Migrationspolitik Verstärkte Grenzkontrollen laufen an - Kritik von Nachbarn
Nach Dobrindts Ankündigung zu stärkeren Grenzkontrollen laufen die teilweise bereits an. Die Kritik reißt nicht ab - sie kommt auch aus den Nachbarländern.
Nach der Anweisung des neuen Bundesinnenministers Alexander Dobrindt (CSU) zu schärferen Regeln an den deutschen Grenzen laufen in den ersten Bundesländern verstärkte Kontrollen an. In Bayern etwa kontrolliert die Bundespolizei ab sofort die Grenzen zu Österreich und Tschechien stärker. Das wird nach Angaben eines Sprechers für Reisende wahrnehmbar sein. Auch an den sächsischen, niedersächsischen und nordrhein-westfälischen Außengrenzen sind laut Bundespolizei zusätzliche Beamte im Einsatz. In Rheinland-Pfalz und im Saarland sollen die Kontrollen in Kürze anlaufen. Aus der Opposition und dem Ausland kam Kritik an den strengeren Regeln.
Das Präsidium der Bundespolizei erklärte, "Maßnahmen zur temporären Kräfteintensivierung" würden stetig geprüft und umgesetzt. Zu konkreten Einsatzstärken werde man sich nicht äußern.
Dobrindt hatte angekündigt, schärfer kontrollieren zu lassen. Wenige Stunden nach seinem Amtsantritt kündigte er an, künftig sollten auch Asylsuchende an der Grenze zurückgewiesen werden können. Dies soll allerdings nicht für Schwangere, Kinder und andere Angehörige vulnerabler Gruppen gelten.
Grünen-Chefin: Beamte fehlen dann an Kriminalitätsschwerpunkten
Grünen-Chefin Franziska Brantner kritisierte eine fehlende Zusammenarbeit mit den Nachbarländern. "In Zeiten, in denen wir mehr Europa brauchen, wir erinnern gerade diese Woche daran, aus welchen kriegerischen Zuständen wir in Europa kommen und wir zum Glück Frieden haben, ist es nicht akzeptabel, nicht besonders gut, wenn man nicht mit den Partnern gemeinsam handelt", sagte sie im RTL/ntv-"Frühstart". Sie bemängelte zudem, dass die Beamten anderswo abgezogen würden. "Das sind die Hauptbahnhöfe, das ist der Flughafen, das sind Kriminalitätsschwerpunkte in diesem Land. Dort werden die fehlen. Also ein Weniger an Sicherheit an anderen Orten für ein Signal an der Grenze."
Die Grünen-Politikerin Irene Mihalic hält die Maßnahmen nicht für rechtskonform. "Pauschale Zurückweisungen von Asylgesuchen an den Grenzen sind schlicht europarechtswidrig und stellen die Zusammenarbeit mit unseren Nachbarländern grundsätzlich in Frage", sagte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion im Bundestag dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Schweiz: Systematische Zurückweisungen verstoßen gegen Recht
Auch aus Polen und der Schweiz kam Kritik. "Systematische Zurückweisungen an der Grenze verstoßen aus Sicht der Schweiz gegen geltendes Recht", schrieb das Schweizer Justizministerium anschließend auf der Plattform X. Die Schweizer Behörden "prüfen gegebenenfalls Maßnahmen". Auch das Innenministerium in Wien pochte auf die Einhaltung des geltenden EU-Rechts. Generell begrüße Österreich aber die Bestrebungen Deutschlands im Kampf gegen die Schleppermafia und illegale Migration, hieß es.
Polens Regierungschef Donald Tusk hatte die Migrationspolitik der neuen Bundesregierung beim Antrittsbesuch von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) scharf kritisiert. "Deutschland wird in sein Gebiet lassen, wen es will. Polen wird nur in sein Gebiet lassen, wen es akzeptiert", sagte Tusk am Mittwoch in Warschau. Es solle weder der Eindruck entstehen noch die Fakten geschaffen werden, dass irgendwer einschließlich Deutschlands bestimmte Gruppen von Migranten nach Polen schicke.
Die rechtliche Lage bei Zurückweisungen an der Grenze ist derzeit nicht eindeutig. Einige Experten lesen geltendes EU-Recht so, dass Zurückweisungen grundsätzlich nicht erlaubt sind. Dies hängt auch damit zusammen, dass Grenzkontrollen praktisch nicht exakt auf der Grenzlinie erfolgen, sondern oft etwas dahinter.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) sieht hier indes Klarheit. Deutschland habe mit sämtlichen Anrainerstaaten sogenannte Rückübernahme-Vereinbarungen vertraglich geregelt, sagte der stellvertretende Vorsitzende Heiko Teggatz der "Welt". Inhalt dieser Verträge sei auch, ab welchem Zeitpunkt eine Person als eingereist gilt. "Dieses ist erst dann der Fall, wenn die Einreisekontrolle abgeschlossen ist. Auf welchem Hoheitsgebiet die Kontrollstelle liegt, spielt dabei keine Rolle."
Der AfD gehen die Maßnahmen nicht weit genug
Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Alexander Throm, verteidigte die Maßnahmen hingegen. Die Kontrollen würden schrittweise hochgefahren, es werde kein Nachbarstaat überfordert, sagte er im ARD-"Morgenmagazin". Die Abstimmungsgespräche mit den Nachbarländern seien "am Laufen", sagte Throm. "Es ist ein erster Schritt in der Migrationswende, ein wichtiger Schritt, aber mit Sicherheit nicht der alleinige, den wir jetzt angehen werden."
CSU-Chef Markus Söder bezeichnete die neuen Regeln als Beginn einer "Asylwende". "Seit gestern ist die Asylwende in Deutschland eingeleitet worden. Jetzt gilt wieder der alte Zustand, wie vor 2015", sagte Bayerns Ministerpräsident in einem auf X geteilten Video.
Der AfD gehen die Maßnahmen nicht weit genug. Mit Verweis auf die Aussagen zur Abstimmung mit den Nachbarländern sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann: "Merz hat ausdrücklich nicht umgesetzt, was er im Wahlkampf versprochen hatte." Der CDU-Chef hatte damals angekündigt, "ausnahmslos alle Versuche der illegalen Einreise zurückzuweisen". Baumann sagte Welt TV, die stärkeren Kontrollen würden zwar zu mehr Zurückweisungen führen. Er gehe aber davon aus, dass die Abgewiesenen es schließlich an anderen Grenzübergängen doch nach Deutschland schafften.
- Nachrichtenagentur dpa