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Ein Jahr Ampel-Koalition: Muss Olaf Scholz drei Minister rauswerfen?


Olaf Scholz
Muss er diese drei Minister rauswerfen?


Aktualisiert am 08.12.2022Lesedauer: 5 Min.
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Olaf Scholz: Die Problemfälle des Kanzlers.Vergrößern des Bildes
Olaf Scholz: Die Problemfälle des Kanzlers. (Quelle: Collage: Heike Aßmann/t-online/imago-images-bilder)

Die Regierung von Olaf Scholz ist seit einem Jahr im Amt. Was bei der Ampel falsch läuft, zeigt sich besonders an drei Personalien. Ein Schadensbericht.

Olaf Scholz findet, dass er das alles ziemlich gut gemacht hat. So lässt sich zusammenfassen, was der Kanzler jetzt nach dem ersten Jahr über sich und seine Ampelregierung sagt. Die "Zeitenwende" gegen Wladimir Putin, der "Doppelwumms" gegen die hohen Preise, die LNG-Terminals gegen den Gasmangel, der Mindestlohn gegen die Armut, das Bürgergeld gegen Hartz IV. Und so weiter und so fort.

Die Liste seiner selbsterklärten Erfolge ist lang. Wen wundert's? Bescheidenheit ist in der Politik eben keine Zier. Und die Zeiten sind in der Tat schwierig.

Doch Scholz' Bilanz der Ampel ist natürlich nur die halbe Wahrheit, wenn überhaupt. Um das zu bemerken, braucht man sich nicht im Detail mit den großen und kleinen Projekten der Koalition zu beschäftigen. Es reicht, sich anzuschauen, wo es derart mies läuft, dass die Ministerinnen und Minister selbst kurz vor der Kündigung stehen.

Die erste Kollegin musste Olaf Scholz schon nach vier Monaten austauschen. Der Druck auf die grüne Familienministerin Anne Spiegel war infolge der Flutkatastrophe zu groß geworden. Nun, nach einem Jahr im Amt, gibt es drei weitere Problemfälle für den Kanzler. Sie stammen allesamt aus seiner SPD und werfen jeder für sich und auf seine Weise kein gutes Licht auf die Ampel und ihn selbst. Das hat mit der Art und Weise zu tun, wie das Personal ausgewählt wurde. Aber es liegt auch daran, dass große Defizite in wichtigen Politikfeldern so noch sichtbarer sind.

Nancy Faeser: Einmal Berlin und zurück?

Hat Olaf Scholz Nancy Faeser nur nach Berlin geholt, um ihre Chancen zu verbessern, in Hessen Ministerpräsidentin zu werden? Ist ausgerechnet das wichtige Amt der Innenministerin nur ein Bekanntheits-Booster für die Parteifreundin? Diese Fragen wabern schon durchs politische Berlin, seit der Kanzler sein Kabinett vor einem Jahr vorstellte. Und sie werfen kein gutes Licht auf die Bundesregierung.

Faeser war damals eine echte Überraschung in der Ministerriege. In der SPD waren viele mächtig stolz auf sie: Die erste Bundesinnenministerin überhaupt, und dann auch noch eine, die sich Respekt im Kampf gegen Rechtsextremismus erarbeitet hat.

Doch Nancy Faeser ist auch Chefin der SPD in Hessen. Dort wird nächstes Jahr im Herbst gewählt. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht sagte schon im Mai bei t-online, sie rechne damit, dass Faeser Spitzenkandidatin und Ministerpräsidentin werde. Nach vielen aufgeregten, aber halbherzigen Dementis sehen das in der hessischen SPD und der Ampelkoalition inzwischen die meisten genauso – einfach, weil Faeser die besten Chancen hat, die CDU aus der Staatskanzlei zu werfen.

Wenn alle das Gefühl hätten, dass Faeser bislang gute Arbeit gemacht hat, wäre dieser Kurztrip nach Berlin wohl nicht ganz so schlimm. Doch in der Ampelkoalition ist die Kritik besonders bei den Grünen groß. Zu viel Show, zu wenig dahinter, so kann man es zusammenfassen: unverbindliche Eckpunktpapiere – aber kein einziges Gesetz. Und wenn sie mal was mache, sei das konservative Innenpolitik, die man mit dem Koalitionsvertrag für überwunden hielt. So wie bei der Vorratsdatenspeicherung.

Bislang gehen sie in der SPD davon aus, dass Faeser den Wahlkampf in Hessen bestreiten und zugleich ihr Ministerium in Berlin führen kann. Auch wenn diese Doppelrolle Kritik der politischen Gegner förmlich provoziert und die Sache bei Norbert Röttgens komplett verkorkster Kandidatur in NRW schiefging. Doch Scholz müsste seine Überraschungspersonalie dann nur ändern, wenn Faeser die Wahl auch gewinnen sollte. Wie praktisch.

Früher oder später bräuchte er dann eine neue Ministerin im Kabinett. Denn er will genauso viele Frauen wie Männer in der Regierung haben. Dauerkandidaten wie der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius fallen damit quasi aus, weil sonst ein anderer Minister durch eine Ministerin ersetzt werden müsste, um die Parität zu wahren.

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SPD-Chefin Saskia Esken hat sich kürzlich in einem Interview mit dem "Tagesspiegel" selbst für den Posten ins Gespräch gebracht. Ampelpolitiker haben das interessiert beobachtet. Doch bei den Sozialdemokraten fragen sich manche, wie ernst die Ambitionen der Parteivorsitzenden sind. Ein anderer Name, der für die Faeser-Nachfolge kursiert, ist Katarina Barley. Sie war schon Bundesjustizministerin, was im Innenministerium hilfreich sein kann.

Christine Lambrecht: Plötzlich Verteidigungsministerin

Eine, die schon von Beginn an als Nancy Faesers Nachfolgerin gehandelt wurde, ist Christine Lambrecht. Schon, dass sie überhaupt Verteidigungsministerin wurde und nicht Innenministerin, war für die meisten überraschend – auch für Lambrecht selbst. Sie fremdelte dann auch mit ihrem neuen Amt. Das war schon anfangs nicht schön. Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine wurde es zu einer schweren Belastung.

Lambrecht war plötzlich für die "Zeitenwende" mitverantwortlich. Doch mit dem 100-Milliarden-Euro-Sondertopf für die Bundeswehr konnte sie bislang kaum etwas bewegen. Die berüchtigten Prozesse im Beschaffungswesen laufen so schleppend wie zu friedlicheren Zeiten.

Zuletzt berief der Kanzler gar einen "Munitionsgipfel" ein, weil Lambrecht es nicht geschafft hatte, die knappen Vorräte der deutschen Armee aufzustocken. Nachdem sie Finanzminister Christian Lindner in einem Brief um mehr Geld dafür gebeten hatte, ließ dessen Ministerium Lambrecht barsch abblitzen: Schuld am Dilemma seien die "komplizierte, teils intransparente und inkonsequente Bedarfsplanung sowie bürokratische Bestellprozesse Ihres Hauses". Selbst in Lambrechts SPD fand mancher diese Korrespondenz mehr als ungeschickt.

Ohnehin war Lambrecht oft mit ihren eigenen Patzern beschäftigt. Beim Dauerstreit um Waffen für die Ukraine schuf sie durch Kommunikationsfehler immer wieder Unklarheit. Für Kopfschütteln sorgte, dass sie ihren erwachsenen Sohn im Luftwaffen-Helikopter mitnahm und ihn dabei auch noch für dessen Instagram-Kanal fotografierte.

Ein Wechsel ins Innenressort scheint schon wegen ihrer eigenen Probleme inzwischen unwahrscheinlich zu sein. Zuletzt schloss sie ihn auch mehrfach deutlich aus. Und auch ihr Job im Verteidigungsministerium schien ihr schon mal sicherer zu sein. Olaf Scholz ist zwar nicht dafür bekannt, Ministerinnen oder Minister vorschnell rauszuwerfen. Lange schien er zudem gut damit zu leben, dass auch jemand anderes Kritik in Verteidigungsfragen abbekommt.

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Doch der Unmut über Lambrecht wächst, selbst in der SPD. Alternativen stünden wohl bereit. Die Wehrbeauftragte Eva Högl wäre eine von mehreren Optionen.

Karl Lauterbach: Corona-Erklärer in Nöten

Ähnlich viel Kritik wie Lambrecht zieht derzeit Gesundheitsminister Karl Lauterbach auf sich. Dabei war der promovierte Arzt und Gesundheitsökonom vor einem Jahr mit vielen Vorschusslorbeeren wegen seiner Rolle als Corona-Erklärer gestartet. Endlich einer vom Fach, hieß es auch in der Branche erleichtert.

Lauterbach war nicht Scholz‘ Favorit, der Kanzler beugte sich dem öffentlichen Druck. Das dürfte er heute bereuen. Lauterbach liefert viele Negativschlagzeilen, in Fachverbänden ist die Kritik riesig. Nach wie vor konzentriere er sich zu stark auf Corona, heißt es da. Wichtige Baustellen blieben so unbearbeitet oder würden nur stückweise angegangen.

Dabei ist die Lage momentan verheerend: Kinderkliniken stehen reihenweise vor dem Kollaps, ganz unabhängig von Corona. Insgesamt sind 40 Prozent der deutschen Krankenhäuser insolvenzgefährdet. Die Gesundheitsversorgung in Deutschland steht auf dem Spiel, stärker noch als in der Pandemie.

Am Dienstag legte Lauterbach endlich eine Krankenhausreform vor. Die Zweifel, dass sie ihm mit den Ländern gelingt, die er dafür braucht, sind jedoch groß. Kooperation ist nicht Lauterbachs Stärke. Gerade erst kritisierte die Gleichstellungsbeauftragte im Gesundheitsministerium einen Umgangston, den "man früher als 'asozial' beschrieben hätte".

Wird die Kritik an Lauterbach so groß, dass auch der an Gesundheitsfragen mäßig interessierte Kanzler sie nicht mehr ignorieren kann, gäbe es wohl Alternativen. Die schon bei der Regierungsbildung gehandelte Gesundheitsministerin Sachsens etwa: Petra Köpping.

Aber Karl Lauterbach ist derzeit nicht das größte Personalproblem des Kanzlers.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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