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Corona-Versager Deutschland: Die Republik im international Vergleich


Deutschland im internationalen Vergleich
Die Corona-Versager

Von Patrick Diekmann

Aktualisiert am 31.03.2021Lesedauer: 5 Min.
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Kanzlerin Angela Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn auf einer Pressekonferenz: Deutschland wird bei der Bekämpfung von Corona von vielen Staaten überholt.Vergrößern des Bildes
Kanzlerin Angela Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn auf einer Pressekonferenz: Deutschland wird bei der Bekämpfung von Corona von vielen Staaten überholt. (Quelle: Markus Schreiber/ap-bilder)

Deutschland blickte zu Beginn der Pandemie besorgt ins Ausland. Doch mittlerweile überholen andere Länder die

Für die internationale Gemeinschaft wird die deutsche Corona-Politik immer mehr zu einem Verkehrsunfall in Zeitlupe. Während Bund und Länder um Öffnungen und Lockdown streiten, spitzt sich die Pandemie-Lage im Land langsam zu. Während in vielen Ländern momentan ein politischer Corona-Burgfrieden zwischen politischen Lagern herrscht, verunsichert der politische Zoff in Deutschland die Bevölkerung.

Dabei dürfte die Politik im Angesicht der dritten Welle eigentlich keine Zeit verlieren. Die Probleme sind zahlreich: Steigende Infektionszahlen, kein geschlossenes politisches Handeln dagegen, langsames Tempo bei Impfungen, keine flächendeckende Test- und Öffnungsstrategie. Die Bundesrepublik galt in internationalen Krisen oft als selbstgefälliger Oberlehrer – nun ist sie zum Sorgenkind geworden. In der Pandemie werden die Deutschen nun mit einem fast vergessenen Gefühl konfrontiert: dem Neid auf andere Staaten, die schneller durch die Krise kommen und somit auch schneller Corona-Maßnahmen lockern können.

Das langsame Tempo der deutschen Corona-Bekämpfung hat schwerwiegende Folgen: Ein längerer harter Lockdown gefährdet den gesellschaftlichen Frieden und viele Unternehmen im Land, eine längere Pandemie gefährdet noch mehr Menschenleben. Zudem verliert Deutschland momentan seinen Ruf als sicherer und strukturierter Krisenmanager.


Im internationalen Vergleich hatte Deutschland zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 mehrere Vorteile. Das deutsche Gesundheitssystem ist vergleichsweise gut aufgestellt, die erste Welle im März und die zweite Welle im Herbst 2020 trafen die Bundesrepublik später als andere Länder. Es gab mehr Zeit zur Vorbereitung, mehr Zeit, um aus den Erfolgen und Fehlern der Nachbarländer zu lernen. Bevor die Krise nach Deutschland kam, hatten man Daten aus Italien und Frankreich. Die Gefahr durch die Mutation B.1.1.7 wurde bereits im Dezember 2020 von Wissenschaftlern in Großbritannien dokumentiert, knapp zwei Monate bevor sie auch in der Bundesrepublik zur dominierenden Virusvariante wurde.

Dieser wertvolle Vorsprung wurde zumindest teilweise verschenkt. Gemessen an der Sieben-Tage-Inzidenz steht Deutschland im internationalen Vergleich zwar noch relativ gut dar, aber die Zahl der Neuinfektionen steigt momentan rasant an, während die Fallzahlen beispielsweise in Großbritannien, Spanien oder Dänemark sinken. Mit diesem Problem ist Deutschland nicht alleine, aber Länder wie Frankreich, Italien oder auch Österreich haben im Gegensatz zur Bundesrepublik schon Ende Februar deutlich mehr Maßnahmen – beispielsweise beim Einzelhandel – gelockert.

Beim Impffortschritt ist Deutschland international im Mittelfeld und wird von immer mehr Ländern überholt. Zwar ist die Quote nur knapp unter dem Schnitt der Europäischen Union, aber gemessen an den Möglichkeiten der Wirtschaft und des Gesundheitssystems impft die Bundesrepublik im Schneckentempo. In Frankreich wurde die Regierung Anfang des Jahres beispielsweise scharf für den verpatzten Impfstart kritisiert. Mittlerweile hat Frankreich Deutschland eingeholt.

Im Prinzip zeigen die Betrachtungen der Infektionszahlen und der Impfquote, dass viele Länder die Pandemie momentan effizienter bekämpfen als Deutschland. Dafür sind maßgeblich fünf Gründe verantwortlich:

1. Umfassende und schnelle Impfungen

Der wichtigste Faktor im Kampf gegen Corona bleibt das Impfen. Ausgerechnet dabei leistet sich die deutsche Politik ein Debakel. Während in Deutschland noch darüber diskutiert wird, ob Impfungen bei Hausärzten funktionieren, impfen Länder wie die USA oder Großbritannien in Supermärkten, Drogerien oder in Möbelhäusern.

Bei der Bestellung der Impfstoffe agierte die EU zu zögerlich. Während sich Brüssel im vergangenen Sommer mit den Impfstoffherstellern um Haftungsfragen stritt, sicherte der damalige US-Präsident Donald Trump den USA insgesamt 400 Millionen Dosen der Hersteller Moderna und Biontech. "Unser Fehler war, dass die EU um jeden Euro feilschte, während die Amerikaner erkannt haben, dass der Impfstoff eine Frage der nationalen Sicherheit ist", sagte ein deutscher Spitzendiplomat dem Nachrichtenmagazin "Spiegel".

US-Präsident Joe Biden erhöhte das Tempo Anfang des Jahres noch einmal und nutzte ein altes Kriegsgesetz, um Firmen dazu zu verpflichten, Materialien für die Impfungen herzustellen. Demnach hat in Ländern wie den Vereinigten Staaten eine schnelle Durchimpfung oberste Priorität. Die Folge: In den USA hat schon mehr als ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung mindestens eine Impfdosis erhalten.

2. Ein konsequenter Lockdown

Das Konzept eines Teil-Lockdowns in der Pandemie ist gescheitert, wenn dadurch die Inzidenzwerte niedrig gehalten werden sollen. Diese Erkenntnis machte man in Deutschland bereits Ende Oktober 2020, für die noch ansteckenderen Mutationen gilt das umso mehr. Dennoch gehen Bund und Länder weiterhin einen Weg, der spätestens seit Mitte März nicht mehr funktioniert.

Im Ausland gibt es dabei unterschiedliche Ansätze. Länder wie Portugal verhängten – auch aus Angst vor einem Zusammenbruch des eigenen Gesundheitssystems – härtere Maßnahmen mit strengen Ausgangs-, Kontakt- und Bewegungsbeschränkungen. Die Sieben-Tage-Inzidenz des Landes liegt momentan bei 29 – und nun gibt es erste Lockerungen. Auch Italien geht nun in einen Mega-Lockdown über Ostern, den Menschen ist auch innerhalb des Landes das Reisen untersagt.

Dagegen lassen Schweden, Frankreich oder Österreich mehr gesellschaftliches Leben zu – Einzelhandel, Schulen, Kitas bleiben vorerst geöffnet. Dafür nehmen sie eine Sieben-Tage-Inzidenz von über 200 in Kauf.

3. Eine funktionierende Schnellteststrategie

Für Öffnungen gelten flächendeckende Corona-Schnelltests als Voraussetzung, auch dabei hat Deutschland im internationalen Vergleich mindestens einen Monat Rückstand.

In Großbritannien können Unternehmen kostenlose Schnelltests für ihre Mitarbeiter beantragen, in Spanien laufen Tourismus und der kulturelle Bereich wieder an, in Frankreich soll es Sitz-Festivals mit bis zu 5.000 Besuchern geben und in Italien sollen Messen wieder stattfinden dürfen. Die Basis für all diese Öffnungen sind Schnelltests.

Deutschland ist davon noch weit entfernt, bisher funktioniert die deutsche Teststrategie nicht mal an Schulen oder im Einzelhandel. Auch dabei wird das ohnehin langsame Tempo durch den Streit zwischen Bund und Ländern wegen der Finanzierung der Tests verschärft. Zwar entstehen auch in der Bundesrepublik immer mehr Testzentren, aber beispielsweise Veranstalter von Konzerten, Festivals oder Messen warten noch immer auf eine Strategie, mit der sie planen können.

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4. Streit lähmt die Corona-Politik

Ein gravierender Unterschied zu anderen Ländern ist außerdem, dass sich Deutschland im Superwahljahr zunehmend durch politischen Streit zwischen Bund und Ländern lähmt. So macht Kanzlerin Angela Merkel Druck auf die Länder und fordert eine Verschärfung des Lockdowns. Einige Bundesländer wie das Saarland wiegeln ab und verfolgen stattdessen eine Öffnungsstrategie. Doch anstatt die gegenwärtige Maßnahmen-Politik, die kaum Wirksamkeit zeigt, zu ändern, passiert nach dem Chaos um den Oster-Lockdown nichts und die Kanzlerin verliert sich in politischen Scharmützeln mit den Länderchefs.

Dadurch kommt Deutschland keinen Schritt weiter und steuert am Ende auf einen noch längeren Lockdown oder auf noch mehr Todesopfer zu. Es wird darüber diskutiert, ob nächtliche Beschlussrunden der Sache dienlich seien oder ob der "Bund-Länder-Gipfel" überhaupt noch das richtige Format in dieser Pandemie sei. Hinzukommt ein Skandal um Maskengeschäfte von Unionspolitikern, der das Vertrauen der Bevölkerung zusätzlich erschüttert.

In anderen Ländern zeigt sich, dass zumindest in elementaren Fragen eine Art Burgfrieden zwischen den Parteien Einzug gehalten hat, wenn der Kurs eines Landes bestimmt wurde. Das gilt beispielsweise auch für Großbritannien oder Italien, wo in der Vergangenheit immer politische Grabenkämpfe tobten. Nun scheint allerdings in der Pandemie Klarheit darüber zu herrschen, dass ständige Kurswechsel die Bevölkerung noch zusätzlich verunsichern.

5. Keine Zeit für Chaos

In Deutschland herrscht aktuell eben diese Verunsicherung, weil zu viele politische Akteure unterschiedliche Kurse im Kampf gegen Corona fahren. Daraus entsteht ein Chaos, in dem die Bevölkerung schon lange Zeit auf eine gute Nachricht in der Pandemie wartet. Der Föderalismus gerät in der Pandemie an seine Grenzen, was auch mit dem Superwahljahr und der scheidenden Macht von Merkel in den letzten Monaten ihrer Kanzlerschaft zu tun hat.

Doch je länger dieser Streit andauert und je mehr Zeit vertrödelt wird, desto größer drohen die Folgen für Deutschland und ganz Europa zu werden. Die Bundesrepublik ist die größtes Volkswirtschaft in Europa und geografisch im Zentrum des Kontinents. Deshalb wünschen sich viele Nachbarländer vor allem eines: eine Wiederkehr Deutschlands zu einem konsequenten, verlässlichen und wirkungsvollen Kurs in der Pandemie. Für noch mehr Chaos ist keine Zeit.

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