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AfD-Spenden: Frauke Petry packt über Hintermänner aus


Frauke Petry: AfD-Spitzenpolitiker "nicht mehr Herr ihres Handelns"

Ein Gastbeitrag von Frauke Petry, parteilos

15.06.2021Lesedauer: 8 Min.
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Die ehemalige AfD-Vorsitzende Frauke Petry: "Die Liste derjenigen, die sich der inhaltlichen Einflussnahme durch das Geld widersetzten, ist vergleichsweise kurz."Vergrößern des Bildes
Die ehemalige AfD-Vorsitzende Frauke Petry: "Die Liste derjenigen, die sich der inhaltlichen Einflussnahme durch das Geld widersetzten, ist vergleichsweise kurz." (Quelle: Robert Michael/imago-images-bilder)

Von wem hat die AfD dubiose Spenden bekommen? Was ist mit dem Geld passiert? Diese Fragen bestimmen seit Jahren die Schlagzeilen. Nun schildert die ehemalige Vorsitzende Petry ihre Sicht der Dinge.

Seit Jahren überschlagen sich die Schlagzeilen zur AfD-Spendenaffäre. Dubiose Gelder flossen verdeckt zum Teil über Strohmänner aus dem Ausland, um den Wahlkampf zu finanzieren. Dafür musste die Partei schon hohe Strafzahlungen der Bundestagsverwaltung hinnehmen. Noch immer laufen strafrechtliche Ermittlungen und Verwaltungsverfahren. Noch immer liegt vieles im Dunkeln.

Eine, die dazu bislang weitgehend schwieg, ist Frauke Petry, geboren 1975, heute parteilose Bundestagsabgeordnete. Von 2013 bis 2017 erlangte sie als Parteichefin der AfD bundesweite Bekanntheit. Einen Tag nach der Bundestagswahl teilte sie mit, nicht der künftigen Fraktion anzugehören. Wenig später verließ sie die Partei. Der Machtkampf in der AfD war für sie verloren, Politiker, die noch weiter rechts standen als Petry, übernahmen das Ruder.

Nun will sie sprechen: über den Machtkampf in der Partei. Und was die Spenden mit ihm zu tun hatten. Petry hat ein Buch darüber geschrieben, "Requiem für die AfD", das am 18. Juni erscheint. t-online dokumentiert ein zentrales Kapitel daraus in Form eines Gastbeitrags, da die verdeckten Spenden an die derzeit größte Oppositionspartei von großem öffentlichem Interesse sind. Ob es bekannte oder weniger bekannte Namen betrifft: Die Vorwürfe, die Petry erhebt, sind schwer: Spitzenpolitiker der AfD seien "nicht mehr Herr ihres Handelns". Im Folgenden der Auszug aus Petrys Buch:

Je länger ich die Puzzleteile der externen Geldströme in die AfD zusammenfügte, desto mehr begannen die einzelnen Teile ein großes Ganzes zu bilden. Auf den ersten Blick waren es bloß illegale Parteispenden, an die sich viele Wähler bei allen Parteien über die Jahre längst gewöhnt hatten, aber im Hintergrund entstand ein bislang gut verborgenes Motiv. (...)

Seit den ersten Tagen der AfD verfügte [die zeitweilige Parteisprecherin] Dagmar Metzger anscheinend über unerschöpfliche Geldquellen. Sie konnte in Abstimmung mit Bernd Lucke oder zumindest unter seiner stillen Duldung operieren. Nach außen gab sie gern die Liberale. Tatsächlich verfügte sie über beste Kontakte in Netzwerke rund um das Unternehmen Degussa Goldhandel, das im Jahr 2010 von dem Milliardär August Baron von Finck junior gegründet worden war.

Um zu verstehen, wie Finck politisch einzuordnen ist, muss man nur seinen Bankier Ferdinand Graf von Galen zitieren: "Rechts vom Gustl steht bloß noch Dschingis Khan."

Während Metzger in der AfD Themen wie Migrations- oder Islamkritik als rechte Themen ablehnte, hatte sie mit ihrer Agentur Wordstatt auch bei der Vermarktung von Autoren wie Udo Ulfkotte offenbar weit weniger Berührungsängste. Seit Langem pflegte Metzger enge Kontakte zu Ernst Knut Stahl, dem Finck-Bevollmächtigten, der auch in ihrem Privathaus zu Gast war. Dort traf ihn auch der langjährige Parteivorsitzende der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, offenbar bevor Metzger sich ab 2013 um die neu gegründete AfD kümmerte. Ihr Angebot, "es gebe Geld", lehnte Aiwanger ab und bewies damit politisches Format.

Die Fincks und die Nazis

Diese Hintergründe erfasste ich erst Jahre nach Metzgers AfD-Austritt im Jahr 2014. Mir fiel in den Monaten zuvor jedoch auf, dass Metzger Parteifunktionäre zu sich nach München lud, Gespräche führte und versuchte, einzelne Personen an sich zu binden. Welche Ziele sie über die übliche Kontaktpflege hinaus verfolgte, blieb für mich unklar. Auch ein Gespräch, das ich selbst mit ihr in München führte, vergrößerte die persönliche Distanz nur weiter.

Die Familie Finck kann auf eine lange Geschichte von Geld und Politik zurückblicken und insbesondere auf unglückliche Verquickung dieser beiden Sphären miteinander. Fincks Vater hatte einst den Aufstieg Hitlers eng begleitet, war Nutznießer der Arisierung jüdischer Banken geworden, und der Sohn hatte das Vermögen geerbt. In den Jahrzehnten der Bonner Republik hatte August von Finck junior Politiker von Union, FDP und SPD gesponsert. Die guten Kontakte sollten nicht zu seinem Schaden sein. (...)

Fincks Name tauchte mal handfest, mal gerüchteweise immer wieder auf, sobald Parteineugründungen rechts der Union initiiert oder Vereine gegründet wurden, die mittels bürgerschaftlichen Engagements politische Einflussnahme anstrebten. Unter anderem finanzierte Finck mit sechs Millionen Euro den Verein "Bürgerkonvent", in dessen Vorstand ab 2013 auch die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin und frühere Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld, der frühere "FAZ"-Redakteur Klaus-Peter Krause und Beatrix von Storch saßen.

Der "Wahlhelfer" in Thüringen

Als von Storch den Verein zwei Jahre später liquidierte, war sie selbst stellvertretende AfD-Bundessprecherin und Krause im AfD-Landesverband Schleswig-Holstein aktiv. Lengsfeld, deren Sohn für die CDU von 2013 bis 2017 im Bundestag saß, trat nie der AfD bei. Wohl aber verantwortete Vera Lengsfeld im Jahr 2019 die Gratiszeitung "Wahlhelfer" ausgerechnet zur thüringischen Landtagswahl. Darin wurde eine Annäherung von CDU und AfD herbeigeschrieben, ausgerechnet mit Björn Höckes Thüringer AfD!

Wer immer das finanzierte, zeigte hier ganz offen, dass er im besten Fall blind war für Höckes Extremismus, im schlechteren diesen sogar zu unterstützen gedachte. Zwar ging man offiziell auf Distanz zur Person Höcke, unterstützte aber den Landesverband, der inhaltlich vollständig auf Höckes Linie lag. Im Hintergrund standen die "Vereinigung der Freien Medien" mit David Bendels, Chefredakteur des "Deutschland-Kurier" und David Berger, vormals Mitglied des Kuratoriums der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung. Die Welt ist klein. (...)


[Denn bereits im] Frühling 2017 war wieder einmal Fincks rechte Hand Stahl in Aktion getreten. Laut Zeitungsartikeln traf er sich in München mit einem Verleger und einem Journalisten des Bayerischen Rundfunks. Gegenstand des Gesprächs soll die Gründung einer Zeitung gewesen sein, doch der genaue Inhalt ist umstritten. Einer der Teilnehmer will sich gar daran erinnern, dass zu diesem Zeitpunkt auch der Name einer neu geplanten Zeitung genannt wurde: "Deutschland-Kurier".

Tatsächlich entstand eine Zeitung dieses Namens kurz darauf unter dem Dach des (...) "Vereins zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten". Chefredakteur und Vereinsvorsitzender wurde David Bendels. Die Finanzierung der Zeitung? Unklar! Klar ist nur, dass die Goal AG gestalterisch tätig wurde [die bereits Jörg Meuthen in seinem Wahlkampf unterstützt hatte].

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Über Jahre und Jahrzehnte erscheinen in konservativen und libertären Netzwerken immer wieder dieselben Namen. Grundsätzlich bin ich froh, dass es in diesem Land neben der erdrückenden Zahl linker Vorfeldorganisationen auch Denkfabriken gibt, die Freiheit und Eigenverantwortung großschreiben. Soweit bekannt, decken sich viele der dort vertretenen Positionen und Ziele zur Erneuerung von Demokratie und Marktwirtschaft nach wie vor mit meinen politischen Überzeugungen.

Das Einflussnetzwerk

An einem Punkt scheiden sich für mich jedoch die Geister: Man kann diese Ziele in Abgrenzung zu extremistischen Positionen vertreten, oder man glaubt, extremistische Positionen nutzen oder einbinden zu können. Das zweite halte ich für brandgefährlich. Die Finck'schen Netzwerke unterlaufen nach meiner Beobachtung diese Abgrenzung immer wieder. Wo immer Finck oder "seine Leute" auftauchen, muss ich an das Zitat des Bankiers denken, "Rechts von Finck steht nur noch Dschingis Khan".

Geld in der Größenordnung von Millionen fließt selten, ohne dass der Geldgeber Einfluss darauf nimmt, wie das Geld verwendet wird – und zwar gerade dann, wenn es illegal fließt. Heute weiß ich: Seit Jahrzehnten tauchen bei politischen Projekten rechts der Union immer wieder Finck, Degussa und damit verbundene Netzwerke auf. Man kann sich nur schwer rechts der Union politisch engagieren, ohne auf dieses Einflussnetzwerk zu treffen.

Genauso lange ist es misslungen, rechts der Union eine Partei in Abgrenzung zum Extremismus aufzubauen, trotz zahlreicher vielversprechender Versuche. Fast könnte man auf die Idee kommen, das eine hänge mit dem anderen zusammen.

In der AfD zeigte sich zuverlässig dasselbe Bild:

  • Jörg Meuthen bekam Anfang 2016 Geld aus der Schweiz und lief zum selben Zeitpunkt zum "Flügel" über.
  • Alice Weidel beendete ihre Oppositionshaltung zu Höcke im Frühjahr 2017 und erhielt ab Sommer 2017 Geld aus der Schweiz.
  • Maximilian Krah, Anfang 2017 noch überzeugt, dass Höcke "braun" sei, schrieb in der Folge für den von wem auch immer finanzierten "Deutschland-Kurier" und ging nahtlos und ohne inhaltliche Auseinandersetzung in Opposition zu mir.
  • Der ehemalige SPD-Bergmann Guido Reil aus Essen, inzwischen selbst EU-Parlamentarier der AfD, erhielt aus der Schweiz Sponsoring für seinen Landtags-Wahlkampf im Frühjahr 2017 und wechselte gleichfalls die Fronten.
  • Mein Mitarbeiter Michael Klonovsky verfügte offenbar über weit größeres Wissen über die Spendennetzwerke als ich selbst. Auch versuchte er erfolglos, mich von einer milderen Gangart gegenüber Höcke zu überzeugen. Er hielt eine Buchlesung beim besagten "Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten". Seine Frau trat dort als Pianistin auf. Ob und in welcher Höhe hierfür Honorare flossen, bleibt ein Geheimnis (...). Auch er wandte sich öffentlichkeitswirksam von mir ab und tauchte bald darauf als Gaulands Mitarbeiter im Bundestag auf.


Es schien wie verhext. Sobald finanzstarke Figuren vom Schlage Dschingis Khans am Spielfeldrand der AfD auftauchten, vergaßen bisher scheinbar vernunftbegabte Menschen ihre Prinzipien und oft auch jeden Anstand. Die Liste derjenigen, die sich der inhaltlichen Einflussnahme durch das Geld widersetzten, ist dagegen vergleichsweise kurz.

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Einer von ihnen war Mitbegründer des Facebook-Auftrittes der AfD. Er arbeitete im Jahr 2013 ehrenamtlich in Vollzeit für den Aufbau dieser und weiterer Facebook-Seiten und machte die Partei fast im Alleingang zum Überflieger in den sozialen Medien, lange, bevor andere Parteien deren Relevanz überhaupt erkannt hatten.

Im Frühling 2016 erhielt er durch Jörg Meuthen das Angebot, eine Kampagne in den sozialen Medien zu konzipieren, die aus der Schweiz finanziert würde. Der Kontakt mit der Goal AG und [dem Milliardär Henning] Conle wurde hergestellt, und die Goal AG finanzierte über rund ein Jahr umfangreich die Arbeit in den digitalen Medien.


Als ihm bedeutet wurde, dass man einen schärferen Ton, gerade auch gegenüber der Kanzlerin wünschte, blieb er seinen Überzeugungen treu und lehnte ab. Seit Gründung hatte er Sorge dafür getragen, dass die in AfD-Kreisen nicht unüblichen verbalen Ausfälle in Kommentaren und Postings verschwörungstheoretischer Seiten wie "PI-News" oder "Compact" auf der AfD-Facebook-Seite unterblieben. Zwar redete auch er Klartext in der Sache, aber vor allem nutzte er die kommunikativen Möglichkeiten der neuen Plattform, moderierte die Community und löschte ausfällige Kommentare mit eigens geschulten Mitarbeitern.

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Als dieser Mitarbeiter sich nun einem stilistischen Wechsel verweigerte, wurde zum einen die Unterstützung der Goal AG beendet, zum anderen entzog man ihm auch aus der AfD-Geschäftsstelle die Verantwortung für die sozialen Medien und ersetzte ihn durch flexibleres Personal. Das Spitzenteam Gauland/Weidel wünschte ab sofort offenbar einen anderen Stil.

Was ist die stärkste Motivation des Menschen? (...) Es waren Neid und Gier! Diese Faktoren hatten jedenfalls zahlreiche meiner AfD-Kollegen getrieben. In der Konsequenz waren alle beteiligten Protagonisten, die sich auf finanzielle Zuwendungen eingelassen hatten, nicht mehr Herr ihres Handelns. Allein darauf kam es an.

Angst war allenfalls eine Folge des ursprünglichen Antriebs, und höchstens jene Angst, aufzufliegen. Wie die AfD sich den Wählern präsentierte, bestimmten nicht mehr sie als Politiker oder Abgeordnete, sondern diejenigen, die sie mit Geld korrumpierten. Einige Millionen hatten ausgereicht, um aus einer möglichen Kanzlerpartei tatsächlich einen gärigen Protesthaufen ohne realistische Machtoption zu machen.

Die im Gastbeitrag geäußerten Ansichten geben die Meinung der Autorin wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

Verwendete Quellen
  • Das Buch "Requiem für die AfD" von Frauke Petry erscheint am 18. Juni 2021 im Stadtluft-Verlag, ISBN: 978-3-9823047-0-0
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