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Deutschland: Weshalb Migranten und Flüchtlinge oft keine Arbeit erhalten


Asylsuchende in Deutschland
Darum dürfen viele Migranten nicht arbeiten

Von Lucas Maier

Aktualisiert am 10.10.2023Lesedauer: 4 Min.
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Pro ukrainische Demonstration vor dem Brandenburger Tor in Berlin (Archivbild): Seit Kriegsbeginn sind über 1,1 Millionen Menschen aus der Ukraine nach Deutschland geflohen.Vergrößern des Bildes
Proukrainische Demonstration vor dem Brandenburger Tor in Berlin (Archivbild): Seit Kriegsbeginn sind über 1,1 Millionen Menschen aus der Ukraine nach Deutschland geflohen. (Quelle: Christian Ender/imago images)

In Deutschland kocht erneut die Debatte um Migration und Asyl hoch. Im Kern der Debatte steht auch der Arbeitsmarktzugang von Asylbewerbern. Doch wie lauten die konkreten Regeln?

Die Zahl der in Deutschland gestellten Asylanträge ist zuletzt stark angestiegen. Mehr als 204.000 Menschen stellten zwischen Januar und August 2023 einen Erstantrag in der Bundesrepublik. Das sind 77 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Im EU-Vergleich liegt Deutschland damit an der Spitze. EU-weit wurden demnach 30 Prozent aller Anträge in Deutschland gestellt.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung ist eine breite Debatte um das Asylrecht entstanden. Im Mittelpunkt der Debatte stehen unter anderem die Arbeitsmöglichkeiten von Geflüchteten in Deutschland: Zuletzt sprach sich die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD), dafür aus, dass alle Asylsuchenden mit geklärter Identität "so schnell wie möglich arbeiten dürfen". Alabali-Radovan verwies in der Debatte auch auf die derzeit 770.000 unbesetzten Arbeitsstellen in der Bundesrepublik.

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Doch wie ist der Weg in den Arbeitsmarkt für Asylsuchende in Deutschland überhaupt geregelt? t-online gibt einen Überblick:

Welche Regelungen gelten für Asylsuchende auf dem Arbeitsmarkt?

Wer in Deutschland einen Asylantrag stellt, wird für die ersten drei Monate des Aufenthalts mit einem Arbeitsverbot belegt. Außerdem gilt für "die Zeit des Aufenthaltes in einer Erstaufnahmeeinrichtung" ebenfalls ein Ausschluss vom Arbeitsmarkt, wie es laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales heißt.

Erst nach neun Monaten erhalten Asylbewerber einen Zugang zum Arbeitsmarkt. Das gilt auch für Asylbewerber, die noch in einer Aufnahmeeinrichtung wohnen. Asylbewerber mit minderjährigen Kindern dürfen dagegen schon nach sechs Monaten eine Tätigkeit aufnehmen.

Vom Asylbewerber zum Geduldeten

Wenn ein Asylantrag in Deutschland abgelehnt wird, muss die betroffene Person das Land verlassen. Allerdings kann die Ausreisepflicht auch ausgesetzt werden. Dann gelten die Betroffenen als geduldet. Gründe für eine Duldung können beispielsweise Krankheit, Studium oder ein Abschiebestopp in das jeweilige Land sein.

Wer in Deutschland einen Status als Geduldeter zugeschrieben bekommt, erhält nach drei Monaten einen Zugang zum Arbeitsmarkt – außer er oder sie ist "zum Wohnen in der Aufnahmeeinrichtung verpflichtet". Dann darf erst nach sechs Monaten eine Arbeit aufgenommen werden.

Asylsuchende aus Ländern, die als sichere Herkunftsstaaten gelten, dürfen während ihres Asylverfahrens grundsätzlich nicht arbeiten. Zuletzt wurde immer wieder die Forderung laut, die Liste der sicheren Herkunftsländer solle erweitert werden. Mehr dazu lesen sie hier.

Laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) gelten in Deutschland neben den EU-Staaten folgende Länder als sichere Herkunftsstaaten:

  • Albanien
  • Bosnien und Herzegowina
  • Ghana
  • Kosovo
  • Nordmazedonien
  • Montenegro
  • Senegal
  • Serbien

Grundsätzlich muss für Geduldete und Asylsuchende in Deutschland eine Arbeitserlaubnis der örtlichen Ausländerbehörde vorliegen. Zusätzlich muss die Bundesagentur für Arbeit der jeweiligen Arbeitsstelle zustimmen, bevor eine Arbeit aufgenommen werden darf. Ausnahmen gelten für Stellen als Fachkraft oder Ausbildungsstellen.

Wie regeln andere EU-Staaten den Zugang zum Arbeitsmarkt?

Nicht nur in Deutschland werden derzeit mehr Asylanträge gestellt, sondern in ganz Europa. Die Zahl der Asylanträge in der EU hat den höchsten Halbjahresstand seit den Jahren 2015/2016 erreicht, heißt es von der EU-Asylagentur EUAA. Doch wie ist der Arbeitsmarktzugang in anderen EU-Staaten geregelt?

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Im Nachbarland Österreich dürfen Geflüchtete, die zum Asylverfahren zugelassen sind, nach drei Monaten eine Arbeit aufnehmen. Allerdings gilt dies nur für Stellen in der Saisonarbeit oder als Erntehelfer. Die Asylsuchenden brauchen hierfür eine Beschäftigungsbewilligung, wie das Land Oberösterreich informiert. Anders als beispielsweise in Deutschland dürfen die Asylsuchenden in Österreich ohne weitere Erlaubnis gemeinnütziger Arbeit nachgehen. Der maximale Verdienst aus dieser Tätigkeit darf 110 Euro pro Monat nicht übersteigen. Andernfalls drohen Kürzungen der Grundversorgung.

In Frankreich dürfen Asylsuchende in den ersten sechs Monaten nach der Antragsstellung keiner Arbeit nachgehen. Dauert die Bearbeitung des Antrags länger als sechs Monate, können die Betroffenen eine Arbeitserlaubnis beantragen. Ähnlich stellt sich die Regelung in Dänemark dar. Hier dürfen Asylsuchende ebenfalls sechs Monate nach der Beantragung arbeiten, wie die Auswanderungsberatung Raphaelswerk e.V. schreibt.

Einen schnelleren Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten Geflüchtete in Italien. Dort können betroffene Personen bereits zwei Monate nach der Antragsstellung eine Arbeit annehmen. Weitere Beschränkungen bestehen hier nicht, wie der Arbeitsmarktservice der Provinz Bozen (Italien) schreibt.

"Mein Eindruck ist, dass Deutschland im internationalen Vergleich für Schutzsuchende eigentlich ganz gute Bedingungen schafft. Es gibt natürlich noch Luft nach oben, aber ich glaube, wir liegen da derzeit ganz gut", sagte Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zu t-online.de.

Wie viele Asylsuchende arbeiten in Deutschland?

Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 flüchten viele Menschen aus den betroffenen Gebieten nach Deutschland. Die Schutzsuchenden aus der Ukraine sind ein Sonderfall: Sie müssen im Gegensatz zu Geflüchteten aus anderen Krisen- und Kriegsgebieten keinen Antrag auf Asyl stellen. Sie erhalten auch eine Arbeitserlaubnis, sobald sie einen Antrag auf Gewährung von "vorübergehendem Schutz" gestellt haben.

Die schnelle Möglichkeit zur Arbeit machen auch die Beschäftigungszahlen deutlich: Bei ukrainischen Schutzsuchenden im erwerbsfähigen Alter, zwischen 18 und 64 Jahren, liegt die durchschnittliche Quote der Arbeitenden bei rund 18 Prozent. Das ergab die Befragung "Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland", die im Frühjahr 2023 durchgeführt wurde.

Bei Personen, die sich weniger als sieben Monate in Deutschland aufhalten, beträgt die Quote sogar einen Prozentpunkt mehr als im Durchschnitt, und bei einem Aufenthalt über 12 Monaten liegt diese bereits bei 28 Prozent. "Bei den Geflüchteten aus der Ukraine läuft die Arbeitsmarktintegration schneller, und wir wissen aus unseren Befragungen, dass diejenigen, die aktuell nicht erwerbstätig sind, zu 70 Prozent entweder in Integrationskursen, Sprachkursen oder in Bildung und Ausbildung sind", sagte Herbert Brücker.

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Quotation Mark

Die Erwerbsbiografien der Geflüchteten in Deutschland zeigen, dass sich die ungünstigen Voraussetzungen und vielfältigen Hürden für die Arbeitsmarktintegration bei ihrer Ankunft in Deutschland zunächst in niedrigen Erwerbstätigenquoten niederschlagen.


Fazit eines IAB-Kurzberichts


Wirft man einen Blick auf die Quoten bei den Geflüchteten, die nicht aus der Ukraine stammen, entsteht ein ganz anderes Bild. Hier beträgt die Beschäftigungsquote im ersten Jahr nach dem Zuzug lediglich sieben Prozent, wie aus der "IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten" hervorgeht (Stand: 2021).

Zwei Jahre nach dem Zuzug beträgt die Quote allerdings schon 20 Prozent, sechs Jahre nach dem Zuzug liegt sie dann bereits bei 62 Prozent. Beschäftigungsverbote und laufende Asylverfahren sind unter anderem der Grund für die niedrigen Erwerbstätigenquoten in den Anfangsjahren, wie es in einem Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg heißt.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Herbert Brücker
  • bmas.de: "Arbeitsmarktzugang für Geflüchtete"
  • land-oberoesterreich.gv.at: "Dürfen Flüchtlinge in Österreich arbeiten?"
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP
  • service-public.fr: "Droits du demandeur d'asile : soins, logement, aide financière..."(Französisch)
  • provinz.bz.it: "Mercato del lavoro info" (Italienisch)
  • raphaelswerk.de: "Denmark: Information for refugees" (Englisch)
  • germany4ukraine.de: "Підтримка в пошуку роботи і працевлаштуванні"(ukrainisch)
  • doku.iab.de: "Erwerbstätigkeit steigt ein Jahr nach dem Zuzug"
  • doku.iab.de: "Erwerbstätigkeit und Löhne von Geflüchteten steigen deutlich"
  • diw.de: "Geflüchtete aus der Ukraine: Knapp die Hälfte beabsichtigt längerfristig in Deutschland zu bleiben"
  • iab.de: "IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten, Befragungsjahr 2021"
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