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AfD in Sachsen-Anhalt will allein regieren – kann der Partei das gelingen?


Hier will die AfD allein regieren
Brachial an die Macht


22.05.2025 - 16:57 UhrLesedauer: 6 Min.
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Jung, radikal, digital erfolgreich: Ulrich Siegmund ist designierter Spitzenkandidat der AfD in Sachsen-Anhalt. (Quelle: IMAGO/dts Nachrichtenagentur/imago)
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Es ist der frühe Startschuss für den Wahlkampf: Die AfD in Sachsen-Anhalt stellt sich für die Landtagswahl 2026 auf. Ihr Ziel ist es, allein zu regieren und die Ausgangslage ist für sie günstig.

Eigentlich steht die AfD unter Druck. Gerade wurde sie vom Verfassungsschutz auf Bundesebene als "gesichert rechtsextrem" eingestuft, gegen mehrere ihrer früheren Aushängeschilder laufen Ermittlungen wegen Korruption.

Ulrich Siegmund aber klingt so gar nicht, als sei seine Partei in Schwierigkeiten. Im Gegenteil. "Wir haben in Sachsen-Anhalt das klare Ziel, eine Alleinregierung zu stellen", sagt er t-online. "Unser Anspruch sind 40 Prozent plus x. Darauf arbeiten wir hin."

Siegmund ist Fraktionsvorsitzender der AfD in Sachsen-Anhalt und ihr designierter Spitzenkandidat. Dort wird am 6. September 2026 ein neuer Landtag gewählt. Mehr als ein Jahr noch bis dahin – doch Siegmunds Landesverband bereitet sich schon seit einer ganzen Weile darauf vor. "Dauerwahlkampf" nennen das einige in der Partei. "Professionell" nennt es Siegmund.

Anfang April schon haben sie den ersten Direktkandidaten gewählt, an diesem Wochenende soll die gesamte Landesliste folgen. 40 bis 70 Kandidaten wollen sie vermutlich küren. Eine sehr hohe Anzahl für die AfD, die weniger Mitglieder und eine dünnere Personaldecke hat als andere Parteien. Doch die AfD will vorbereitet sein, sich zumindest so präsentieren – für den Ernstfall, dass sie tatsächlich regieren darf und Abgeordnete plötzlich zu Ministern werden müssen.

Siegmund wird an diesem Freitag als Spitzenkandidat auf Platz 1 landen, daran gibt es in seiner Partei keine Zweifel. Mit einer Mehrheit, die deutlicher nicht sein könnte, wurde er von seinen Parteikollegen am Dienstag bereits zum Direktkandidaten im Wahlkreis Genthin gewählt: 100 Prozent.

Unter seiner Leitung soll im nächsten Jahr gelingen, woran die AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke in Thüringen und Jörg Urban in Sachsen im Herbst scheiterten: die absolute Mehrheit holen, um allein zu regieren – oder zumindest so stark abschneiden, dass die CDU kippt und erstmals mit der AfD koaliert.

Es wäre die erste Regierungsbeteiligung der AfD. Und die Ausgangsbedingungen für sie sind günstig.

Lehren aus Höckes Wahlkampf

37 Prozent holte die AfD in Sachsen-Anhalt im Februar bei der Bundestagswahl. In der Partei runden sie seither auf und reden von 40 Prozent. Das hat einen Grund: Mit knapp über 40 Prozent nämlich kann es unter Umständen schon für die absolute Mehrheit reichen – je nachdem, wie viele kleine Parteien weniger als fünf Prozent erreichen und es nicht in den Landtag schaffen.

Eine Landtagswahl aber ist keine Bundestagswahl, die Ergebnisse lassen sich nicht einfach übertragen. Und Höcke hatte im Herbst in Thüringen zwischenzeitlich ähnliche Zustimmungswerte. Auch er warb für sich als Ministerpräsident. Am Ende wurde die AfD in Thüringen stärkste Kraft, holte das für sie beste Ergebnis – für die absolute Mehrheit reichte es dennoch nicht.

Die Spitzen der AfD in Bund und Ländern haben ihre Lehren aus diesem Wahlkampf gezogen. Hieß es früher, die Partei könne im Osten auch einen Besenstiel aufstellen und werde dennoch gewählt, wissen sie nun: Es kommt für die letzten, entscheidenden Prozente auch für sie auf die Köpfe im Wahlkampf an.

Radikalität ist dabei kein Störfaktor, im Gegenteil. Nicht einmal Höcke habe schließlich Wähler abgeschreckt, so die parteiinterne Analyse. Vorwürfe machen sie vielmehr Jörg Urban in Sachsen – zu blass, zu unauffällig, zu wenig aggressiv sei der im Wahlkampf aufgetreten und deswegen in Sachsen nur auf Platz 2 gelandet.

Erfolg über TikTok und "Dark Social"

Mit dem 34-jährigen Siegmund testet die AfD einen bei den Landtagswahlen für sie neuen Typus: radikal, aber mit Schwiegermutters-Liebling-Ausstrahlung und einer enormen Reichweite in den sozialen Netzwerken. Eine halbe Million Follower hat er allein auf der Plattform TikTok, wo seine Videos kurze, wütende Titel mit Ausrufezeichen tragen wie "So will man uns manipulieren!", "So wirst du belogen!" oder "CDU verkauft sich – mal wieder!"

Ähnlich wie Siegmunds Freund Maximilian Krah, der AfD-Spitzenkandidat für das EU-Parlament war und wegen diverser Skandale tief gefallen ist, gilt er damit in der Partei bundesweit als Vorbild im Digitalen. Ein Schlüssel zum Erfolg auch bei älteren und für Wahlen relevanteren Wählergruppen ist dabei, was Experten "Dark Social" nennen: Videos werden von Nutzern von einer sozialen Plattform heruntergeladen und dann über private Messenger wie WhatsApp, Telegram oder Signal an Familie und Freunde weiterverteilt. TikTok macht seinen Usern das Teilen von Inhalten auf diese Weise besonders leicht.

"Ob über TikTok, WhatsApp oder Telegram – unsere Botschaften finden ihre Empfänger", so Siegmund.

Unbeirrt radikal: Siegmunds "Sachsen-Anhalt-Weg"

Und diese Botschaften dürften in Sachsen-Anhalt in den nächsten Monaten ungehemmt radikal ausfallen. Zwar wurde die AfD auf Bundesebene gerade zur "gesichert rechtsextremen Bestrebung" hochgestuft, und schon zuvor hatten die Parteichefs in Berlin öffentlich für einen etwas zurückhaltenderen Ton geworben. Beides aber scheint Siegmund wenig zu berühren. Sein Landesverband gilt dem Verfassungsschutz schon seit Ende 2023 als "gesichert rechtsextrem". Dem Wählerzuspruch hat das keinen Abbruch getan.

"Unwahr" und "unrichtig" seien die Belege, die der Verfassungsschutz gesammelt habe, behauptet Siegmund und kündigt an: "Ab dem nächsten Jahr werden wir hier den Sachsen-Anhalt-Weg gehen." Das geschehe "unbeirrt" und bedeute: "klare und deutliche Positionen, gepaart mit dem notwendigen Verantwortungsbewusstsein".

Wie dieser "unbeirrte" Weg aussieht, dafür gab die AfD Sachsen-Anhalt kurz vor ihrem Parteitag einen Vorgeschmack. In einem Antrag im Landtag forderte sie: Der Landesslogan "#moderndenken" solle durch "#deutschdenken" ersetzt werden, zudem solle ein "Stolz-Pass" eingeführt werden. Mit dem Stempelheft sollen von der AfD ausgewählte historische Stätten vergünstigt besucht werden können – Klassenfahrten zu NS-Gedenkstätten hingegen sollen gestrichen werden.

Es ist ein geschichtsklitterndes Programm ganz in Höckes Sinne. Die NS-Zeit sei eine Belastung, gab der kulturpolitische Sprecher der AfD in Sachsen-Anhalt dazu bekannt. Und plädierte dafür, diese "Vergangenheit vergehen zu lassen". Sachsen-Anhalt solle stattdessen zum "Sehnsuchtsort aller deutschen Patrioten" werden.

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Härte gegen Migranten und Bitte um Millionen

Siegmund selbst hat sich bereits vor mehr als einem Jahr bundesweit einen Ruf erarbeitet. Da berichtete die Rechercheplattform "Correctiv" über ein Treffen zwischen AfD-Politikern und außerhalb der Partei stehenden Rechtsextremisten sowie möglichen Geldgebern in Potsdam. Siegmund war bei dem Treffen dabei und wird mehrfach im Text zitiert.

Er soll bei dem Treffen eine äußerst harte Linie in der Migration vertreten und erklärt haben, dass ausländische Restaurants in Sachsen-Anhalt unter Druck gesetzt werden sollten. So solle es "für diese Klientel möglichst unattraktiv" werden, im Land zu leben. Zudem warb er dort um Spenden für den anstehenden Landtagswahlkampf: 1,37 Millionen Euro benötige er – "zusätzlich zu dem, was durch die Partei zur Verfügung gestellt wird".

Um die Recherche von "Correctiv" tobt seither eine heftige Debatte. Einige Teilnehmer des Treffens sind vor Gericht gezogen, weil sie sich falsch wiedergegeben fühlen. Siegmund scheint das nicht zu tun, jedenfalls ist darüber nichts bekannt. Seine Zitate stehen nach wie vor unverändert im Text. Sein Anwalt teilte "Correctiv" lediglich noch vor Erscheinen des Textes offenbar recht allgemein mit, dem Mandanten würden falsche Dinge unterstellt.

Brachialstil gegen die CDU

Im Wahlkampf ist Migration eines der Hauptthemen, auf die Siegmund setzen will – neben der inneren Sicherheit, der Inflation, den "Rundfunkzwangsbeiträgen" und einem "klaren Nein zum Kriegskurs" der Regierung auf Bundesebene. Ein weiteres Element, das er nicht aufzählt: heftiges CDU-Bashing. Von den letzten fünf Videos auf seinem TikTok-Kanal handeln drei von Verfehlungen der CDU. Auch unter anderen Beiträgen verwendet er immer wieder den Hashtag #niewiedercdu.

Es ist ein Brachialstil, den die AfD auch im Bundestagswahlkampf schon genutzt hat. Und der in seiner Aggressivität fraglich macht, ob sie sich nicht ihren zweiten, realistischeren Weg zur Macht ein Stück weit selbst verbaut: eine Koalition mit der CDU.

Die nämlich schließt zwar im Landtag jede Kooperation mit der AfD aus. CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff gilt für diese Haltung als Garant und Treiber. Im Landesverband der Christdemokraten aber ist diese Position umstritten. Und in den politischen Gremien unterhalb des Landtags haben die Parteien schon oft zusammen abgestimmt. Zuletzt zum Beispiel, um im Jerichower Land Schulen und Dienstgebäude zum Hissen der Deutschlandfahne zu verpflichten.

Siegmund aber sieht offenbar wenig Bedarf, sich im Wahlkampf auf die CDU zuzubewegen, so lange die im Landtag mauert. "Die Menschen, gerade in Ostdeutschland, haben ein ausgeprägtes Unrechtsradar", sagt er. "Die stärkste Kraft ausschließen zu wollen – das kommt da nicht gut an."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Gespräch mit Ulrich Siegmund
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