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Linke wittert Chance auf Mitsprache: auf Augenhöhe mit der CDU?


Die Linke fordert Merz heraus
Ist es wirklich so einfach?


26.07.2025 - 16:18 UhrLesedauer: 5 Min.
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Heidi Reichinnek: Sie ist Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag. (Quelle: IMAGO/M. Popow/imago)
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Die Linke ist seit vielen Jahren im Bundestag vertreten. Doch im Parlament ist sie bei der Besetzung wichtiger Posten oft außen vor, denn die Union will nicht mit ihr zusammenarbeiten. Das will die Linke nun ändern.

Eine klare Absage. Die hat Kanzleramtschef Thorsten Frei von der CDU Linken-Chef Jan van Aken erteilt. Letzterer pochte nach dem Debakel um die gescheiterte Richterwahl für das Verfassungsgericht darauf, dass auch seine Partei künftig Richter vorschlagen kann. Denn bislang wurde die Linke nicht in die parteipolitischen Absprachen über die Besetzung von Richterposten eingebunden. "Unsere vier Millionen Wähler haben das Recht, auch beim Verfassungsgericht mitzureden", so van Aken zu t-online. Für seine Partei geht es nach Jahren der politischen Ausgrenzung um Einfluss und Anerkennung.

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Wegen der neuen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag ist die Besetzung von Verfassungsrichter-Posten ohne Stimmen der Linken oder der AfD schwierig. Die beiden Parteien haben eine sogenannte Sperrminorität und können bestimmte Entscheidungen, für die eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist, blockieren. Dazu zählt auch die Wahl von Verfassungsrichtern. Für die Union ist das ein Dilemma. Sie schließt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit der Linken aus – ebenso mit der AfD. Das ist im Unvereinbarkeitsbeschluss geregelt.

Die Zwickmühle der Union ist für die Linkspartei eine Chance. Mit der geplatzten Wahl der Juraprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf und zwei weiterer neuer Richter für Karlsruhe hat die Linke Zeit gewonnen. Sie kann nun die Sommerpause nutzen, um ihre eigene Forderung nach einem Vorschlagsrecht zu forcieren. Dabei geht es am Ende um mehr als ein eigenes Vorschlagsrecht. Kann der Richterstreit für die Partei ein Weg heraus aus der Isolation im Bundestag sein?

Ausweg Bundesrat?

Linken-Parteichef van Aken ging vor einigen Tagen einen Schritt auf die Union zu – und bot Verhandlungen "unter dem Radar" an. "Ich muss jetzt nicht die CDU öffentlich vorführen", sagte er Anfang der Woche zu t-online. Zumindest öffentlich hat die CDU aber direkt abgeblockt. Kanzleramtschef Frei sagte bei Welt TV über eine Zusammenarbeit mit der Linken: "Nein, das kann ich mir nicht vorstellen." Doch ist es wirklich so einfach?

Frei schloss nicht aus, dass auch der Bundesrat die Wahl der Verfassungsrichter übernehmen könnte, sollte die Blockade anhalten. Das ist dank einer neuen Regel unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Der Politikwissenschaftler Michael Koß von der Lüneburger Leuphana Universität hält von einem solchen Vorgehen nichts. "Im Endeffekt kann man auch durch Nichthandeln natürlich was machen. Aber dann steht man, finde ich, insgesamt als Regierung extrem blöd da", sagt er im Gespräch mit t-online. Koß findet van Akens Vorschlag, unter dem Radar zu verhandeln, hingegen "ziemlich klug".

Linke half Union schon einmal

"Die Linke kann sich nun auf jeden Fall weiter als eine ziemlich pragmatische und auch verlässliche Partei zeigen. Das hat sie auch schon getan, ich denke da an die Kanzlerwahl", so Koß. Da habe die Linke für CDU-Chef Friedrich Merz "die Kastanien aus dem Feuer geholt". In der Tat half damals die Linke, schnell einen zweiten Durchgang zur Kanzlerwahl von Merz zu ermöglichen. Die Situation war einigermaßen bizarr. Die Telefonnummern des aktuellen Fraktionsvorsitzes der Linken hatte in der Unionsspitze offenbar niemand.

Ausgerechnet Alexander Dobrindt, der schon mehrfach ein Verbot der Linken gefordert hatte und Koß zufolge nicht als "Linken-Liebhaber aktenkundig" geworden ist, sprang über seinen Schatten. Der CSU-Politiker griff zum Telefon und sprach mit Janine Wissler, zwar nicht die aktuelle, aber immerhin einstige Linken-Chefin. Danach schien sich bei der Union etwas zu bewegen. Nein, gegen den Unvereinbarkeitsbeschluss habe das nicht verstoßen, es sei ja keine inhaltliche Zusammenarbeit gewesen, hieß es von Unionspolitkern. Aber vielleicht müsse man da jetzt im Verhältnis doch mal etwas überdenken.

Doch schon kurze Zeit später zeigte sich, dass die Gräben zwischen der Union und der Linken offenbar weiterhin unüberwindbar groß sind. Ende Juni fiel die Linken-Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek bei der Wahl ins Geheimdienst-Kontrollgremium durch. Die Union hatte Vorbehalte gegen Reichinnek, diese sei zu radikal. Der Schritt machte deutlich: Ein Ende der Ausgrenzung – für die Linke erst mal weiter Wunschdenken.

Wieder bewegt sich Dobrindt

Und damit zurück zur geplatzten Richterwahl. Auch hier war es wieder Dobrindt, der vorsichtig die Hand in Richtung Linke ausstreckte und sich offen für Gespräche zeigte. "Ich habe sogar noch eine zweite Telefonnummer da, die ich da anwählen könnte", sagte der Innenminister im Deutschlandfunk. Bei der Linken gab man sich allerdings erst mal reserviert und machte dann ganz unmissverständlich klar, welche Gegenleistung man für eine Unterstützung bei der Richterwahl erwarte: Ein eigenes Vorschlagsrecht – was die Union ihr bisher keinesfalls zugestehen will.

So weit, so festgefahren? Politikwissenschaftler Koß sagt: "Diese Art von am Ende doch Arroganz der Linken gegenüber, ich glaube, das wird der Union noch auf die Füße fallen." Als Kanzleramtsminister könne Frei es sich nur leisten, die Linken völlig vor den Kopf zu stoßen, wenn er sich hundertprozentig sicher sein könne, dass er die Linken in dieser Legislaturperiode nicht mehr brauche. "Da würde ich nach zwei Monaten mal sagen: Glaube ich nicht. Das ist einfach unplausibel." Es gehe nicht darum, der Linken ein "Unbedenklichkeitsattest" auszustellen, so Koß. "Es geht einfach darum: Brauche ich die noch?"

Van Aken: "Mit demokratischen Parteien das Gespräch suchen"

Koß hat Zweifel daran, dass es die Linke schafft, über den Sommer ein Vorschlagsrecht auszuhandeln. Auch die Linken sind da realistisch und schrauben die Erwartungen direkt herunter. Parteichef van Aken hat klargemacht, dass man sich erst mal mit entsprechenden Signalen in Richtung Vorschlagsrecht seitens der Union zufriedengeben würde. Dabei handelt es sich gewiss auch um ein taktisches Vorgehen, um sich am Ende nicht an der Maximalforderung nach dem Vorschlagsrecht messen lassen zu müssen. Die Linke werde jetzt "weiter mit den anderen demokratischen Parteien das Gespräch suchen", so van Aken zu t-online nach der öffentlichen Klatsche von Kanzleramtschef Frei.

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Aussagen dieser Art, die bei der Linken zuletzt öfter fielen, lassen sich auch als kleiner Seitenhieb in Richtung Union verstehen. Sprach diese doch in der Vergangenheit immer von den "demokratischen Parteien", um die Linke explizit auszuschließen. Nun ist es die Linke, die sich pragmatisch und verlässlich gibt. Doch bei den Unionsparteien dürfte man sich auch fragen, wie ernst man die Drohung der Linken überhaupt nehmen muss.

Auch vor der Sommerpause hatte die Linke schon Gespräche über ein Vorschlagsrecht eingefordert. Dennoch waren offenbar einige Abgeordnete der Linken bereit, bei der Richterwahl für alle drei vorgeschlagenen Kandidaten zu stimmen, also auch für den Unions-Kandidaten Günter Spinner. So hätte sie Schwarz-Rot die notwendige Mehrheit jenseits der AfD gesichert.

Wäre es tatsächlich so gekommen, hätte sich die Linke ähnlich wie bei der Kanzlerwahl für eine staatstragende Rolle entschieden und die eigenen Forderungen hintangestellt. Sollte sich bis nach der Sommerpause nichts am Personaltableau der Verfassungsrichter-Posten ändern, könnte es wieder auf eine ähnliche Situation hinauslaufen. Bleibt die Union beim Vorschlagsrecht stur, sitzt auch die Linke bei einer neuerlichen Abstimmung in der Falle. Denn gibt sie nach, wird sich das auch die Union merken.

Verwendete Quellen

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