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AfD-Gründer Konrad Adam über Partei-Jubiläum: "Habe ich so nicht gewollt"


Gründungsvater über die AfD
"Das habe ich so nicht gewollt"

  • Annika Leister
Von Annika Leister

Aktualisiert am 04.02.2023Lesedauer: 7 Min.
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Konrad Adam war 2013 einer der Mitgründer der AfD (Archivbild).Vergrößern des Bildes
Konrad Adam war 2013 einer der Mitgründer der AfD (Archivbild). (Quelle: IMAGO/IPON)

Vor zehn Jahren gründeten 18 Männer die AfD und mischten damit die deutsche Parteienlandschaft auf. Wie sehen sie die Partei heute?

"Teilweise skeptisch, teilweise enthusiastisch" – so beschreibt Konrad Adam die Stimmung am 6. Februar 2013 in einem Gemeindesaal im hessischen Oberursel. Es ist der Tag, an dem 18 Männer, darunter Adam, in einem geheimen Treffen die "Alternative für Deutschland" gründen.

Auch andere Teilnehmer berichten t-online von gemischten Gefühlen: Man hat schließlich wenig Erfahrung im politischen Betrieb, man hat kaum Geld für den Parteiaufbau, man will vor allem auf ein Thema setzen: die Kritik an der Euro-Rettungspolitik der Bundesregierung.

Die Sorgen aber sind unnötig, die "Alternative für Deutschland" schlägt ein wie eine Bombe. Schon sieben Monate nach ihrer Gründung in Oberursel verpasst sie mit 4,7 Prozent nur knapp den Einzug in den Bundestag. 2017 gelingt ihr der Sprung dann mit rund 12 Prozent Zustimmung. Die junge Partei wird damit dritte Kraft, sie lässt die FDP, die Linke und die Grünen hinter sich. Von 2018 an ist die AfD dann erstmals auch in allen Landesparlamenten vertreten.

Damit wird die AfD zur erfolgreichsten deutschen Parteineugründung der vergangenen Jahrzehnte. Schnell wird sie aber auch zur umstrittensten Partei: Nicht nur ihre Kritiker sehen in ihr eine Gefahr für die Demokratie, sondern auch die Sicherheitsbehörden. Inzwischen steht die gesamte Partei unter Beobachtung des Verfassungsschutzes.

Warum gelang der AfD der rasante Aufstieg? Wie entwickelte sich die angebliche "Professoren-Partei" so schnell zu einer Partei, die als Auffangbecken für Antidemokraten gilt? Und wie blicken die Männer, die sie gegründet haben, heute auf ihr Werk?

"Mit dieser Partei habe ich nichts mehr zu tun"

Von den 18 Gründungsvätern in Oberursel sind inzwischen fast alle aus der Partei ausgetreten. t-online hat mehrere von ihnen kontaktiert, aber kaum einer wollte sprechen. "Mit dieser Partei habe ich nichts mehr zu tun", schreibt einer. Andere wollen nur im Hintergrund reden, auf keinen Fall namentlich zitiert werden.

Konrad Adam tickt da anders. Der heute 80-Jährige gibt gern Auskunft über die Anfänge der AfD, er scheut die Konfrontation nicht. Er sitzt bei dem Telefonat an seinem Schreibtisch in einem Büro in Oberursel, nicht weit von dem Ort entfernt, an dem die AfD geboren wurde. Adam hatte damals den Saal organisiert.

Adam war früher ein erfolgreicher Journalist, der für die "Welt" und die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schrieb. Einst war er auch Mitglied der CDU, wie einige der frühen Mitglieder. Kurz nach der Gründung der AfD 2013 war er neben Bernd Lucke und Frauke Petry einer von drei AfD-Bundessprechern und blieb es bis 2015. "Bundessprecher" nennt die Partei, die so vieles anders machen will, ihre Parteivorsitzenden.

Wie also konnte es zum raschen Aufstieg der AfD kommen, Herr Adam?

"Den Hauptverdienst am Erfolg der AfD hat zweifellos Frau Merkel mit ihrer törichten Behauptung, zu der Euro-Rettungspolitik der Bundesrepublik gebe es keine Alternative", sagt Adam t-online.

Gegen Merkels Alternativlosigkeit

Merkel bedient sich nicht nur in der Eurokrise des rhetorischen Kniffs, ihre politischen Entscheidungen als alternativlos darzustellen: der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr, die Corona-Politik – zwingend notwendig, wenn man der Kanzlerin glaubt. Adam findet das absurd. Es gebe immer eine Alternative, so sieht er es, so sehen es die Gründungsväter der AfD.

Mit der Eurokrise hat die AfD in der Anfangszeit ein Thema, das viele Menschen berührt, das an ihre größten Sorgen anknüpft. "Die Leute hatten Angst um ihr Vermögen, ihr Einkommen, die Geldwertstabilität", sagt Adam. Ein Thema, "das die Leute verstanden, ohne dass wir lange Erklärungen nachschieben mussten".

Doch schon bald kämpft die Partei mit sich selbst. Einer der Hauptstreitpunkte ist dabei die Ausrichtung: Will man sich pro-europäisch geben, nur gegen die Euro-Rettungspolitik sein und gegen die hohen Geldsummen protestieren, die nun in den Süden Europas fließen? Oder will man sich stärker rechtsnational positionieren, ganz für Nation, Volk und gegen die EU eintreten?

Stundenlang stritten die Gründer über den Parteinamen

Der Richtungsstreit zeigt sich bereits am 6. Februar 2013, als es um den Namen der neuen Partei geht. Drei Varianten stehen in Oberursel zur Auswahl: "Alternative für Europa", "Alternative für Deutschland" oder "Alternative für Deutschland und Europa". Wie die Abstimmung an diesem Tag ausgeht, darüber gehen die Berichte der Teilnehmer auseinander. Klar ist aber: Am Geburtstag der neuen Partei wird stundenlang gestritten.

Im Anschluss werden von einem Gründungsmitglied angeblich Unterlagen und ein Protokoll der ersten Sitzung abgeändert, wie die "Zeit" später berichtet. Die Partei heißt dort nun "Alternative für Deutschland und Europa". Der Protest gegen den sperrigen Namen aber ist riesig. Am Ende wird es doch die "Alternative für Deutschland".

Das ist griffiger, einprägsamer – und der Favorit der Rechtsnationalen. Auf Parteitagen wird es in den kommenden zehn Jahren immer wieder so laufen: Die nationalistischen und extremen Positionen setzen sich gegen die gemäßigteren durch. 2021 beschließt die AfD den "Dexit" – sie fordert also den Austritt Deutschlands aus der EU. Es ist ein Höhepunkt des Populismus, der schon in ihren Anfängen angelegt war.

"Professoren- und Proletenpartei"

Dabei präsentierte sich die AfD in ihrer Anfangszeit gerne als überaus rationale "Professorenpartei". Und tatsächlich hat sie viele Akademiker in ihren Reihen – zum Beispiel die Wirtschaftsprofessoren Bernd Lucke und Joachim Starbatty. Doch schon damals durchbricht die Presse, die bei Parteiveranstaltungen anwesend ist und die Partei genau beobachtet, dieses Narrativ.

Adam räumt freimütig ein, dass die Journalisten recht hatten. "Ein Beobachter attestierte der Partei: Die AfD der Gründungsphase ist nicht eine Partei, sondern zwei: eine Professoren- und eine Proletenpartei", sagt er heute. "Das war übertrieben, aber nicht falsch. Einheitlich war diese Partei von Anfang an nicht."

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Der Ton in der AfD gilt als rau, auf Parteitagen kommt es immer wieder zu skurrilen Szenen und Eskalationen. Die streitlustige Partei verschlingt schnell ihre Gründungsvorsitzenden: Bernd Lucke tritt 2015 aus und nennt als Gründe islam- und ausländerfeindliche Positionen innerhalb der AfD sowie eine "antiwestliche, dezidiert prorussische" Ausrichtung in der Außen- und Sicherheitspolitik.

Lucke wird vorgeworfen, den Grundstein für diese Entwicklung selbst gelegt zu haben. Tatsächlich hatte er bereits im Mai 2013 rechtsextremen Parteimitgliedern eine Absage erteilt, sich der Szene aber öffentlich als Wahlmöglichkeit angeboten: "Grundsätzlich ist es gut, wenn jemand uns wählt und nicht die NPD", sagte er damals.

2017 verabschiedete sich auch Frauke Petry, die nach einem erbitterten Machtkampf mit Lucke das Ruder übernommen und die Partei zunächst selbst weiter nach rechts gerückt hatte. "Ich habe fünf Kinder, für die ich Verantwortung trage, und am Ende muss man sich auch noch im Spiegel anschauen können", sagte sie damals der Presse.

Auch Konrad Adam wird entmachtet, von 2015 an ist er nicht mehr Bundessprecher. 2021 verlässt er schließlich die AfD. Er sehe keine Zukunft mehr für die Partei als "bürgerlich-konservative" Kraft, begründete Adam damals seine Entscheidung.

Der völkische Flügel ist stark

Ist ihm die AfD zu radikal geworden? Wie viele AfDler und Ex-AfDler hält Adam wenig von der Einteilung des politischen Spektrums in "links" und "rechts". Die Probleme der Partei, die ihn zum Austritt bewogen haben, macht er jedoch an Personen fest, die dem völkisch-nationalen Flügel der AfD zuzuordnen sind.

Mehr als die ideologische Haltung stört Adam der Umgang mit Ämtern. Er zählt Fälle auf, in denen AfD-Politiker mehrere Mandate angenommen, Freunde und Verwandte mit Posten versorgt und sich am Parteivermögen bereichert haben: "Ich halte nicht viel von Leuten, die Politik als Geschäft betreiben", sagt er.

Es gebe diese Leute in allen Parteien, das ist ihm wichtig zu betonen. "In der AfD sind sie aber schnell nach oben gekommen." Diese Menschen, die andere in der Partei "Mandatsjäger" nennen, hätten der AfD sehr geschadet, so Adam.

"Herr Höcke hält sich für einen Heiland"

Heute wird die AfD von Tino Chrupalla und Alice Weidel geführt. Der Malermeister und die Betriebswirtin gehören offiziell nicht zum völkischen Flügel, haben sich aber beide mit ihm arrangiert. Die Macht dieses Flügels ist groß, die besonders radikalen Ostverbände schneiden bei Wahlen deutlich besser ab als die im Westen. In vielen Fragen geben sie inzwischen den Ton an.

Ein zentraler Strippenzieher ist dabei Björn Höcke, Landes- und Fraktionschef der AfD in Thüringen. Auch er ist seit den Anfängen der AfD dabei, im Mai 2013 gründete er die AfD in Thüringen mit. In den vergangenen Jahren baute er seinen Einfluss beharrlich aus. Innerparteiliche Widersacher haben immer wieder den Kürzeren gezogen, wenn sie gegen ihn vorgehen wollten.

Adam beobachtet Höcke sowie die aktuelle Entwicklung der AfD sehr kritisch. "Herr Höcke hält sich selbst für einen Heiland", sagt er. "In der Politik werden solche Menschen rasch zum Führer." Von Führern aber, findet Adam, "hatten wir meiner Ansicht nach in Deutschland genug". Tatsächlich kommt Höcke, der sich als Intellektueller versteht, gerade an der Basis gut an. Parteifreunde nennen den Effekt gern den "Höcke-Kult".

Zunehmend habe sich die AfD zu einer "ressentimentgeladenen Ostpartei" entwickelt, so Adam. Wer in Deutschland regieren wolle, brauche aber Partner, müsse koalitionsfähig sein. "Die AfD – zumal die AfD im Osten – tut einiges, um das nicht zu sein." Diesen Vorwurf hört die Partei vor allem aus dem Westen immer wieder, mehrfach wurde eine Spaltung der AfD in eine Ost- und eine Westpartei diskutiert. Damit würde sich die erfolgreichste deutsche Parteineugründung der jüngeren Vergangenheit allerdings selbst zerlegen.

Ob Adam mit dem Wissen von heute die AfD noch einmal gründen würde? Das ursprüngliche Ziel, das Parteienspektrum zu erweitern, das Merkel so verengt habe, halte er nach wie vor für richtig, sagt Adam. "Aber die heutige Partei mit diesen Parolen und diesen Leuten habe ich so nicht gewollt."

Verwendete Quellen
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