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Schwarzer und Wagenknecht fordern "Frieden": Eine bodenlose Unverschämtheit


Schwarzer, Wagenknecht und andere
Das Bullshit-Bingo der Briefschreiber

MeinungVon Liane Bednarz

Aktualisiert am 27.03.2023Lesedauer: 5 Min.
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Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht: Liane Bednarz kritisiert das Duo scharf. (Quelle: IMAGO)

"Frieden" für die Ukraine fordern Sahra Wagenknecht, Alice Schwarzer und Gleichgesinnte. Stichhaltige Argumente haben sie nicht, dafür reichlich Fadenscheiniges. Meint Publizistin Liane Bednarz.

Vielleicht ist es wirklich ein deutsches Phänomen, das Briefschreibertum, also das Verfassen offener Briefe zuungunsten der Ukraine. Inzwischen sind bereits drei solcher Briefe erschienen: angefangen mit "Dem offenen Brief an Kanzler Scholz" vom 29. April 2022, den die Zeitschrift "Emma" initiierte, über den Appell "Waffenstillstand jetzt", den die Schriftstellerin Juli Zeh in der "Zeit" vom 29. Juni 2022 mit diversen Erstunterzeichnern lancierte bis hin zum "Manifest für Frieden" von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht vom 10. Februar 2023.

Eines jedenfalls hatten diese Appelle bisher zur Folge: Sie prägen den öffentlichen Diskurs in Deutschland. Kaum eine Talkshow zur Ukraine, in denen die Briefschreiberposition nicht vertreten ist, und sei es durch Nicht-Unterzeichner wie die SPD-Politiker Ralf Stegner und Rolf Mützenich, die aber in der Sache quasi dasselbe fordern.

Sie haben ein Problem

Doch nun haben die Briefschreiber ein ernsthaftes Problem: mit dem Erlass des internationalen Haftbefehls gegen Putin durch den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Denn sie müssen fortan erklären, wieso sie unbedingt Verhandlungen mit einem offiziell gesuchten Kriegsverbrecher haben möchten, dem die Deportation von Kindern nach Russland vorgeworfen wird. Statt ihn zu ächten und weiter militärisch zu schwächen.

Liane Bednarz, Jahrgang 1974, ist Juristin und Publizistin. Im Januar 2023 ist sie in die Ukraine gereist. Zusammen mit dem Sprecher der deutschen Schriftstellervereinigung PEN Berlin, Deniz Yücel, hat sie zwei Feuerwehrautos, Stromgeneratoren und weitere Ausrüstung in die ostukrainische Stadt Charkiw gebracht.

Hinzu kommt, dass es erste Anzeichen für Frustrationen im Milieu gibt. Kürzlich hat Ex-Brigadegeneral Erich Vad, sozusagen ein Star der Szene, der mit Wagenknecht und Schwarzer gemeinsam auf der Bühne stand, gegenüber der "NZZ" eingeschnappt seinen Rückzug aus der Öffentlichkeit erklärt. Statt sich der Tatsache zu stellen, dass er – auch die "NZZ" nennt diverse Beispiele – mit seinen Prognosen zulasten der Ukraine seit Kriegsbeginn so gut wie immer falsch lag und dafür außerhalb des Briefschreibertums Spott erfuhr, jammert und wehklagt er lieber über "Häme" ihm gegenüber.

Bizarrerweise war kein einziger der prominenten Briefunterzeichner, zumindest soweit bekannt, im Krieg in der Ukraine. Würden sie dorthin reisen, dann würden sie schnell merken, dass die Verteidigung des Landes kein territorialer Selbstzweck und es auch nicht Hass auf Putin ist, der die Ukrainer antreibt. Die Ukrainer möchten sich nur das bewahren, was im bequemen Leben der Briefschreiber garantiert ist: Selbstbestimmung und Freiheit.

Unerträgliche Vorstellung

Die Vorstellung, Teil der russischen Diktatur zu werden, ist für sie unerträglich. Das tägliche Grauen in den besetzten Gebieten hat ihnen klar vor Augen geführt, was Menschen bevorstünde, deren Lebensgebiet im Zuge der von den Briefschreibern erträumten "Verhandlungslösung" oder "Kompromissen auf beiden Seiten" Russland zugeschlagen wird. Ich habe in Butscha und einem Dorf vor Kiew mit Menschen gesprochen, die während der Besatzung Nachbarn und Bekannte erschossen auffanden.

Die Briefschreiber und sonstige Friedensbewegte kümmert das anscheinend wenig. Stattdessen haben sie sich in den immer gleichen Buzzwords und Phrasen eingerichtet, einer Art Bullshit-Bingo, immer erwartbar. Im Kern sind es vier Figuren, die beständig wiederholt werden: "Eskalationsdominanz" aufseiten Putins, "eine Atommacht kann man nicht besiegen", "die ukrainischen Opfer" und "Bellizismus". Keine davon überzeugt.

Vor allem der Hallenser Politikwissenschaftler und Zeh-Briefunterzeichner Johannes Varwick, der regelrecht herumgereicht wird, auch in Form von Gastbeiträgen in Zeitungen oder Veranstaltungseinladungen, trägt den Begriff "Eskalationsdominanz" wie eine Monstranz vor sich her. Doch auch Zehs Brief spricht von einem "manifestem Eskalationsrisiko", während Wagenknecht und Schwarzer Ängste vor "einem 3. Weltkrieg" schüren.

Aber entspricht das der Realität? Putin hat Niederlage über Niederlage erlitten. Mittlerweile ist der Krieg primär wieder dort, wo er 2014 angefangen hat: im Donbass. Aus Kiew, den Regionen im Nordosten und sogar Cherson im Süden musste der Kremldespot sich geschlagen zurückziehen. Kiew und Odessa konnte er nie einnehmen. Über Russlands Armee und ihre dilettantische Kriegsführung wird quasi von Beginn an weltweit gespottet.

Nur Drohungen

Gewiss, aus Putins Umfeld wurde mit einem Atomwaffeneinsatz gedroht und gedroht und gedroht. Vor ein paar Wochen erst fing Ex-Präsident Dmitri Medwedew wieder damit an. Andererseits aber hat das russische Außenministerium bereits im Mai 2022 atomare Pläne dementiert.

Vor allem aber hat jeder Schritt, den die Briefschreiber nicht wollten, der dann aber doch gegangen wurde, evident nicht zu einem Einsatz von (taktischen) Atombomben geführt. Weder die Lieferung von Schützenpanzern, weder das Trainieren ukrainischer Soldaten im Westen an westlichen Waffensystemen noch jetzt die Zurverfügungstellung von 67 Leopard-2-Kampfpanzern. Der Einsatz von Atomwaffen ergibt für Putin keinen Sinn. Er weiß, dass sich spätestens dann auch China und Indien final von ihm abwenden werden. Das kann er wirtschaftlich nicht riskieren. Die einzige Konstellation, die denkbar wäre, ist eine Art erweiterter Suizid aus Verzweiflung über den desolaten Kriegsverlauf.

Aber darüber entscheidet Putin nicht allein. Und so verrückt, das zu wollen, dürften kaum alle in seinem Umfeld sein. Insofern stufen Experten auch Putins jüngste Ankündigung, in Belarus taktische Atomwaffen zu stationieren, als bloßes Säbelrasseln und Einschüchterungsversuch gegenüber der Nato ein, die ihn militärisch nicht weiterbringe. Die USA haben ebenfalls entspannt reagiert. Aber sehr wahrscheinlich werden die Briefschreiber diese Ankündigung benutzen, um wieder Ängste zu verbreiten und Verhandlungen zu fordern.

Zu dem zweiten Hauptargument der Briefschreiber, man könne eine Atommacht nicht besiegen, ist schon alles gesagt und etwa auf Vietnam und die Niederlage der Sowjets in Afghanistan verwiesen worden. Die Empathie mit den Opfern wiederum wirkt vorgeschoben, instrumentell und vor allem paternalistisch, denn über den Preis, den sie selbst für ihre Freiheit zahlen wollen, müssen die Ukrainer schon selbst entscheiden.

Und mit "Bellizist" zu suggerieren, Unterstützer der Ukraine hätten Lust am Krieg, ist nichts weiter als eine bodenlose Unverschämtheit. In puncto Motivlage ist zudem stets zu fragen, ob hinter der Sehnsucht nach Frieden mit Russland nicht doch auch flagranter Antiamerikanismus steht. Es dauert nicht lange, bis man fündig wird. "Ami, it's time to go" heißt das neue Buch von Oskar Lafontaine, dem Ehemann Sahra Wagenknechts, der ihren Appell unterzeichnet hat und ebenfalls mit ihr auf der Bühne stand.

Nichts als Unsinn

Darin behauptet er verschwörungstheoretisch, die USA hätten "2014 einen Putsch auf dem Maidan organisiert und finanziert", um "eine Marionettenregierung einzusetzen". Ich kenne Ukrainer, die damals in der Maidan-Bewegung aktiv waren. Sie haben aus einem inneren Antrieb heraus um die Westbindung gekämpft. Oskar Lafontaine erzählt schlichtweg Unsinn. Überhaupt schauen Ukrainer einen entgeistert an, wenn man ihnen von den Forderungen im deutschen Briefschreibertum erzählt.

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Sie reagieren zurecht empfindlich auf diesen kolonialen Blick auf ihr Land. Der deutsche Publizist Sascha Lobo hat ebenfalls mit einer Sache recht: Er stufte das ganze Friedensmilieu, schon im April 2022, also noch vor dem eigentlichen Briefschreibertum, als egozentrischen "Lumpenpazifismus" ein. Ein Friedensmilieu, das keine schweren Waffen liefern, sehr wohl aber Kompromisse mit und damit Gebietsabtretungen an Putin will. Die Briefschreiber objektivieren die Ukraine und setzen den deutschen kolonialen Blick auf die Ukraine fort.

Sie wollen nicht erkennen, dass eine in der unabhängigen Ukraine gewachsene demokratische Zivilgesellschaft sich gegen die russische Aggression wehrt, sie reduzieren den Krieg zu einem angeblichen Stellvertreterkrieg und machen die Ukraine zu einem geopolitischen Verschiebebahnhof. Aus dem "Nie wieder", worauf auch Bundeskanzler Scholz in seiner letzten Regierungserklärung hingewiesen hat, machen die Briefschreiber ein schlichtes "Nie wieder Krieg". Viel wichtiger ist es aber, nicht wegzusehen, sondern schützend zu helfen, wenn wieder ein Volk brutal überfallen und ermordet wird.

Am Ende ist es dieses falsch und egoman verstandene "Nie wieder", mit dem ausgerechnet Nachfahren des deutschen Tätervolks ganz und gar unrühmlich in den Geschichtsbüchern landen werden. Als Appeaser eines Kriegsverbrechers, der Kinder deportiert.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben die Meinung der Autorinnen und Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

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