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US-Wahl: Experte Voßkuhle warnt vor Trump-Sieg und Ende der Demokratie


Interview
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Ehemaliger oberster Verfassungsrichter
"Das wird ein Kipppunkt sein"


Aktualisiert am 04.11.2024Lesedauer: 11 Min.
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Donald Trump: Der Verfassungsrechtler Andreas Voßkuhle rechnet dem republikanischen Kandidaten bessere Chancen zu. (Quelle: Patrick Semansky/dpa)

Wird die US-Wahl zu einem Wendepunkt für die Demokratie weltweit? Inwieweit steht diese Staatsform auch hierzulande existenziell unter Druck? Im t-online-Podcast findet Andreas Voßkuhle klare Worte.

Ein Büro in einem der Hochhäuser von Manhattan. Andreas Voßkuhle blickt über den Big Apple und auf ein politisch aufgeladenes Land, wenige Tage vor den Präsidentschaftswahlen. Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts räumt die letzten technischen Schwierigkeiten aus dem Weg und setzt sein Headset auf. Dann kann es losgehen. Lesen Sie hier das Podcast-Interview mit dem Rechtsprofessor leicht gekürzt im Wortlaut.

Herr Voßkuhle, Sie sind gerade zu einem Forschungsaufenthalt in den USA. Wie nehmen Sie die Stimmung aktuell wahr?

Andreas Voßkuhle: Die Stimmung ist sehr unterschiedlich. Es kommt darauf an, ob man sich in einem sogenannten Swing State befindet. Ich selbst bin in New York und New York ist traditionell demokratisch geprägt. Hier findet kaum Wahlkampf statt, auch wenn es vor Kurzem die große Veranstaltung von Donald Trump im Madison Square Garden gegeben hat. Aber eigentlich spürt man sonst nichts vom Wahlkampf. Der Wahlkampf wird in den Swing States Arizona, Georgia, Michigan, Nevada, North Carolina und Pennsylvania geführt. Und es ist tatsächlich unklar, wer gewinnen wird.

Das verändert sich auch. Wir hatten erst einen starken Trump, dann kam Harris, hat ein paar Punkte gemacht und war etwas dominanter. Jetzt ist sie etwas blasser geworden. Das erste Momentum ist verflogen und Trump wird wieder etwas stärker. Aber einige der Vorredner haben sich auf der Veranstaltung hier im Madison Square Garden relativ abschätzig über Latinos und deren Herkunft geäußert. Das hat ihn wieder Sympathien gekostet. Wir sehen also, es ist ein Hin und Her. In den eigentlichen Swing States ist der Wahlkampf sehr, sehr hart. Und was vielleicht für uns ganz interessant ist: Der wesentliche Wahlkampf wird jetzt als dieser Wahlkampf geführt. Das heißt, die Helferinnen und Helfer der beiden großen Parteien ziehen von Tür zu Tür und versuchen, für ihren Kandidaten bzw. ihre Kandidatin zu werben.

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Welche Auswirkungen könnte das jeweilige Wahlergebnis auf Deutschland, Europa, die Welt und vielleicht auch die liberale Demokratie im Allgemeinen haben?

Mit Kamala Harris wird sich jetzt nicht sehr viel verändern zu der Situation mit Joe Biden. Davon gehen alle aus, dass das weiter stabil wird. Gutes Verhältnis zu Europa, starke Nato-Partnerschaft und weitere Unterstützung der Ukraine. Intern wird hier dann sicherlich noch mal darüber nachgedacht, ob man die Wirtschaft etwas ankurbeln kann durch Förderprogramme.

Umgekehrt, wenn Trump gewinnen sollte, wird das ein Kipppunkt sein für die demokratische Entwicklung in den USA, weil Trump diesmal sehr viel besser vorbereitet ist als das letzte Mal, als er gewonnen hat. Es stehen ungefähr 4.000 bis 5.000 Leute bereit, Ämter zu übernehmen und in seinem Sinne zu agieren. Er hat angedeutet, dass er zwar am demokratischen System grundsätzlich festhalten will, aber er auch an Modifikationen denkt. Und wir müssen uns auch mit dem Schlimmsten beschäftigen, dass er hier ein autoritäres System etabliert und versuchen wird, dauerhaft den Republikanern die Macht zu sichern. Die Kolleginnen und Kollegen hier in New York sind erstaunlich gelassen.

Wie erklären Sie sich das?

Das liegt daran, dass die USA mit Polarisierung eine ganz andere Erfahrung haben. Also denken Sie an den Bürgerkrieg, denken Sie an die McCarthy-Ära, als die Kommunisten verfolgt wurden. Denken Sie an die Anti-Vietnam-Bewegung. Das waren ganz große Herausforderungen für das Land. Man hat da ganz stark miteinander gekämpft. Die Polarisierung beunruhigt auch viele erfahrene Politikwissenschaftler, Juristen, Ökonomen nicht so sehr, wie das bei uns der Fall ist, weil wir natürlich eine andere geschichtliche Erfahrung haben. Wir sind da etwas ein gebranntes Kind und wissen, dass Systeme eben gekapert werden können. Wir haben es auch aktuell gesehen in Europa, Polen und Ungarn. Deshalb sind wir da vorsichtiger und ich bin erstaunt, dass viele meiner Kollegen hier sagen: Ja, Trump, ihn wollen sie natürlich nicht, aber wenn er es noch mal macht, das wäre dann auch nicht schlimm für die amerikanische Demokratie. Die gibt es seit weit über 200 Jahren und die hat funktioniert und die wird auch weiter funktionieren.

Sie haben gesagt, man muss sich mit dem Schlimmsten beschäftigen, also dass es auch autoritäre Züge annehmen kann, wenn Donald Trump eine zweite Amtszeit bekommt. Ein Vorgeschmack davon hat es in seiner ersten Amtszeit schon gegeben, als er den Supreme Court personell umgekrempelt hat. Hier in Deutschland wird an einer Reform des Bundesverfassungsgerichts gearbeitet. Es soll besser geschützt werden vor politischer Einflussnahme. Ist das richtig oder letztlich ein trauriges Zeichen? Wir sind immerhin 75 Jahre gut ohne so eine Schutzmauer klargekommen.

Grundsätzlich ist das keine schlechte Idee, das zu machen. Es hat historische Gründe, dass die meisten Regelungen zum Bundesverfassungsgericht nicht im Grundgesetz stehen. Man hat es in gewisser Weise vergessen, weil es gut lief. Und jetzt, in einer Phase, in der man etwas hellhöriger geworden ist, weil die Verfassungsgerichtsbarkeit insgesamt auf der Welt unter Druck geraten ist und wir von einer weltweiten Krise der Verfassungsgerichtsbarkeit sprechen können, möchte man in eher noch ruhigen Zeiten vorbereitet sein. Das halte ich für grundsätzlich vernünftig. Es zeigt aber, und da gebe ich Ihnen recht, dass wir mittlerweile etwas wacher sind und dass wir nicht mehr davon ausgehen, dass unser System, unsere demokratische, freiheitliche Verfassungsordnung unangreifbar ist und dass man sie für sich nicht einsetzen muss.

Insofern ist das ein Zeichen dafür, dass die Zeiten rauer werden und wir uns mit unseren Grundfragen und den Fundamenten unseres Staates mehr beschäftigen müssen. Die westliche Demokratie ist eben nicht selbstverständlich. Sie ist noch relativ jung, wenn Sie auf die ganze Menschheitsgeschichte schauen. Demokratie ist kein einfaches Spiel. Demokratie tut sich immer schwer. Demokratie hat immer mit funktionalen Problemen zu kämpfen. Das war von Anfang an so, das ist auch heute so. Es ist aus meiner Sicht immer noch weitaus das beste politische System, das die Freiheit der Bürger schützt, zu Wohlstand führt und ein gutes Leben ermöglicht. Aber es ist kein Selbstläufer, und das sehen wir gerade. Und deshalb, glaube ich, müssen wir uns noch stärker für dieses System engagieren, als wir das vielleicht vorher getan haben.

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Würden Sie denn sagen, dass es wirklich realistisch ist, dass populistische Kräfte wie die AfD unsere Demokratie derart aushebeln, dass sie auch daran zerbricht?

Heute werden solche Revolutionen nicht mehr mit Panzern und Raketen durchgeführt oder dem Besetzen des Rundfunks und des Flughafens. Sondern heute geht das so Richtung Salamitaktik. Diese Kräfte versuchen immer wieder, einen Stein aus dem Ensemble der demokratischen Garantien herauszubrechen. Wir müssen uns klarmachen: Was bedeutet Demokratie im Kern? Im Kern bedeutet Demokratie nicht Mehrheitsentscheidung. Das wird häufig etwas verkürzt, sondern im Kern bedeutet die Demokratie, dass die Minderheit bereit ist, die Entscheidung der Mehrheit zu akzeptieren, wenn sie selbst die Chance hat, zur Mehrheit zu werden. Sonst gibt es für die Minderheit keinen guten Grund, das zu tun.

Deshalb müssen die Voraussetzungen geschaffen werden dafür, dass die Minderheit zur Mehrheit werden kann. Und dazu gehören natürlich Wahlen, die durchgeführt werden, die mit all den Wahlgrundsätzen, die wir haben, versehen werden müssen. Dazu gehört aber auch Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Rundfunkfreiheit, Pressefreiheit. Dazu gehören gesellschaftliche Verbände, dazu gehören Oppositionsrechte wie die Einberufung eines Untersuchungsausschusses, Fragerechte im Bundestag, im Parlament und Ähnliches. Also ein ganzes Ensemble von Garantien, die dazu führen, dass ich als Bürger darauf vertrauen kann, dass, wenn ich mit meiner politischen Ansicht in der Minderheit bin, ich die Chance habe, eine effektive Chance habe, zur Mehrheit zu werden. Und das ist der Grund für mich, die Entscheidung der Mehrheit zu akzeptieren. Das ist das Versprechen der Demokratie. Deshalb gehört Opposition auch zur Demokratie. Das sind nicht etwa die Feinde der Demokratie, sondern das sind die, die vielleicht die nächste Regierung stellen. Und deshalb sollte man mit denen auch dementsprechend umgehen.


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"Die drei Koalitionäre blockieren sich selbst"


Andreas Voẞkuhle


Vor dem Hintergrund eines geschwundenen Vertrauens in die etablierten Parteien, wie sehen Sie in diesem Lichte das Gebaren der Ampelregierung?

Das ist eine schwierige Frage. Wir sind, glaube ich, alle nicht sehr begeistert von dem, was die Regierung im Augenblick leistet, unabhängig davon, aus welchem politischen Lager wir sind. Deutschland ist in einer schwierigen Situation. Wir haben einen Reformstau in vielen Bereichen, und man hat nicht das Gefühl, dass der gordische Knoten hier durchgeschlagen werden kann, sondern dass sich die drei Koalitionäre irgendwie blockieren und sich selbst das Leben schwer machen. Und das ist sicherlich keine gute Situation für das Land.

Natürlich kann keiner ganz genau hinter die Gardinen schauen, was da stattfindet, aber es ist sicherlich keine Situation, die uns mit Zuversicht erfüllt. Und viele hätten sich vielleicht auch einen Bundeskanzler gewünscht, der Dinge noch klarer kommuniziert und vielleicht einige Entscheidungen etwas auch klarer und energischer trifft. Wir hatten eine sehr große Rede von ihm nach dem Ausbruch des Ukrainekriegs, zur Zeitenwende, die, glaube ich, viele berührt hat. Und unabhängig davon, ob es nun Sozialdemokraten, Christdemokraten oder Liberale waren, die das für vernünftig hielten, erwarteten sie gleichzeitig: "Jetzt muss was kommen." Und dann ist aber bisher nicht so viel gekommen, wie sich manche das erhofft haben. So möchte ich das mal vorsichtig formulieren. Insofern sind wir in keiner beneidenswerten Situation.

Es gibt derzeit die Debatte über ein mögliches Verbot der AfD. Was sagen Sie dazu? Wäre ein solches Verbot Ihrer Einschätzung nach sinnvoll und auch realistisch umsetzbar?

Da muss ich mich zurückhalten, weil meine Kollegen und Kolleginnen ja vielleicht tatsächlich auch mit so einem Verfahren konfrontiert sind. Mir scheint es wichtig zu sein, dass man sich klarmacht, dass die politische Frage, ob man ein solches Verbotsverfahren durchführt, eine ganz andere Dimension hat als die Frage, ob das juristisch klappt. Ob die Voraussetzungen vorliegen, ist so nicht einfach zu sagen. Und wer so tut, als wüsste er das, der argumentiert nicht seriös.

Sie müssen ganz genau hinschauen, was denn in den letzten Monaten verlautbart worden ist, wie sich die Parteispitze dazu verhalten hat. Sie müssen schauen, mit welcher Nachhaltigkeit das gemacht worden ist. Das ist wahrscheinlich sehr viel schwerer als in dem NPD-Verfahren, in dem viele Dinge schon im Parteiprogramm drinstanden, die problematisch sind.


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"Ich ermorde damit meinen politischen Gegner"


Andreas Voẞkuhle


Wie kann es sein, dass eine Partei vom Verfassungsschutz in den Ländern jedenfalls als gesichert teilweise rechtsextrem eingestuft wird? Wie kann es sein, dass hochmögende Repräsentanten einer Partei offiziell als Faschisten bezeichnet werden können, ohne dass damit der Weg klar ist, dass diese Partei verboten werden kann? Um Hape Kerkeling an dieser Stelle zu zitieren: Er hat gesagt, wenn ich ein Glas Mineralwasser habe und ich mache einen Schluck Kloakenwasser rein, dann kann ich dieses Mineralwasser nicht mehr trinken. Dann ist es Kloakenwasser. Also warum reicht das nicht hin?

Die Anforderungen sind hoch. Das ist auch richtig so, da das Parteiverbotsverfahren die schärfste Waffe in der Demokratie ist. Also "ich ermorde meinen politischen Gegner" in Anführungsstrichen, deshalb muss man da vorsichtig sein. Die Einschätzung des Verfassungsschutzes ist ein wichtiger Aspekt. Der wird natürlich auch vom Bundesverfassungsgericht berücksichtigt. Aber das Gericht muss sich selbst einen Eindruck von den Dingen machen und genau hinschauen. Da kann es auch zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen. Was einzelne Personen angeht, so muss man fragen, inwieweit sind die dominant und führen dazu, dass die gesamte Partei davon infiziert wird. Und da würde man mit dem Bild des Kloakenwassers nicht so richtig weiterkommen, weil wir das auch in anderen Situationen haben, dass nicht Einzelne eine ganze Gemeinschaft desavouieren können.

Wieso nicht?

Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wir gehen zusammen auf eine Versammlung und
demonstrieren für Europa. Und dann gibt es drei, vier in unserer Gruppe, die gewalttätig werden, mit denen wir aber eigentlich gar nicht so viel zu tun haben, und das gefällt uns auch alles nicht. Das würde uns dennoch als Gruppe zugeschrieben. Das ist genau so eine Situation, wie wir sie auch im Parteiverbotsverfahren haben. Man kann Dinge unter bestimmten Voraussetzungen zurechnen, aber man kann nicht, nur weil ein oder zwei Leute sich völlig danebenbenommen haben, deshalb eine ganze Partei ohne Weiteres verbieten.

Vor diesem Problem stehen wir. Ich will das jetzt nicht nach einer Seite auflösen, aber wie gesagt, dazu wissen wir zu wenig über die gesamte Lage in der Bundesrepublik, was die AfD angeht. Da ist ein Problem und deshalb ist es nicht so einfach, dass man von einem Verfassungsschutzbericht und Äußerungen einzelner AfD-Politiker auf ein Parteiverbot schließen kann.

Jetzt haben Sie vor allem die juristische Umsetzbarkeit analysiert. Halten Sie ein AfD-Verbot für dennoch persönlich für sinnvoll?

Na ja, politisch muss man, glaube ich, anders darauf schauen. Politisch muss man fragen: Was kann man gewinnen und wie lange wird das dauern? Kommt so ein Parteiverbot rechtzeitig, kann ich das doch für die Wahl nutzen? Ich glaube, da muss man realistisch sein. Mir scheint es unrealistisch zu sein, bis zur nächsten Bundestagswahl im kommenden Jahr ein solches Parteiverbotsverfahren zu beenden. Man kann gute Gründe finden für ein solches Parteiverbotsverfahren, man kann aber auch ein paar gute Gründe finden, die zeigen, das könnte ein Schuss nach hinten sein. Es könnte die AfD stärker machen für die kommende Wahl und den kommenden Wahlkampf, weil dann einige Bürgerinnen und Bürger das Gefühl haben, die Alternative wird aus dem Spiel genommen. Und das machen die, die an der Macht sind.


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"Wir brauchen eine Strukturreform des Staates"


Andreas VoẞKuhle


Denken Sie, dass die Reform des Bundesverfassungsgerichts ausreichen wird, um gegen diese populistischen Kräfte anzukommen? Oder gibt es noch weitere Parameter, was man darüber hinaus machen kann: politisch, juristisch, aber auch gesellschaftlich?

Das Entscheidende wird sein, ob wir größere Teile der Gesellschaft davon überzeugen können, dass sie sich demokratisch engagieren müssen und dass sie sich für demokratische Parteien engagieren müssen. Und da haben wir im Augenblick das Problem. Die Reform der verfassungsrechtlichen Absicherung des Bundesverfassungsgerichts ist ein eher kleiner Baustein in diesem Gesamtkonzept, der aber natürlich auch eine gewisse Wichtigkeit hat. In der Situation, in allen Situationen scheint es mir zentral zu sein, dass wir es schaffen, den Teil der Gesellschaft, der sich vom politischen System abgewendet hat, wieder zurückzugewinnen. Wir müssen uns für unseren Staat einsetzen, wir müssen uns kümmern. Und wir müssen unseren Staat wieder funktionsfähig machen. Der muss insgesamt besser funktionieren. Das muss für den Bürger, für die Bürgerin sichtbar sein.

Was haben Sie da insbesondere im Blick?

Genehmigungsverfahren, die Dauer von Gerichtsverfahren, die Infrastruktur, denken Sie an Bahn, Autobahnbrücken, Schulen, Universitäten. Wir brauchen eine Strukturreform des Staates, und wir brauchen eine Aufbruchsstimmung, dass man die Dinge wieder in die Hand nimmt und besser macht. Wir haben auch im Bereich der Digitalisierung sehr viel nachzuholen. Die berühmten Faxgeräte in der Pandemie will ich hier nur noch mal in Erinnerung rufen.

Herr Voßkuhle, Sie sind schon zweimal dafür infrage gekommen, Deutschland an oberster Stelle zu dienen, als Bundespräsident. Wie würden Sie heute auf einen Anruf reagieren, wenn Sie noch mal gefragt würden? 2027 muss es einen neuen Bundespräsidenten geben.

Solche Entscheidungen muss man dann treffen, wenn sie an einen herangetragen werden. So war das damals auch. Ich bin tatsächlich gefragt worden im Nachgang des Ausscheidens von Herrn Wulff aus dem Amt, dann als Nachfolger von Herrn Gauck. Und die Mehrheiten waren auch jeweils sicher. Insofern konnte ich mich da frei entscheiden und habe das aus einem ganzen Bündel von Gründen dann nicht gemacht. Wie das sein würde, wenn ich wieder gefragt werde, das weiß ich nicht, halte es aber für sehr unwahrscheinlich, dass man mich noch ein drittes Mal fragt. Insofern werde ich mich auch mit dieser schwierigen Frage jetzt nicht beschäftigen müssen.

Professor Voßkuhle, vielen Dank für das Gespräch.

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