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Transitzentren: Wer in der SPD gegen die Pläne der Union ist


Asylkompromiss
Wer in der SPD gegen die Pläne der Union ist


05.07.2018Lesedauer: 5 Min.
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Heiko Maas auf dem Weg zur Fraktionssitzung der SPD-Fraktion im Bundestag: Am Donnerstagabend wird im Koalitionsausschuss entschieden, ob die Sozialdemokraten den Asylplänen der Union zustimmen. Dabei gibt es einige Genossen, die sich gegen Transitzentren aussprechen.Vergrößern des Bildes
Heiko Maas auf dem Weg zur Fraktionssitzung der SPD-Fraktion im Bundestag: Am Donnerstagabend wird im Koalitionsausschuss entschieden, ob die Sozialdemokraten den Asylplänen der Union zustimmen. Dabei gibt es einige Genossen, die sich gegen Transitzentren aussprechen. (Quelle: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Heute Abend soll sich entscheiden, ob die SPD die geplanten Transitzentren der Union mitträgt. Viele Genossen sind dagegen. Trotzdem wird die SPD wohl zustimmen – auch in der Hoffnung auf Gegenleistungen.

Als die große Koalition im Spätsommer 2015 um Ordnung bei der Einreise von Migranten bemüht war, hatte Horst Seehofer eine Idee: Er wollte Transitzonen an den Grenzen, Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsstaaten oder mit gefälschten Pässen sollten dort einfach wieder fortgeschickt werden können. Vorbild waren Bereiche an deutschen Flughäfen, dort war das Prozedere schon lange gängige Praxis. Der Plan scheiterte an der SPD, die wollte nämlich keine solchen Massenlager zulassen. Der damalige SPD-Chef Sigmar Gabriel sprach gar von "Haftzonen" auf deutschem Boden.

Heute, drei Jahre später, hat Horst Seehofer wieder eine Idee – und die hat sogar den Unionsfrieden gerettet: Transitzentren an der Grenze, die Flüchtlinge abweisen, die sich bereits in einem anderen Land um Asyl bemüht haben, nun aber doch nach Deutschland wollen. Innerhalb von 48 Stunden soll die Überprüfung klappen, dann heißt es "Willkommen in Deutschland" oder "Tschüss".

Das Problem – immer noch heißt der Koalitionspartner SPD. Deren Reaktion: Etwas Poltern, aber auch etwas Lob. SPD-Chefin Andrea Nahles etwa freute sich, dass die Union einen Kompromiss in ihrer Krise gefunden hatte. Vizeparteichef Ralf Stegner kündigte auf Twitter an, dass seine Partei die Beschlüsse sorgfältig prüfen werde. Die Union habe nach wochenlangem Rosenkrieg ein "nächtliches Ei" gelegt.

Die SPD hielt sich bislang offen, ob sie dem Kompromiss der Union zustimmt. Am Abend wird der gemeinsame Koalitionsausschuss mit CDU und CSU tagen, dann soll sich entscheiden, ob die Sozialdemokraten den Kompromiss mittragen, oder ob sich weigern – und damit die Koalition, die doch gerade erst gerettet wurde, wieder gefährden. Kritik am Asylkompromiss gibt es reichlich. Doch wer in den vergangenen zwei Tagen mit Sozialdemokraten sprach, bekam den Eindruck, dass sie sich nicht sperren wird.

Wer klar dagegen ist:

  • Juso-Chef Kevin Kühnert will nicht verhandeln. "Wer möchte, dass Menschen, die einen Asylantrag gestellt haben und die mitnichten eine Straftat begangen haben, einkaserniert werden, und sei es nur für zwei Tage, wird sich an uns die Zähne ausbeißen."

Wer sich dagegen ausspricht:

  • Den Anfang machte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. "Das Ergebnis ist ein dünnes Papier mit drei Punkten, die aktuell niemand versteht: So viel Unprofessionalität wie in den letzten Tagen habe ich von einer Regierungspartei noch nicht erlebt. Für uns gilt: Wir wollen keine geschlossenen Lager."
  • Auch Partei-Vize Ralf Stegner argumentiert ähnlich. "Statt geschlossener Einrichtungen für Flüchtlinge à la CSU, die es mit der SPD nicht geben wird, sollten wir lieber eine humanitäre europäische Migrationspolitik betreiben, wie das die SPD beschlossen hat. Wir wollen keine Flüchtlingsfamilien hinter bewachten Zäunen!"
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  • SPD-Urgestein Karl Lauterbach schreibt auf Twitter: "Wir werden uns an drei Punkten im Asylstreit der Union null bewegen: keine Lösung ohne Einigung mit Partnern in Europa, keine geschlossenen Lager, Rechte der Flüchtlinge nicht eingeschränkt. Gegen Beschleunigung und bessere Organisation haben wir nichts."

Immerhin, viele in der SPD wollen sich den Kompromiss zumindest einmal anhören. Sie sind zwar eigentlich gegen Transitzentren, wollen die Groko aber nicht aufs Spiel setzen.

Daher: Wer sich nicht so klar dagegen ausspricht:

  • Heiko Maas: "Geschlossene Massenlager lehnen wir ab – nach wie vor. Wir brauchen eine humanitäre und realistische Migrationspolitik – ohne nationale Alleingänge." Er klingt dabei fast wie sein Generalsekretär. Aber nur fast. Der Außenminister ändert ein Wort. Statt Lager heißt es Massenlager. Und schon könnte er Transitzentren zustimmen. Denn ein Ex-Partei-Chef liefert die Zahlen dafür.
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  • Sigmar Gabriel sagt: "Die Transitzonen 2015, da ging es pro Tag um 3.000, 4.000, 5.000 Flüchtlinge. Wir haben damals gesagt, wir wollen hier keine Stadien füllen und Leute festhalten. Wir reden heute über völlig andere Größenordnungen."
  • Auch Justizministerin Katarina Barley will erst einmal abwarten, was die Gespräche bringen. Immerhin sagt sie aber auch: "Rechtsstaatliche Grundsätze sind keine lästige Pflicht. Die sogenannte Einigung von CDU und CSU ist in vielen Punkten rechtlich fragwürdig."
  • Für den Bundestagabgeordneten Burkhard Lischka ist die Begrifflichkeit ein Problem. Er bringt daher als Alternative das "Expresszentrum" ins Spiel. Und er sagt, es gehe für die SPD jetzt darum, aus diesem "sehr, sehr schmalen Kompromisspapier" von CDU und CSU ein "vernünftiges, tragfähiges und rechtmäßiges Konzept" zu machen.

Offen für die geplanten Transitzentren spricht sich niemand in der SPD aus. Nur im Umkreis der Partei finden sich Befürworter, wenn auch indirekt.

Wer wohl für Transitzentren ist:

  • Julian Nida-Rümelin ist Philosoph und im Ethikrat der SPD. Er hat eine klare Auffassung, was an der Grenze passieren muss. "Demokratische Staatlichkeit kann es ohne funktionierende Grenzen nicht geben. Grenzen sind konstitutiv für eine Demokratie – das gilt auch für Europa, das ja eine ergänzende staatliche Ordnung ist."

Warum ein Ja zum Kompromiss trotzdem wahrscheinlich ist

Und trotzdem ist es eher wahrscheinlich, dass die SPD den Kompromiss durchwinkt.

Die SPD hatte zwei Wochen Zeit, um zu erklären, sie werde eine Verschärfung des Asylrechts, die über das im Koalitionsvertrag Vereinbarte hinausgeht, nicht mittragen; das hat sie so klar nie getan. Da deutete sich schon an, dass die Sozialdemokraten diesen Streit nicht zum Anlass nehmen würden, die Koalition aufs Spiel zu setzen. Wer in den vergangenen Tagen mit Genossen sprach, hörte in verschiedenen Variationen immer ähnliche Argumente dafür, dass die SPD die so genannten Transitzentren wohl mittragen kann.

Erstens gehe es nur um so wenig Menschen an so wenigen Grenzübergängen mit so vielen Ausweichmöglichkeiten, dass sich die so genannten Transitzentren nicht zu Massenlagern entwickeln würden. Solange diese wenigen Fälle schnell, eben analog zum Verfahren an Flughäfen, entschieden würden, sei das nicht wünschenswert, aber hinnehmbar.

Zweitens löse der Kompromiss nur ein Scheinproblem, wie auch die Union sich über ein Scheinproblem verkracht habe. Man müsse zwar Zuwanderung besser steuern, man müsse auch Wege finden, anderswo registrierte Flüchtlinge in die zuständigen EU-Staaten zurückzubringen, aber es sei albern und kontraproduktiv, die ganze Zeit über dieses Thema zu streiten. Anders gesagt: Niemand habe etwas davon, wenn man sich immer und immer weiter über ein Scheinproblem zanke. Das Thema soll abgeräumt werden, damit man wieder über anderes reden kann. Es ist es nicht wert, deswegen die Regierung zerbrechen zu lassen.

Dass die SPD bereit ist, den Kompromiss zu akzeptieren, ist also wahrscheinlich. Die Frage ist nur: Was will sie im Gegenzug haben? Die Zustimmung der Union zu einem Einwanderungsgesetz, auf das man sich aber sowieso schon geeinigt hat? Oder Zugeständnisse in der Sozialpolitik, etwa bei Renten, Löhnen, Mieten oder sozialem Wohnungsbau?

Ganz ohne Zugeständnisse werde man nicht einwilligen – auch das war immer wieder zu hören.

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