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Aktivisten von Fridays for Future verabreden die "Zerstörung der CDU"


Gesteuerte Kampagnen
Klimaaktivisten verabreden die "Zerstörung der CDU"

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

25.07.2021Lesedauer: 5 Min.
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Klimaschützer vs. CDU: Auf Telegram gibt es eine Gruppe "Zerstörung der CDU", die dort kurzfristige Kampagnen auf Twitter verabredet, um in die Trends zu kommen.Vergrößern des Bildes
Klimaschützer vs. CDU: Auf Telegram gibt es eine Gruppe "Zerstörung der CDU", die dort kurzfristige Kampagnen auf Twitter verabredet, um in die Trends zu kommen. (Quelle: imago-images-bilder)

Gesteuerte Aufregung über die CDU und Armin Laschet: Auf Telegram werden Kampagnen unter dem Motto "Zerstörung der CDU" verabredet. Aktivisten von "FridaysforFuture" spielen eine Hauptrolle.

Mit drei Smileys mit Partyhütchen kam die Meldung am Montagabend: "Wir zerstören die CDU Schritt für Schritt. Weil wir so viele sind, war #LaschetWussteEs heute in den Twitter-Trends." Die Nachricht ist aus einem Telegram-Kanal mit dem Namen "Zerstörung der CDU". Nach Recherchen von t-online steht er in Verbindung mit Klimaaktivisten von "FridaysforFuture".

Kanzlerkandidat Armin Laschet hatte in den vergangenen Tagen vielfach Anlass zu Diskussionen gegeben: Nordrhein-Westfalen war trotz Warnungen schlecht auf die Flut vorbereitet. Bei einem Auftritt von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lachte er im Hintergrund. Das hat viele Menschen empört, t-online schrieb vom "Ende des Teflon-Kandidaten", von dem Skandale bisher abgeperlt waren. Allerdings zeigt sich jetzt, dass manche Empörung in den sozialen Medien gesteuert ist. Aktionen, bei denen Uhrzeit und Hashtag abgesprochen sind, spülen Themen ganz nach oben. Die Absprachen finden bei Telegram statt.

Die WhatsApp-Alternative gilt in Deutschland meist als das Netzwerk der "Querdenker", Verschwörungsideologen und Neonazis, die dort vermeintlich ohne Konsequenzen alles Wirre posten können. Doch Telegram dient eben auch anderen Aktivisten dazu, Kampagnen zu steuern. Etwa, wie im aktuellen Fall, Klimaschützern gegen die CDU.

Kanal seit dem 30. Juni aktiv

Seit dem 1. Juli gibt es im Kanal "Zerstörung der CDU" regelmäßig Vorgaben, zu welcher Zeit gemeinsam auf Twitter bestimmte Hashtags genutzt werden sollen, um die Christdemokraten zu attackieren. Eröffnet wurde der Kanal am 30. Juni. Kurz darauf warb der offizielle Kanal von "FridaysforFuture": "Du möchtest verhindern, dass die CDU/CSU weiter unser Klima zerstört? Dann kannst du diesem Kanal beitreten. Dort wirst du informiert, sobald Tweet-Storms auf Twitter stattfinden (...)."

Das nutzen inzwischen 1.200 Menschen. Zum Teil tragen sie die Infos wiederum in anderen Gruppen. Etwa alle zwei Tage wird ein Hashtag vorgegeben, unter dem zu einer festgelegten Zeit getwittert werden soll. Für die Tweets wird auch eine vorbereitete Auswahl von Memes bereitgestellt, also aussagekräftige Bilder zum Teilen.

Durch eine Welle von konzertierten Tweets mit dem gleichen Hashtag kann dieser von Twitters Algorithmus in die Trends gespült und damit prominent angezeigt werden. Die Trends wiederum verfolgen viele Nutzer und auch Journalisten aufmerksam, weil sie suggerieren, welche Themen gerade viele Menschen umtreiben.

Andere Nutzer werden aufmerksam und springen auf – ein einmal losgetretenes Thema wird immer größer. Dazu tragen auch Nutzer bei, die unter dem Hashtag widersprechen.

Kleine aktive Gruppe reicht für Twitter-Trend

Das bedeutet: Eine kleine, sehr aktive Gruppe kann dafür sorgen, dass plötzlich ein Thema rege diskutiert wird. Und darauf folgt häufig eben auch eine Berichterstattung in den Medien, das Thema zieht Kreise über Twitter hinaus. Ein Hashtag in den Trends kann die öffentliche Meinung beeinflussen.

In Deutschland sei es vergleichsweise schnell möglich, in die "Trending Topics" zu kommen, erläutert Luca Hammer, Experte für Datenanalysen auf Twitter. "Es können schon ein paar hundert bis tausend Tweets ausreichen. Viele Tweets in einem kurzen Zeitraum bringen Begriffe höher als viel Volumen über längeren Zeitraum."

Die Hashtags in der Anti-CDU-Gruppe haben meist keinen Klimabezug. Bei einer der ersten Aktionen "#LaschetWelle" ging es um die Corona-Politik des NRW-Ministerpräsidenten, bei #ReichenUnion um die Sozialpolitik. Ein anderer Hashtag thematisierte Bezüge von Laschets Staatskanzleichef zu Opus Dei. Während der Flutkatastrophe wurden Hashtags wie #KatastrophenLaschet, #WarumLachtLaschet, #LaschetWussteEs und #Laschetschweigt ausgegeben.

Experte Hammer kann aus den Daten einiges lesen: "Man sieht recht gut, wie die Aktionen jeweils losgingen. Bei manchen Hashtags gab es schon zu Beginn mehr Tweets." Dann seien manche in der ersten halben Stunde eingebrochen und komplett abgeflacht. In anderen Fällen seien aber weitere Accounts dazukommen und die Hashtags richtig abgegangen, die "zündeten" also. "Die Aktionen, die funktionieren, sind auch viel länger aktiv und haben insgesamt ein größeres Volumen."

FFF-Aktivist steuert bei TikTok

Die Beteiligung sei gar nicht so groß: "Bis auf #LaschetWussteEs sind die Tweetmengen selbst für den deutschsprachigen Raum gering", so der Datenanalyst. "Da es jedoch gereicht hat, damit mehrfach in die Trends zu kommen, haben sie sicherlich eine hohe Sichtbarkeit bekommen."

Der Kanal "Zerstörung der CDU" nimmt aber nicht nur auf Twitter Einfluss. Auf TikTok, einer vor allem bei jungen Menschen populären App, gibt es ebenfalls eine Kampagne. Im Telegram-Kanal heißt es: "Wenn ihr auf TikTok Laschet verhindern wollt", solle man einem jungen Mann schreiben.

Doch wer steckt dahinter? Der junge Mann, der als Ansprechpartner für den TikTok-Kanal genannt wird, hat eine wichtige Rolle bei "FridaysforFuture" in NRW. Und bei der Frage nach dem Telegram-Kanal fällt im Presseteam der Name eines Sprechers der Organisation: Linus Steinmetz. Steinmetz erklärt, dass das einige Leute "privat" machten, und es keine Aktion von "FridaysforFuture" sei. "Der Gedanke ist bei mir aus spontaner Frustration entstanden, dass Leute immer noch Laschet wählen wollen, obwohl er nachgewiesen hat, dass er nicht qualifiziert ist." Über die Hashtags entscheide aber nicht er. Inzwischen zählten zum Team für den Kanal etwa 50 Leute.

Darunter seien einige von "FridaysforFuture", aber auch viele aus anderen Organisationen: "Manchen geht es um Migration und Flucht oder um Soziales." Es seien überwiegend Leute, die nach 2017 politisiert worden seien und wüssten, "wie man richtig mit Twitter umgeht, um Aufmerksamkeit zu erzielen".

Steinmetz findet es nicht kritikwürdig, dass die Aktionen verabredet werden. "Demos auf der Straße plant man ja auch vorher." Es finde ja nicht in geheimen Chatgruppen mit Zugangsbeschränkung statt, "in den Telegram-Kanal kann ja jeder".

Islamisten fluteten Twitter
Einer der aufsehenerregendsten Twitter-Stürme in Deutschland kam von Islamisten. Zwei Organisationen "Generation Islam" und "Realität Islam" hatten 2018 aufgefordert, gemeinsam "Twitter zu überfluten", um "den Islam zu verteidigen" – gegen ein mögliches Kopftuchverbot. Allein rund 1.000 Accounts wurden damals dazu neu angelegt, 130.000 Nachrichten mit dem Hashtag "#NichtohnemeinKopftuch" abgeschickt. Das ist ein Vielfaches der aktuellen "CDU zerstören"-Twitterstürme. Die Agenda hinter der Aktion fiel allerdings auch auf: Sie diente nach Ansicht von Fachleuten vor allem dazu, Anschluss an gemäßigte Muslime zu finden.

Das Phänomen der Tweet-Storms ist nicht neu: Die "Seebrücke", die die Aufnahme von Flüchtlingen aus überfüllten Lagern fordert, empfiehlt auf ihrer Seite Tweet-Storms, aber auch "gezielt einzelne Politikerinnen und Politiker auf Twitter mit den Grafiken zur Kampagne (zu)zuspamen". Ein ähnlicher Rat findet sich auch im Telegram-Kanal: "Geheimtipp: Aktionen in Kommentarspalten von Konservativen bieten viel Unterhaltung!"

AfD hatte Troll-Armee zur Unterstützung

Vor der Bundestagswahl 2017 waren AfD-Unterstützer noch viel weiter gegangen und hatten mit "Reconquista Germanica" auf einem Onlinedienst für Chat, Sprach- und Videokonferenzen buchstäblich eine Troll-Armee aufgestellt. Nutzer mit verschiedenen Gemeinhaltungsstufen für diverse militärische Ränge erhielten Vorgaben, was wann wie zu tun ist. Viele der Tweets waren menschenverachtend und rassistisch. Als Reaktion initiierte der Moderator Jan Böhmermann "Reconquista Internet": eine Gruppe, um Betroffenen beizustehen und rechten Accounts effektiver zu widersprechen.

Bei den Grünen, die besonders oft Ziel von Attacken werden, gibt es zudem eine "Netzfeuerwehr": Sie besteht laut Parteizentrale aus knapp 1.000 Mitgliedern, die Falschbehauptungen online gezielt melden und mit Klarnamen Gegenrede unter Beiträgen leisten. Ein Sprecher der Grünen erklärte, die Partei sei in die "CDU zerstören"-Kampagne nicht eingebunden. "Wir rufen auch unsere Mitglieder der Netzfeuerwehr nicht dazu auf, sich an Kampagnen solcherart zu beteiligen."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Telegram
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