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Anne Will zur Ukraine-Krise: Botschafter warnt vor "riesigem Krieg"


Ukraine-Botschafter bei "Anne Will"
"Deutschland muss aus dem Dornröschenschlaf erwachen"

Von Peter Luley

Aktualisiert am 07.02.2022Lesedauer: 4 Min.
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Andrij Melnyk: Der Botschafter der Ukraine zeigt sich unzufrieden mit Deutschland.Vergrößern des Bildes
Andrij Melnyk: Der Botschafter der Ukraine zeigt sich unzufrieden mit Deutschland. (Quelle: imago-images-bilder)

Soll Deutschland Waffen in die Ukraine liefern? Während Kevin Kühnert und Jürgen Trittin die ablehnende Haltung der Bundesregierung verteidigten, warb Botschafter Melnyk in dramatischen Appellen dafür.

"Worte oder Waffen – wo steht Deutschland im Ukraine-Konflikt?" lautete das Thema der gestrigen "Anne Will"-Ausgabe, die mit einem Auszug aus dem letzten Olaf Scholz-Interview vor dessen Abflug in die USA begann. In der Sendung "Bericht aus Berlin" hatte der Kanzler gesagt, dass Deutschland "seit vielen Jahren" den Kurs verfolge, keine Waffen in Krisengebiete zu liefern, und also "auch keine letalen Waffen" in die Ukraine schicken werde. Um das Für und Wider dieses Standpunkts ging es in der Folge – wobei die Moderatorin sich zunächst an die aus Washington zugeschaltete amerikanisch-polnische Journalistin Anne Applebaum wandte.

Die Gäste

  • Kevin Kühnert, SPD-Generalsekretär
  • Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen), Außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion
  • Dietmar Bartsch (Die Linke), Fraktionsvorsitzender im Bundestag
  • Andrij Jaroslawowytsch Melnyk, Botschafter der Ukraine in Deutschland

Was Olaf Scholz denn im Gepäck haben müsse, um in den USA Zweifel an seiner Zuverlässigkeit als Bündnispartner auszuräumen, wollte die Moderatorin von der Pulitzer-Preisträgerin wissen. Er müsse "ganz klar sagen, dass er keinen Krieg will", antwortete Applebaum, und dass er keine russische Invasion wolle. Um Putin abzuschrecken, müsse man ihm klarmachen, dass eine Invasion einen sehr hohen Preis haben werde. "Das hat er nun freilich verschiedentlich gesagt", hakte Anne Will nach, "warum zweifeln Sie an der deutschen Entschlossenheit?". Ihre Zweifel rührten "aus Kommentaren der deutschen Presse" her, erklärte Applebaum.

Diese etwas vage Aussage nutzte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert für seine Gegenrede: Einige hätten Interesse daran, dass der Eindruck entstehe, Deutschland sei "ein unsicherer Kantonist". Tatsächlich sehe er nicht, "wo hier eine Unsicherheit in unserer Positionierung bestehen soll". Bundeskanzler und Außenministerin seien "seit Wochen unterwegs, um gemeinsame Positionen zu erarbeiten", wer das nicht anerkenne, kommentiere "nicht in guten Absichten".

Außerdem verwies Kühnert auf Finanzhilfen von rund zwei Milliarden Euro, die in den vergangenen Jahren aus Deutschland an die Ukraine geflossen seien. Auch den Vorwurf mangelnder Kommunikation des Bundeskanzlers wollte er nicht gelten lassen: "Wir haben ihn doch gerade gesehen, das ist doch keine Sprechpuppe gewesen", so der frühere Scholz-Kritiker. Sein Zwischenfazit: "Alles liegt auf dem Tisch, unsere Position ist glasklar."

Botschafter Melnyk: "Wir brauchen Defensivwaffen"

Den ukrainischen Botschafter in Deutschland konnte er so allerdings nicht überzeugen. "Wir müssen erkennen, dass wir vor der Gefahr eines riesigen Krieges mitten in Europa stehen", so Andrij Melnyk. Er forderte, die deutsche Regierung müsse "aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen": "Wir brauchen Taten, (…) wir brauchen Defensivwaffen."

Dankbarkeit für die von Kühnert erwähnten Finanzhilfen ließ er nicht erkennen: "Die Ukraine steht auf dem 13. Platz, zwischen Tunesien und dem Kongo, was die Entwicklungshilfe aus Deutschland betrifft." Stattdessen appellierte er an die Bundesregierung und an die Gesellschaft: "Bitte helfen Sie uns!" Es gebe in dieser Situation "keine Zwischentöne": "Waffenlieferungen zu verweigern bedeutet, uns Ukrainer im Stich zu lassen."

Trittin: Es gibt einen Dissens mit ukrainischer Regierung

Ob er das auch so sehe, wollte Anne Will von Jürgen Trittin wissen – nicht ohne noch die vielfach bespöttelten 5.000 Schutzhelme zu erwähnen, die Deutschland bislang gesendet hat. "Nein, ich kann das nicht erkennen", antwortete der außenpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion.

Es gebe einen Dissens mit der ukrainischen Regierung in der Frage, was mehr abschrecke: "Glaubt man, dass man mit Waffenlieferungen auf den letzten Drücker auf Putin eine abschreckende Wirkung erzielt – das ist die Position der Ukraine, die von Frau Applebaum – oder glaubt man das, was die Mehrheit der Nato, die USA eingeschlossen, und Europa glauben: nämlich dass Abschreckung durch politische Maßnahmen geschieht".

Auf der Tagesordnung stehe, "dass Russland seine gesamten wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu Europa gefährdet, wenn es die Souveränität der Ukraine weiter einschränkt". Diese transatlantische Einigkeit solle man nicht permanent kleinreden.

Dietmar Bartsch, der einzige Oppositionspolitiker in der Runde, schloss sich der Meinung der Regierungsparteien an: Waffen würden geliefert, um eingesetzt zu werden, erklärte der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, entscheidend sei aber doch, "alles zu versuchen, dass man deeskaliert".

Melynk: Kein Gefühl, dass man sich auf Deutschland verlassen kann

Solche "Beschwichtigungspolitik" komme in seinem Land "nicht gut an", erwiderte darauf Botschafter Melnyk und legte nach: "Es gibt kein Gefühl, dass man sich auf die Bundesrepublik heutzutage verlassen kann." Der Diplomat beschwor noch einmal die Dramatik der Lage: "Es geht um das Überleben der Ukraine."

Einen wunden Punkt in der Argumentation der Ampelkoalitionäre brachte Anne Will mit einem weiteren Einspieler aufs Tapet: dass Deutschland als viertgrößter Rüstungsexporteur der Welt 2021 für neun Milliarden Euro Rüstungsgüter verkaufte, unter anderem an das autoritär regierte Ägypten.

Es müsse das Bestreben sein, diese Exporte generell runterzufahren, versuchte sich Kevin Kühnert an einer Verteidigung: Man könne politische Fehler doch nicht dadurch heilen, indem man sie an anderer Stelle wiederhole. Unterstützung bekam er von Jürgen Trittin: Das Ministerium von Robert Habeck bereite gerade ein Gesetz vor, "das die bisher unverbindlichen Grundsätze zu Rüstungsexporten zu einem verbindlichen Gesetz machen wird", so der Grünenpolitiker.

"Aufgeheizte Stimmung" in Kiew

Aus Kiew wurde schließlich noch ARD-Korrespondentin Ina Ruck zugeschaltet. Zwar berichtete auch sie von der Präsenz der Kriegsgefahr und einer "aufgeheizten Stimmung".

Wer wollte, konnte dennoch einen Funken Hoffnung aus ihren Einschätzungen ableiten: "Einen Teil hat er erreicht", antwortete sie auf die Frage, was Wladimir Putin mit seinem Truppenaufmarsch erreichen wolle, "nämlich Aufmerksamkeit". Sie glaube nicht, dass er die Ukraine wirklich angreifen werde: "Wär viel zu riskant und viel zu teuer."

Verwendete Quellen
  • Anne Will vom 6. Februar 2022
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