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Putins Infokriegerin Alina Lipp: EU belegt erstmals Deutsche mit Sanktionen


Alina Lipp und Thomas Röper
EU belegt deutsche Kreml-Propagandisten mit Sanktionen


Aktualisiert am 20.05.2025 - 17:27 UhrLesedauer: 6 Min.
Sanktioniert: Die Deutschen Alina Lipp und Thomas Röper, hier mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow.Vergrößern des Bildes
Sanktioniert: Die Deutschen Alina Lipp und Thomas Röper (r.), hier mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow. (Quelle: Screenshot Telegram)
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Politiker, Militärs, große Konzerne und Tanker standen schon auf der Sanktionsliste der EU gegen Russland. Seit Dienstag finden sich dort auch zwei Deutsche, die für Russland Propaganda machen.

Alina Lipp lebt schon seit 2021 nicht mehr in Deutschland. Aus Russland zurückkehren will die 31-Jährige allenfalls "auf einem Panzer" sitzend, schrieb sie am Dienstag auf X. Die martialische Ankündigung kommt von einer Frau, die seit Jahren prorussische Propaganda und regelmäßig Desinformation verbreitet. Sie zeigt zum einen, dass Lipp offenbar mit Deutschland abgeschlossen hat. Zum anderen ist es die Reaktion auf eine Entscheidung, wie sie in der EU noch nie getroffen wurde.

Die EU hat am Dienstag zum ersten Mal deutsche Staatsbürger mit Russland-Sanktionen belegt. In der Liste des aktuellen Pakets, das beim Treffen der Verteidigungsminister in Brüssel angenommen wurde, stehen der Name von Lipp und der von Thomas Röper, der mit ihr eng verbunden ist und sie "Schatzi" nennt. Beide haben die deutsche Staatsbürgerschaft, leben aber inzwischen in Russland. Damit stellt sich die Frage: Haben die Sanktionen Folgen für die beiden?

Sie haben sich darüber schon Gedanken gemacht – weil es im Vorfeld Hinweise auf diese Maßnahme gab: Das Portal "Correctiv" hatte exklusiv berichtet, dass die beiden in einem Entwurf für das Paket genannt werden. Lipp kommentiert in einem Video, eingefrorene Gelder in der EU seien für sie kein Problem. Röper erklärt in dem gleichen Video: "Vermögen haben wir da nicht."

Beide leben seit Jahren in Russland

Der aus Bremen stammende Röper (53) lebt seit gut 20 Jahren in Russland, veröffentlichte Bücher mit Putin-Reden oder verschwörungsideologische Werke etwa über die "wahren Ziele und Hintermänner hinter Corona". An diesem Punkt könnten ihn die Sanktionen dann doch treffen. "Mein Verlag, der Kopp-Verlag, kann mir vielleicht von Dienstag an kein Geld mehr schicken." Auch Spender seines Blogs müsse er vielleicht auffordern, ihn nicht mehr zu unterstützen. "Umgehung der Sanktionen könnte eine Straftat sein."

Lipp war vor vier Jahren ihrem russischen Vater zunächst auf die Krim hinterhergezogen, führte dort dann den deutschen Zweig eines Vereins "Freunde der Krim" und hatte einen YouTube-Kanal zur Krim. Im November 2021 zog sie nach Donezk im besetzten Teil der Ukraine. Dort hielt sie sich auch auf, als die russische Armee im Februar 2022 die Ukraine überfiel.

Ihre Reaktionen auf den Angriff machten damals schon sehr klar, wie stark sie für Russland Partei ergreift: "Die Denazifikation hat begonnen", schrieb Lipp in ihrem Telegram-Kanal. Die russische Armee befreie die betroffenen Regionen von einem "Genozid" in der Ukraine: Es war die Sicht des Kreml, die sie fortan verbreitete.

Vier Verfahren gegen Lipp vorläufig eingestellt

Die Staatsanwaltschaft Göttingen leitete bald Ermittlungen wegen Belohnung oder Billigung von Straftaten ein. Wegen dieses Vorwurfs sind noch zwei Verfahren gegen Lipp anhängig. Ein weiteres gibt es wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und eins wegen verbotener Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen, weil sie einen Gerichtsbeschluss veröffentlicht hatte. Die Verfahren sind vorläufig eingestellt – weil Lipp für die deutschen Behörden unerreichbar ist.

In ihrem Kanal teilt sie regelmäßig verzerrende "Analysen" zur Situation in der Ukraine oder erfundene Geschichten aus Russlands Desinformationsapparat, die Deutschland diskreditieren und Aufregung schüren sollen. Der Europäische Rat* begründet Lipps Aufnahme auf die Sanktionsliste entsprechend: Sie verbreite systematisch Fehlinformationen über den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, damit die deutsche Bevölkerung die Ukraine weniger unterstütze. Sie beteilige sich an Handlungen der russischen Regierung, "die die Sicherheit und Stabilität in der Union und in einem Drittland (Ukraine) untergraben oder bedrohen, durch den Einsatz koordinierter Informationsmanipulation und Einflussnahme".

Lipps Bedeutung für den russischen Propagandaapparat wuchs nach Beginn des Krieges schnell. Mit oder ohne Thomas Röper tauchte sie bei einem Referendum in den besetzten Gebieten auf, bei Terminen der Bürgerkammer in Moskau und beim Treffen der internationalen Russophilen-Bewegung. Gemeinsam lächeln sie auf einem Foto mit Außenminister Sergej Lawrow. Zwischenzeitlich sind beide auch Mitgründer einer Organisation, die Menschen aus "feindseligen Ländern" nach Russland locken soll – angeführt von Maria Butina, in den USA verurteilte Spionin, die heute Duma-Abgeordnete und Putins Frau für Zuwanderung aus dem Westen ist. Lipps Abonnentenzahl auf Telegram wuchs zunächst stark und stagniert inzwischen bei 180.000. Ihren Followern liefert sie täglich mehrere Postings auf Russisch und Deutsch, die auch von anderen Kanälen geteilt werden.

Krah, Medwedtschuk, Bystron.
Krah, Medwedtschuk, Bystron. (Quelle: Facebook/Maximilian Krah)

"Voice of Europe" – Medienportal mit AfD-Verbindungen

Mit der Erweiterung der Sanktionen rückt auch ein Medienportal erneut in den Blick, das im vergangenen Jahr in die Schlagzeilen geraten war: "Voice of Europe". Das Portal wurde mit Schmiergeldzahlungen an europäische Politiker in Verbindung gebracht und galt als Instrument in einem Einflussnetzwerk. Durchsuchungen bei einem Mitarbeiter des AfD-Abgeordneten Maximilian Krah standen damit in Verbindung. Krah und sein Parteifreund Petr Bystron bestritten, Zahlungen erhalten zu haben. Beide gaben dem Medienportal Interviews. "Voice of Europe" wurde bereits im vergangenen Jahr EU-weit gesperrt. Nun wurden die Sanktionen erweitert und richten sich auch gegen den prorussischen ukrainischen Finanzier Viktor Medwedtschuk und Männer in seinem Umfeld.

Jetzt sorgen sich Lipp und Röper wegen der Sanktionsliste um ihre Kanäle. Werden sie als Folge zeitnah gesperrt – ganz oder zumindest für Nutzer aus der EU? Lipp war schon mal auf X gesperrt, ihr Account ist inzwischen aber wieder aktiv. Sie deutete bereits an, dass es eine technische Lösung gebe, mit der Nutzer aus der EU eine Sperrung ihres Telegram-Kanals umgehen könnten. Röper, der auch auf YouTube ist, setzt auf andere Plattformen und mögliche Auftritte bei Kanälen anderer, "wenn dann nicht alles gesperrt wird".

Rechtsextremes Compact-Magazin mit Solidaritätsvideo

Lipp sagte, der Schritt habe sie nicht geschockt. Sie rechne aber noch mit einer anderen Konsequenz: "Uns als deutschen Bürgern wird die Einreise nach Deutschland verboten, das muss man erst mal sacken lassen." Ob ein Einreiseverbot infolge der Sanktionen auch für EU-Bürger gilt, ist allerdings noch nicht bestätigt. Nicht-EU-Bürger auf der Liste dürfen tatsächlich nicht mehr innerhalb der EU reisen. Eine Sprecherin des Europäischen Rats* konnte auf Anfrage von t-online zunächst nicht sagen, ob auch das für Lipp und Röper mit der Einstufung verbunden ist. Entsprechende Pläne hegen sie ja allerdings nach eigener Aussage ohnehin nicht.

Deshalb ist auch unklar, worauf genau das rechtsextreme "Compact"-Magazin sich bezieht. Dessen Chef Jürgen Elsässer sagt in einem Solidaritätsvideo, die Aufnahme in die Sanktionsliste bringe "viele Grausamkeiten" mit sich. Im Juli 2024 hatte das Bundesinnenministerium "Compact" verboten, doch das Magazin wehrte sich juristisch dagegen und darf vorerst weiter veröffentlichen. Im Juni verhandelt das Bundesverwaltungsgericht über das Verbot. Im Video kommen auch Querdenken-Gründer Michael Ballweg und der verschwörungsideologische Blogger Ken Jebsen zu Wort.

Das zeigt, wie gut die Szene vernetzt ist. Ein "Compact"-Mitarbeiter, der früher für den russischen Auslandssender RT gearbeitet hat, ist regelmäßiger Co-Moderator in Beiträgen bei Röper. Lipp stand bei der größten Querdenken-Demo im August 2020 hinter der Bühne. Ein in Deutschland lebender Russe, der mit Lipp zusammen ein YouTube-Fomat hatte, war auch mit Ken Jebsen auf der Krim.

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Putin-Fangirl aus Köln auch auf Sanktionsliste

Elsässer und sein "Compact"-Magazin sind auch die Brücke zu zwei Russen, die zeitweise in Köln lebten, von einer russischen Staatsagentur Geld erhielten und jetzt ebenfalls sanktioniert sind: Elena Kolbasnikova und ihr Partner Rostislav Teslyuk alias Max Schlundt. Kolbasnikowa und Schlund sind eng verbunden mit einem Verein und einer Partei, die jeweils unter mit dem Namen "Aufbruch Frieden-Souveränität-Gerechtigkeit" auftreten, und wurden als Mitveranstalter des "Compact"-Sommerfests 2023 bezeichnet. Bei einer "Souveränitäts"-Konferenz des Magazins war Kolbasnikowa Redner neben Elsässer und Martin Sellner, Galionsfigur der rechtsextremen "Identitären".

In Deutschland ist gegen die Organisatorin prorussischer Demos und ihren gewalttätig aufgetretenen Mann ein Einreiseverbot verhängt worden. Beide haben Deutschland angesichts anhängiger Strafverfahren verlassen und leben inzwischen in Russland. Zwischenzeitlich hat Putin an Kolbasnikowa, die ursprünglich aus der Ukraine stammt, in einem Präsidentendekret die russische Staatsangehörigkeit verliehen.

Noch eine weitere 2024 aus Deutschland ausgereiste Russin steht auf der Sanktionsliste: Julia Prochorowa, die zeitweise in Landshut lebte. Als Influencerin lud sie animierte Videos von sich auf der Social-Media-Plattform TikTok hoch, in denen sie dazu aufforderte, durch hohen Verbrauch einen Gasnotstand in Deutschland auszulösen. In anderen Beiträgen ist zu sehen, wie sie mit Russlandfahne Ukrainer in Deutschland provoziert und beschimpft.

Mehr als 2.400 Personen und Einrichtung von EU sanktioniert

Der Liste zufolge wird jetzt außerdem ein Russe sanktioniert, der seine Adresse in Deutschland hat: Andrej Kharkovskij. Er ist ein Vertreter des Verbands der Kosakenkrieger Russlands und des Auslands und lebt seinem Social-Media-Profil zufolge im Raum Köln. Laut der EU tritt er als Organisator von Treffen im militärischen Stil auf. Reuters-Recherchen ergaben, dass er für die Sicherheit bei Kundgebungen von Kolbasnikowa gesorgt hatte, der Verband schützt auch Veranstaltungen der russischen Botschaft.

Das aktuelle Sanktionspaket ist das insgesamt 17. der EU. Rund 2.400 Personen, Unternehmen und Verbände stehen inzwischen auf der EU-Sanktionsliste. Deren Hauptziel ist es, Russland die Finanzierung des Kriegs zu erschweren, die politische Elite des Landes ökonomisch und politisch zu treffen und Russlands wirtschaftliche Basis zu schwächen. Im April gab die EU an, mehr als 28 Milliarden Euro an privatem Vermögen und rund 210 Milliarden Euro an Zentralbankvermögen in der EU eingefroren zu haben.

*Wir hatten zunächst von "Europarat" geschrieben. Richtig ist "Europäischer Rat".

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