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Abschiebungen: Untätigkeit der Regierung? Die Wut der Länder auf den Bund


Abschiebungen
Die Länder laufen Sturm gegen den Bund

  • Annika Leister
Von Annika Leister

Aktualisiert am 28.04.2023Lesedauer: 4 Min.
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Innenministerin Faeser, Kanzler Scholz: Sie stehen hart in der Kritik. (Quelle: IMAGO/Chris Emil Janssen)

Die Bundesregierung hat versprochen, mehr Abschiebungen von Ausreisepflichtigen zu ermöglichen. Doch die dafür verantwortlichen Länder klagen: Es tut sich nichts. Sie fordern teils harte Konsequenzen.

Es ist eine seltene Szene: Olaf Scholz steht Anfang Februar im Bundestag – und erregt sein Publikum. Das liegt nicht am Bundeskanzler, der stoisch wie eh und je ist, sondern am Thema. Denn Scholz spricht über Migration und Abschiebungen. Es gibt Zwischenrufe, Murren, Buhen, nicht nur von der AfD.

Die Lage ist zu diesem Zeitpunkt schon lange prekär: Die Zahl der neu ankommenden Flüchtenden war 2022 so hoch wie selten, höher sogar als in den Jahren 2015 oder 2016. Und die Situation bessert sich nicht, im Gegenteil, die Zahlen steigen weiter. Kommunen und Verbände schlagen schon seit Monaten Alarm: Es gehe nicht mehr, man sei schon lange am Limit.

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Erstes Migrationsabkommen mit Indien

Scholz aber hat einen Trumpf, der die Gemüter beruhigen soll: Er heißt "Migrationsabkommen". Solche Verträge will seine Regierung mit einer ganzen Reihe von Ländern schließen, schon im Koalitionsvertrag hat die Ampel es versprochen. Die Abkommen sollen auf der einen Seite qualifizierten Arbeitskräften die Einreise erleichtern – und auf der anderen Seite ermöglichen, dass Menschen ohne Bleiberecht rascher wieder abgeschoben werden können. In vielen Fällen nämlich scheitern Abschiebungen an den Herkunftsländern, die wenig Interesse daran zeigen, ihre Staatsbürger wieder zurückzunehmen.

Die Ampel hat versprochen, das zu ändern. Wer kein Bleiberecht habe, müsse Deutschland verlassen, betont Scholz also im Bundestag. Er lobt das erste Migrationsabkommen, das seine Regierung im Dezember mit Indien geschlossen hat. Das "funktioniert schon sehr erfolgreich", findet der Kanzler.

Und er ist nicht der Einzige, der den Vertrag mit Indien feiert: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) spricht sogar von einem "Meilenstein". Die Bundesregierung erleichtere die Rückkehr von ausreisepflichtigen Staatsangehörigen, "indem wir klare Verfahren zu deren Identifizierung und Rückführung vorsehen", sagte sie nach der Unterzeichnung des Abkommens.

Doch seit den Ankündigungen des Kanzlers und seiner Innenministerin sind Monate vergangen. Nun bekommen beide Gegenwind aus den Bundesländern, die für Abschiebung und Verwaltung der Ausreisepflichtigen zuständig sind. Sie werfen Scholz und Faeser vor, vor allem leere Versprechen zu machen und darüber hinaus wenig bis nichts zu tun.

Indien bleibt "unkooperatives Herkunftsland"

In Sachsen-Anhalt ist dabei ausgerechnet Indien das Problem. Das erste Migrationsabkommen, der selbst ernannte "Meilenstein" des Bundes. Im Landesinnenministerium sieht man das anders, hier gilt Indien nach wie vor als "unkooperatives Herkunftsland". Denn mit 813 Menschen, die eigentlich ausreisen müssten, stellen Inder die größte Gruppe Ausreisepflichtiger, wie das Ministerium mitteilt. Doch aus den geplanten Abschiebungen wird seit Langem nichts. Die Menschen haben keine Pässe, die für eine Abschiebung notwendig sind. Und Indien helfe eben nicht dabei, Identitäten festzustellen und neue Papiere zu besorgen, so die Klage.

"Die indische Botschaft erteilte dem für die Passersatzbeschaffung zuständigen Bund kein einziges Passersatzpapier, sodass 2022 und auch bislang 2023 kein indischer Ausreisepflichtiger aus Sachsen-Anhalt abgeschoben werden konnte", teilt das Innenministerium in Magdeburg t-online mit.

Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) dringt darauf, die Situation schleunigst zu ändern: Das Migrationsabkommen sei zwar seit Monaten vom Bund angekündigt, aber erst vor Kurzem in Kraft getreten, sagte sie t-online. "Jetzt muss es dringend zügig und unbürokratisch mit Leben gefüllt werden. Der Bund muss Indien auf Grundlage dieses Abkommens veranlassen, seine Blockadehaltung bei der Rückführung ausreisepflichtiger indischer Staatsangehöriger aufzugeben."

Vor allem, fordert Zieschang, dürfe Indien "keine überzogenen Anforderungen an Passersatzpapiere für seine Staatsangehörigen" stellen. "Wenn hier nicht eine spürbare Verbesserung eintritt, sollten im Gegenzug keine Einreisevisa mehr für indische Staatsangehörige erteilt werden", fordert sie von der Bundesregierung.

Hessen: "Der Ankündigung folgen keine Taten"

In Bayern und Hessen sind nicht Inder die größte Gruppe Ausreisepflichtiger, die Probleme aber sind die gleichen. Bei sieben von zehn Staaten, die die größten Gruppen Ausreisepflichtiger stellen, seien Abschiebungen "aufgrund der aktuellen Lage oder wegen mangelnder Kooperation" nicht oder kaum möglich, teilt das hessische Innenministerium auf Nachfrage von t-online mit.

Nach Afghanistan, Syrien oder in den Iran werden Menschen derzeit in der Regel nicht abgeschoben, weil die politische Lage instabil ist. Doch auf der Liste des hessischen Innenministeriums finden sich auch andere Länder: der Irak mit 1.849 Ausreisepflichtigen, Äthiopien (903), Somalia (628) und Marokko (544).

Hessen hat bereits in den Jahren 2014 bis 2016 auf Landesebene einiges getan, damit es besser läuft. Im Innenministerium gibt es jetzt ein eigenes Referat für das Thema, auch bei der Polizei wurde eine entsprechende Koordinierungsstelle geschaffen, mehr Plätze in Abschiebehaft wurden eingerichtet. Trotzdem klappt es oft nicht – eben weil der Bund nicht liefere, so die Kritik.

"Die Ampel hat in ihrem Koalitionsvertrag eine Rückführungsoffensive angekündigt. Bislang sind dieser Ankündigung leider keine Taten gefolgt", sagt Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) t-online. Nun müsse endlich der Bund handeln. "Konkret bedeutet das aus unserer Sicht, den Druck auf die Herkunftsländer zu erhöhen und die Länder sowie Kommunen besser einzubinden."

Bayern: Sonderbevollmächtigter liefert keine Ergebnisse

Ganz ähnlich sieht es Joachim Herrmann (CSU), Innenminister in Bayern. In seinem Bundesland kommen die meisten Ausreisepflichtigen aus dem Irak, Nigeria, Afghanistan, Äthiopien und dem Iran. Erst nach mehr als einem Jahr habe die Bundesregierung, wie im Koalitionsvertrag versprochen, mit Joachim Stamp einen Sonderbevollmächtigten für Migration eingesetzt, sagte er t-online. Aber: "Dieser ist jetzt ein Vierteljahr im Amt – Ergebnisse gibt es keine." Vielmehr habe die Bundesregierung mit ihren Gesetzesänderungen "weitere, noch stärkere Anreize für eine unkontrollierte Zuwanderung nach Deutschland geschaffen".

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Wo also liegen die Probleme mit Indien – und wo bleiben weitere Migrationsabkommen? Das Bundesinnenministerium teilt auf Anfrage von t-online mit, dass das deutsch-indische Migrations- und Mobilitätsabkommen im Dezember unterzeichnet und am 7. März in Kraft getreten sei. Das Ministerium bereite derzeit die Einrichtung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe zu Rückführungen vor. "In diesem Rahmen werden auch die erforderlichen Durchführungsbestimmungen getroffen, um die Kooperation im Bereich Rückübernahme und Rückkehr praktisch umzusetzen."

Und was ist mit den anderen Ländern, aus denen oft viel mehr Ausreisepflichtige stammen? Dazu hält sich das Ministerium bedeckt. Der Sonderbevollmächtigte Stamp sei "mit verschiedenen Ländern in vertraulichen Gesprächen". Zu Details aber könne man sich derzeit noch nicht äußern.

Die Länder wird das nicht zufriedenstellen. Kanzler Scholz und Innenministerin Faeser dürfen sich deswegen im Mai auf einen unbequemen Termin einstellen. Dann kommen Bund und Länder zu einem Flüchtlingsgipfel zusammen.

Verwendete Quellen
  • Anfragen an das Bundesinnenministerium und die Innenministerien von Sachsen-Anhalt, Bayern und Hessen
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