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Zuschüsse: Bundesregierung will Parteien satten Geldregen bescheren


Im Schatten der WM
Bundesregierung will Parteien neuen Geldregen bescheren

dpa, Georg Ismar

14.06.2018Lesedauer: 4 Min.
Fußballfans vor dem Bundestag: Ausgerechnet im Schatten der Weltmeisterschaft will die Groko ein neues Gesetz zur Erhöhung der Parteienzuschüsse durch den Bundestag bringen.Vergrößern des BildesFußballfans vor dem Bundestag: Ausgerechnet im Schatten der Weltmeisterschaft will die Groko ein neues Gesetz zur Erhöhung der Parteienzuschüsse durch den Bundestag bringen. (Quelle: imago-images-bilder)
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Im Hauruck-Verfahren wollen Union und SPD die steuerfinanzierten Partei-Zuschüsse deutlich erhöhen. Vor allem die Sozialdemokraten haben eine Finanzspritze dringend nötig.

Dietmar Nietan hat erstaunlich gute Laune so früh am Morgen, um 7.30 Uhr beim Frühstück im Bundestagsrestaurant. Der Schatzmeister der SPD grübelt seit Monaten über Sparplänen. Allein die komplizierte Regierungsbildung mit Sonderparteitagen und dem SPD-Mitgliedervotum hat rund vier Millionen Euro extra gekostet.

Noch so ein Sonderparteitag und Nietan hätte wohl in die Tischkante gebissen – so teuer hat er sich das mit der innerparteilichen Demokratie nicht vorgestellt. Ihm fehlen wegen des Absturzes auf 20,5 Prozent bei der Bundestagswahl auch noch jährlich 1,6 Millionen Euro aus der staatlichen Parteienfinanzierung – die wichtigste Einnahmequelle mit rund einem Drittel Anteil, danach folgen die Mitgliedsbeiträge.

Die große Koalition will den Maximalbetrag für die staatliche Parteienfinanzierung anheben. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass alle Parteien zusammen ab 2019 höchstens 190 Millionen Euro bekommen dürfen, statt wie bisher 165 Millionen Euro. Begründet wurde dies vor allem mit gestiegenen Kosten durch die Digitalisierung der Kommunikation und die sozialen Medien. Bekannt wurde der Entwurf der Öffentlichkeit erst vor wenigen Tagen. Schon an diesem Freitag soll der Bundestag das Vorhaben beschließen.

Als Rheinländer kennt Nietan das kölsche Grundgesetz. Artikel 3 lautet: "Et hätt noch immer jot jejange" ("Es ist noch immer gut gegangen"). Dass er vorerst nicht ans Tafelsilber ran muss – die Sozialisten in Frankreich mussten sogar die Parteizentrale verkaufen – liegt auch am Einsatz von Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles.

Die hat in kleiner Runde mit ihren Koalitionskollegen Volker Kauder (CDU) und Alexander Dobrindt (CSU) beschlossen, dass die Geldsorgen gelindert werden – auf Kosten der Steuerzahler. Die beiden größten Wahlverlierer – Union und SPD – wollen die Parteienfinanzierung ausweiten. Von 165 auf 190 Millionen Euro. Davon profitieren auch die Oppositionsparteien, aber in der Summe besonders Union und SPD.

Parteitage sollen spartanischer ausfallen

Nietan betont: "Es ist nicht so, dass uns das aller finanziellen Probleme entledigt." Gespart werden muss trotzdem, zum Beispiel könnten Parteitage etwas spartanischer ausfallen. "Wir wollen mit Inhalten überzeugen statt mit toller Technik und schönen Bildern."

Nietan betont, dass er einen zweistelligen Millionenbetrag seit 2013 allein in die Digitalisierung gesteckt habe. Begründet wird die Rekorderhöhung der Zuschüsse von Union und SPD denn auch primär mit gestiegenen Ausgaben für soziale Medien – die Kommunikation auf Kanälen wie Facebook, Twitter und YouTube ist halt viel aufwendiger geworden, zudem steigen die Ausgaben zum Schutz gegen Hackerangriffe.

Und sicher: In Zeiten, in denen die Demokratie unter Druck gerät, ist eine vernünftige, weitgehend unabhängige Ausstattung der Parteien wichtig. Es ist ein anderes Finanzierungssystem als in den USA, wo Millionäre mit Spenden massiv die Politik beeinflussen. Aus dem CDU-Vorstand heißt es, ohne mehr Mittel werde auch die Verankerung in der Fläche mit eigenen Geschäftsstellen immer schwieriger, da man mehr Hauptamtliche bezahlen muss, Ehrenamtliche werden weniger.

Linksfraktion droht mit Klage

Aber selten wurde ein nicht dringend notwendiges Gesetz mit so viel Tempo durch den Bundestag gepeitscht. Vergangene Woche wurde das von FDP, AfD, Linken und Grünen scharf kritisierte Hauruck-Vorhaben publik und in den Bundestag eingebracht – gerade mal eine Woche später soll es nun am Freitag schon final beschlossen werden. Die Linke prüft bereits eine Normenkontrollklage gegen das Vorhaben.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, kritisiert: "Die Koalition schiebt etliche gesellschaftliche Themen auf die lange Bank, aber die eigenen Probleme beseitigt sie in neun Werktagen". Unter Punkt C, Alternativen, steht im Entwurf: "Keine". Dabei würde einem viel einfallen: Doppelstrukturen abschaffen, weniger teure Parteitagsinszenierung, kleinere Vorstände, weniger Umfragen, die die ganze Politik inzwischen dominieren.

Soll im Schatten der Fußball-Weltmeisterschaft das Projekt zügig durchgezogen werden? Spielt das nicht der AfD in die Hände, die gegen die "Altparteien" und deren Verschwendung wettert? Im Bundestag meinte SPD-Fraktionsmanager Carsten Schneider zur AfD-Kritik, dass man sich halt nicht wie die AfD "von russischen Gönnern den Privatjet bezahlen lässt", worauf AfD-Fraktionschefin Alice Weidel rief: "Sie brechen die Verfassung! Sie gehören alle auf die Anklagebank und eingelocht." Der Deutsche Bundestag 2018.

Der Zeitplan ist auch so eng getaktet, weil bis Anfang Juli der Haushalt verabschiedet werden soll. Die für Anfang 2019 geplante Aufstockung muss noch eingepreist werden. Die Staatsrechtlerin Sophie Schönberger von der Universität Konstanz hält das Ganze für verfassungswidrig. So eine starke Anhebung wäre "nur bei einschneidenden Veränderungen" rechtens, die es nicht gebe. Zudem könne der Eindruck einer "Selbstbedienungs-Mentalität" entstehen.

FDP-Schatzmeister Hermann Otto Solms rät Union und SPD: "Machen sie bessere Politik, dann kriegen Sie auch wieder mehr Zustimmung, und dann werden Sie ihre Finanzprobleme auch lösen". Die Liberalen schafften es trotz drastischem Sparkurs zurück in den Bundestag.

SPD hat 100 Millionen in Immobilien

Wie viel Geld steht den beiden großen Parteien bisher überhaupt zur Verfügung? Die CDU hatte laut des jüngsten Rechenschaftsberichts 2016 Einnahmen von 144,8 Millionen Euro – neben 49,5 Millionen Euro aus der Parteienfinanzierung vor allem Mitgliedsbeiträge sowie Beiträge der Mandatsträger und Spenden. Die Ausgaben lagen bei 130 Millionen Euro. Insgesamt hat die CDU ein Reinvermögen von 164,8 Millionen Euro. Allerdings sind das die Zahlen von vor dem Bundestagswahlkampf.

Die SPD hat für 2016 sogar ein Reinvermögen von 217,5 Millionen Euro angegeben, hat also durchaus erhebliche Rücklagen. Allein 102,4 Millionen Euro macht der Immobilienbesitz aus, dazu rund 10 Millionen Beteiligungen, etwa an Zeitungen. An Einnahmen erzielte die SPD 156,7 Millionen Euro, davon 50,7 Millionen Euro aus der staatlichen Parteienfinanzierung und 49,2 Millionen von den Mitgliedern. Die Ausgaben betrugen 2016 rund 141 Millionen Euro.

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Verdächtig ist das Projekt, weil es in den Koalitionsverhandlungen gar keine Rolle spielte und jetzt wie Kai aus der Kiste kommt. Die Linke fordert, im Gegenzug wenigstens Unternehmensspenden ganz zu verbieten, um die Politik unabhängiger zu machen. Es ist aber nicht so, dass sich etwa Nietan nicht längst viele Spargedanken gemacht hat. In viereinhalb Jahren als Schatzmeister hat er drei Parteichefs, vier Generalsekretäre und drei Bundesgeschäftsführer erlebt. Immer wenn er ran wollte an die Strukturen im Willy-Brandt-Haus, kam jemand neues. Und die Papiere verschwanden wieder.

Er verhehlt nicht, dass die Millionenspritze nun auch für ihn alles etwas entspannter macht.

Verwendete Quellen
  • dpa
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