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Wahlrechtsreform: So will die Ampel den Bundestag verkleinern


Eckpunkte stehen
So will die Ampel den Bundestag verkleinern

  • Johannes Bebermeier
Von Johannes Bebermeier

03.07.2022Lesedauer: 3 Min.
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Bundestag: Hier sollen künftig nur noch 598 Abgeordnete sitzen.Vergrößern des Bildes
Bundestag: Hier sollen künftig nur noch 598 Abgeordnete sitzen. (Quelle: Christian Spicker/imago-images-bilder)

Der aus dem Ruder gelaufene Bundestag soll deutlich schrumpfen. Nur wie? Die Ampel will sich jetzt auf ein Modell festlegen.

Die Ampelfraktionen wollen nach Informationen von t-online am Dienstag Eckpunkte für eine Wahlrechtsreform beschließen. Eine Beschlussvorlage für die Fraktionssitzungen von SPD, Grünen und FDP, die t-online vorliegt, spricht sich dabei für das sogenannte "Prinzip der Zweitstimmendeckung" aus. Damit stellt sich die Ampel unter anderem gegen das Grabenwahlrecht, für das sich die Unionsfraktion einsetzt.

Ziel der Wahlrechtsreform ist es, den Bundestag zuverlässig zu verkleinern. Derzeit gibt es 736 Abgeordnete, theoretisch könnte das Parlament bei der nächsten Wahl jedoch noch größer ausfallen – was nicht nur zu Platzproblemen in den Bürogebäuden führen würde.

Um die Reform vorzubereiten, tagt derzeit eine überparteiliche Wahlrechtskommission, die bis zum 31. August ihren Zwischenbericht vorlegen soll. Anschließend soll dann dem Willen der Ampel nach auf Basis des Fraktionsbeschlusses und des Zwischenberichts im Herbst das Gesetzgebungsverfahren beginnen.

Streit über die Wahlrechtsreform ist dabei fast unvermeidlich und hat in der Vergangenheit verlässlich dazu geführt, dass eine grundlegende Reform gescheitert ist. Denn eine Verkleinerung des Bundestages führt zwangsläufig dazu, dass Abgeordnete ihre Mandate verlieren werden – auch aus den Regierungsfraktionen. Der geplante Beschluss der Ampel ist deshalb eine wichtige Vorfestlegung in der Debatte.

Das Ende der Überhangmandate

Die Ampel will den Bundestag auf die Regelgröße von 598 Abgeordneten schrumpfen. Dafür sollen Überhangmandate und Ausgleichsmandate wegfallen. Überhangmandate entstehen derzeit, wenn Parteien in mehr Wahlkreisen ein Direktmandat gewinnen, als ihnen an Zweitstimmen prozentual eigentlich zustehen würden – was dann wiederum mit Ausgleichmandaten für die anderen Parteien kompensiert wird. Besonders die CSU in Bayern gewinnt traditionell viele Überhangmandate.

"Für die kommende Bundestagswahl wollen wir das Prinzip der Zweitstimmendeckung einführen", heißt es im Beschlusspapier der Ampel nun. Die Bürger würden dabei weiterhin mit Erststimme einen Wahlkreiskandidaten und mit Zweitstimme eine Partei wählen. Der Wahlkreiskandidat würde aber nur dann in den Bundestag einziehen, wenn sein Mandat durch Zweitstimmen gedeckt ist, seine Partei also mit der Zweitstimme genügend Sitze im Bundestag gewonnen hat.

Trotzdem sollen alle Wahlkreise weiterhin eine Vertretung im Bundestag haben, heißt es im Papier. Wie genau das Mandat verteilt wird, wenn der eigentliche Direktkandidat keine Zweitstimmendeckung hat, darauf legen sich die Ampelfraktionen im Beschluss noch nicht fest. Derzeit werden dafür in der Wahlrechtskommission vor allem zwei Modelle ernsthaft diskutiert.

Beim ersten Modell würde schlicht der zweitplatzierte Kandidat einziehen, sofern seine Partei ausreichend Zweitstimmen gesammelt hat. Die Beschlussvorlage der Ampelfraktionen lässt jedoch eine leichte Präferenz für ein etwas komplizierteres Modell erkennen.

Bei diesem Verfahren müssten die Wähler auf dem Wahlzettel nicht nur einen Direktkandidaten ankreuzen, sondern auch eine Ersatzstimme für einen weiteren Kandidaten vergeben. Sollte der eigentlich bevorzugte Direktkandidat dann nicht in den Bundestag einziehen können, würden die Ersatzstimmen dieser Wähler auf die jeweiligen Ersatzkandidaten verteilt. Der Vorteil wäre also, dass die Wahlentscheidung der Bürger für einen Kandidaten im Zweifel nicht ganz verfällt.

Die Zahl der Wahlkreise soll dem Willen der Ampel zufolge unverändert bleiben. "Es wird auch weiterhin 299 Wahlkreise geben", heißt es. Damit wird Streit über den neuen Zuschnitt und die Vergrößerung von Wahlkreisen vermieden. Die schon laufende Reduzierung auf 280 Wahlkreise, die noch die Große Koalition beschlossen hatte, würde gestoppt.

"Alle büßen prozentual gleich viele Sitze ein"

Die Ampel betont im Papier, dass ihr Modell mit dem Wahlergebnis von 2021 "lediglich in 34 von 299 Wahlkreisen zu einer anderen Verteilung des Wahlkreismandats geführt" hätte. Besonders die Unionsfraktion kritisiert jedoch, dass auf diese Weise eigentlich direkt gewählte Abgeordnete zum Teil nicht im Bundestag landen. Das sei verfassungswidrig.

In den Ampelfraktionen sehen das viele anders. "Wir wollen sicherstellen, dass der Bundestag die Regelgröße auf faire Art und Weise einhält", sagt Till Steffen t-online, der für die Grünen als Obmann in der Wahlrechtskommission sitzt. "Deshalb achten wir mit unserem Modell sehr darauf, dass alle Parteien prozentual gleich viele Sitze im Bundestag einbüßen und niemand benachteiligt wird."

Die Ampel betont zwar in dem Beschluss, die Unionsfraktion und die Linke in die Reform einbinden zu wollen. Sie können das neue Wahlrecht aber im Zweifel auch allein beschließen. Und müssen das vielleicht sogar. Denn derzeit scheinen die Fronten zwischen Ampel und Union eher verhärtet zu sein.

Verwendete Quellen
  • Beschlussvorlage der Obleute der Koalitionsfraktionen der Wahlrechtskommission
  • Eigene Recherche
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