der letzten Regierungsperiode erschöpft. Für Zukunftsgestaltung fehlt die Kraft.

Auch t-online.de hat die Ergebnisse der Sondierungen kommentiert: "Die Sondierungsbeschlüsse zur Europapolitik sind vielleicht nicht visionär, aber beherzt: mehr Integration, die Eurozone durch einen parlamentarisch kontrollierten Währungsfonds stärken – aber nicht den Fehler machen, die Schulden zu vergemeinschaften. Das ist richtig und es ist klug. Dass es reicht, um die Zustimmung der SPD-Basis für das Gesamtpaket zu bekommen, ist zweifelhaft", schreibt Chefredakteur Florian Harms in seinem Kommentar.

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Quelle:
- dpa

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