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Tagesanbruch: Machtkampf in Venezuela – Die Jagd auf das Öl hat begonnen


Tagesanbruch
Was heute Morgen wichtig ist

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 01.02.2019Lesedauer: 7 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Donald TrumpVergrößern des Bildes
Donald Trump (Quelle: Yuri Gripas/imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Getroffene Hunde bellen, lautet ein deutsches Sprichwort. In Moskau bellten die Hunde gestern besonders laut. Von Stellungnahmen russischer Regierungssprecher sind wir Journalisten einiges gewöhnt, da werden gern mal Fakten verbogen, dass es kracht, da wird geblendet und gelogen. Eine bekannte Methode der russischen (Des-)Informationspolitik ist die Verleumdung: Unliebsame Gegner werden öffentlich an den Pranger gestellt und mit falschen Behauptungen überzogen – mögen diese noch so absurd sein. Das Kalkül: Irgendetwas bleibt immer hängen. So werden Gegner zermürbt.

Darauf gibt es in unseren Augen nur eine Antwort: Transparenz und Widerspruch. Wieder und wieder und wieder. Deshalb haben wir gestern sogleich reagiert, als die Anschuldigungen der russischen Außenministeriumssprecherin publik wurden. In Deutschland gebe es eine staatlich gesteuerte "Verfolgung" russischer Medien, behauptete Maria Sacharowa in ihrer wöchentlichen Pressekonferenz – und nannte dabei ausdrücklich t-online.de, "Bild" und die "Deutsche Welle". t-online.de sei "bekannt für seine Falschmeldungen über russische Medien".

Offenkundig bezog sich die Kreml-Sprecherin auf die Recherchen meiner Kollegen Jan-Henrik Wiebe, Lars Wienand und Jonas Mueller-Töwe. Sie hatten in mehreren europaweit beachteten Artikeln aufgedeckt, wie der russische Staat über eine Medienzentrale in Berlin seine Propaganda verbreitet (mehr dazu hier) und offenbar auch Vereine infiltriert (mehr dazu hier).

Die Vorwürfe der russischen Regierungssprecherin mögen in den Ohren aller Menschen, die keine Waschmaschine im Kopf haben, so absurd klingen, dass sie versucht sein könnten, sie zu ignorieren. Aber das wäre falsch. Weil der Propaganda damit Raum gelassen würde – vor allem in den sozialen Medien, wo russische Trolle, aber auch Amtsträger ihren Einfluss ausweiten, Andersdenkende diskreditieren, kritische Berichterstattung torpedieren. Deshalb widerspreche ich im Namen meiner Redaktion deutlich und weise die Vorwürfe entschieden zurück. Selbstverständlich sind meine Kollegen und ich weder staatlich gesteuert noch 'verfolgen' wir russische Medien. Wir arbeiten transparent und gewissenhaft (mehr dazu in unserem Redaktions-Blog). Und wir berichten unabhängig und gründlich, aber kritisch über den Einfluss russischer Medien und des russischen Staates in Deutschland. Dass dies manchen Stellen in Russland nicht gefällt, liegt auf der Hand. Bellende Hunde eben.

Das Problem ist: In Deutschland wird weder das Bellen noch die subversive Einflussnahme bislang ernst genug genommen. Als Reaktion auf unsere Enthüllungen ernteten wir bei Politikern in Berlin zwar viel Empörung – aber ebenso viel Ratlosigkeit. Auch deutsche Behörden scheinen die Propagandatätigkeiten bislang kaum im Blick zu haben. "Während unserer Recherchen haben wir staatliche Stellen nicht als hilfreich erlebt", berichtet mein Kollege Lars Wienand. "Als wir dem Verdacht Moskauer Einflussnahme nachgingen und deutsche Sicherheitsbehörden dazu befragten, bekamen wir jeweils keine erhellenden Informationen." In Moskau bellen die Hunde. In Deutschland herrscht vielerorts Schweigen. Nicht gut.

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Ist eine Kerze schädlicher als ein Dieselauto? Warum gelten in Gebäuden andere Schadstoff-Grenzwerte als außerhalb? Und weshalb haben viele Ärzte noch keinen einzigen Stickoxid-Toten gesehen? Wer in diesen Tagen tatsächlich noch die 125. Talkshow zu Fahrverboten und Luftwerten übersteht, bekommt haufenweise Info-Brocken an den Kopf geworfen – in einem Tempo, dass es einem schwindelig wird. Mal kurz innehalten und nachdenken? Dafür ist keine Zeit, denn – hui! – schon kommt der nächste Brocken angeflogen. Bei dem wäre es allerdings gut, tatsächlich mal genauer hinzusehen. Denn es stimmt: Bei der Arbeit ist viel schlechtere Luft erlaubt als an der Ampel. Das gilt aber nur für ganz bestimmte Arbeiten. Und auch die Sache mit den Stickoxid-Toten lässt sich erklären. Es lohnt sich eben, genauer hinzuschauen. Dafür müssen Sie nur hier klicken.

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WAS STEHT AN?

"Strategische Interessen": So nennt man es, wenn ausländische Mächte ihre Begehrlichkeiten für ein Land entdecken, ihre Finger ausstrecken – und in der Krise die Gunst der Stunde nutzen. Ob in Syrien, im Irak, im Jemen oder in Libyen: Immer dann, wenn ein Staat oder Regime ins Taumeln gerät, entfaltet die Einmischung von außen ihre tödlichste Dynamik. Denn ohne das Geld, die Waffen, das machtpolitische Taktieren der großen Akteure aus dem Ausland wären die Flächenbrände in diesen Ländern nie so groß gelodert. Die Akteure von außen treten auf den Plan, weil sie einen Lockstoff erschnuppern. Derer gibt es viele, doch wenige entfalten so verlässlich ihre Anziehungskraft wie das Öl.

Das Land mit den größten Ölreserven der Welt hat deshalb Schlimmes zu befürchten, wenn Menschen in Massen auf die Straße gehen und die Gefahr innerer Unruhen heraufzieht. Wenn eine breite Opposition den Herrscher, der sich mit Cliquenwirtschaft und Wahlmanipulation an der Macht hält, aus dem Amt jagen will, während es unter den Waffenträgern des Landes zwar brodelt, die Armee dem taumelnden Machthaber aber immer noch die Treue hält. Selbst im unattraktivsten Zwergstaat wäre das eine brandgefährliche Situation. Umso mehr, wenn es im Land – oder vielmehr darunter – so richtig was zu holen gibt.

Das Land mit den größten Ölreserven der Welt heißt Venezuela. Die Augen der Welt – Augen mit strategischen Interessen – blicken nun dorthin. Hinter Präsident Maduro hat sich das Who is Who der Autokratie versammelt: China, Russland, die Türkei, Kuba, selbst Herr Assad aus Syrien hat sich eingereiht. Sie alle haben bereits hinlänglich unter Beweis gestellt, welcher Umgang mit politischen Opponenten ihnen geeignet erscheint. Verhaftungen, Repression, die blutige Niederschlagung von Protesten wie einst auf dem Tiananmen-Platz, Menschen, die verschwinden. Präsident Maduro hat mächtige, mörderische Verbündete.

Aber sein Gegenspieler Juan Guaidó hat sich ebenfalls in fragwürdige Gesellschaft begeben. Präsident Trump und sein Sicherheitsberater, der Falke John Bolton, haben Guaidó in ihre erdrückende Umarmung genommen, reden in Andeutungen bereits von militärischer Intervention. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr – wie Trump zuletzt in Syrien eindrucksvoll bewiesen hat: Seine kurdischen Alliierten hatten im Kampf gegen den “Islamischen Staat“ für die Amerikaner die Drecksarbeit gemacht. Kaum ließ das US-Interesse nach, beliebte es Trump, die Kurden ihren Todfeinden auf dem Silbertablett auszuliefern – ganz unbürokratisch per Twitter.

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Es sind solche Unterstützer, es sind die Pokerspieler aus dem Ausland, die das zerrissene Venezuela von der Krise in die Katastrophe treiben können. Geld und Waffen fließen bereits ins Land. Russen, Chinesen, Amerikaner, alle sind sie da. Ihre Interessen kreuzen sich in Venezuela wie ein Geflecht aus Zündschnüren über einem Fass voll Öl. Die Jagd auf das schwarze Gold hat begonnen. Wir können nur hoffen, dass der Funke ausbleibt.

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Die Grundsteuer-Reform ist eine komplizierte Sache, da geht es um Quadratmeter, Zuständigkeiten und vor allem sehr viel Geld, sowohl für Mieter als auch für Vermieter als auch für den Staat. Monatelang hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) mit den Ländern um eine Einigung gerungen, heute könnte sie bei einem Spitzentreffen klappen. Das Kompromissmodell soll Städten und Gemeinden jährliche Einnahmen von 14 Milliarden Euro sichern. Meine Kolleginnen in unserem Ratgeber-Team werden berichten.

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Der Bundestag debattiert heute über die Hightech-Strategie zur Forschungsförderung, einen Antrag der Grünen-Fraktion zum Kampf gegen Plastikmüll sowie eine Initiative der AfD-Fraktion zu den Stickoxid-Grenzwerten. Nachmittags steht dann eine Aktuelle Stunde zum gefährdeten INF-Vertrag über nukleare Mittelstreckenraketen auf dem Programm.

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Bundeskanzlerin Merkel und Bundespräsident Steinmeier empfangen heute den armenischen Ministerpräsidenten Nikol Paschinyan. Das interessiert meine geschätzte Kollegin Ani Palyan bestimmt ganz besonders. Im vergangenen Frühjahr hat sie die “samtene Revolution“ im Herkunftsland ihrer Familie empathisch beschrieben.

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Die Deutsche Bank existiert noch (was angesichts ihrer unzähligen Krisen ungewöhnlich ist). Heute legt der neue Chef Christian Sewing zum ersten Mal die Jahresbilanz vor (was ein gewöhnlicher Vorgang ist). Nach drei Verlustjahren könnte die Bank das Jahr 2018 mit einem Gewinn abschließen (was wiederum ungewöhnlich ist).

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WAS LESEN?

Wiederholt habe ich im Tagesanbruch über die gravierenden weltpolitischen Veränderungen geschrieben, die wir in diesen Jahren erleben. Der Aufstieg Chinas. Das Comeback des Nationalismus. Das Erstarken des Populismus. Der Brexit. Das deutsche Unbehagen, mehr Verantwortung in der Welt zu übernehmen. Große Themen, viele Worte an vielen Morgen. Aber wenn jemand anderes sehr viel klüger ist als man selbst, schärfer analysieren und präziser formulieren kann, sollte man seinen Platz räumen und ihm die Bühne überlassen. Wohl denn: Ich räume meinen Platz für den großen Historiker Timothy Snyder. Der “Neuen Zürcher Zeitung“ hat er ein bemerkenswertes Interview zu den aktuellen Entwicklungen in Europa gegeben. Ich glaube, ich lese es gleich noch ein drittes Mal.

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Die letzten Deals sind abgeschlossen: Gestern Abend um 18 Uhr endete die Transferperiode in der Fußball-Bundesliga, nun sind keine Neuverpflichtungen mehr erlaubt. Bei insgesamt mehr als 70 Personalwechseln verlieren sogar eingefleischte Fans den Überblick. Gut also, dass mein Kollege Luis Reiß einen Überblick erstellt hat: Welcher Klub hat sich mit welchen Spielern verstärkt, und wer hat am meisten Geld ausgegeben? Oh, es waren nicht die Bayern!

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WAS AMÜSIERT MICH?

Heute stellen wir uns folgender Aufgabe: die Welt zu erfassen. Den Lauf der Dinge zu beschreiben. Die Natur, die Liebe, Erfindungen, Krieg, das Auf und das Ab. In maximal fünf Minuten. Und ohne ein Wort. Eine harte Nuss? Unmöglich? Hier hat sich einer herangewagt und ein faszinierendes, zugleich seltsames Filmchen abgeliefert. Eines, wie man es selten findet. Unterhaltsam ist es auch. Mein Eindruck: unbedingt sehenswert. Zur Lösung der Aufgabe bitte hier entlang.

Ich wünsche Ihnen einen famosen Tag. Wenn Sie mögen, können Sie morgen ab 6 Uhr hier die Tagesanbruch-Audiosendung am Wochenende hören. Mit meinem Kollegen Marc Krüger werde ich mich über zwei brisante Themen unterhalten.

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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