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Bundestagswahl: Das ist die dringendste Reformaufgabe


Tagesanbruch
Das ist eine Anmaßung

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 14.09.2021Lesedauer: 5 Min.
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Der Bundestag könnte durch die Wahl noch sehr viel größer werden.Vergrößern des Bildes
Der Bundestag könnte durch die Wahl noch sehr viel größer werden. (Quelle: imago images)

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Ein teures Heer von Hinterbänklern

Reformen sind in aller Munde. Ob Armin Laschet, Annalena Baerbock, Olaf Scholz, Christian Lindner, Alice Weidel oder Dietmar Bartsch: Alle wollen sie das Land reformieren. Egal, welche Parteien nach dem 26. September ans Ruder kommen und wer den künftigen Kanzler stellt, die Bürger müssen sich auf jede Menge Umbauten einstellen. Steuern, Verwaltung, Verkehr, Mieten, Hausbau, Landwirtschaft: Überall soll es neue Regeln geben, und natürlich wollen alle Politiker alles besser machen als bisher.

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So groß wie der Umgestaltungswille der Parteien ist, wenn es um das Geld der Bürger geht, so klein ist ihre Veränderungsbereitschaft, wenn es um ihre eigenen Pfründe geht. Seit Jahren wächst die Zahl der Bundestagsabgeordneten. Eigentlich beträgt die Regelgröße des Parlaments 598 Sitze, derzeit sind es aber 709 – und nach der Wahl in knapp zwei Wochen könnten es mehr als 800 sein. Einige Beobachter halten sogar 900 oder gar mehr als 1.000 Sitze für möglich. Schuld daran ist nicht allein das komplizierte deutsche Wahlrecht mit seinen Überhang- und Ausgleichsmandaten. Schuld sind vor allem die Spitzenleute von CDU, CSU und SPD, die sich in den vergangenen Monaten einer grundlegenden Wahlrechtsreform verweigert haben. Statt einen konstruktiven Vorschlag der Oppositionsparteien FDP, Grüne und Linke aufzugreifen, zimmerten sie ein wirkungsloses Gesetzchen zusammen, das im Wesentlichen alles belässt wie bisher. Vor allem die CSU tat sich dabei als Blockiererin hervor, sie fürchtet um ihre Direktmandate in Bayern. "So geht das nicht weiter", hieß es schon vor knapp zwei Jahren im Tagesanbruch. Heute ist das Problem immer noch dasselbe.

Und teuer ist es, richtig teuer. Fast 10.000 Euro erhält jeder Abgeordnete und jede Parlamentarierin pro Monat, außerdem eine steuerfreie Kostenpauschale von gut 4.400 Euro. Hinzu kommen Alimente für Reisen, Mitarbeiter, Mieten, Büromaterial und die Kosten für Liegenschaften des Bundestags. Auf mehr als eine Milliarde Euro summieren sich die Beträge – nicht einmalig, sondern jedes Jahr.

Keine Frage: Eine lebendige Demokratie braucht gut ausgestattete Parlamente, die möglichst viele gesellschaftliche Interessen und Milieus vertreten. Das darf durchaus etwas kosten. Was es aber nicht braucht, ist ein Selbstbedienungsladen für Parteien, in dem sich ein Heer von Hinterbänklern auf Kosten der Steuerzahler tummelt. Wenn die Abgeordneten des nächsten Bundestages wirklich das Land reformieren wollen, sollten sie bei sich selbst beginnen und als erstes Gesetz fraktionsübergreifend eine Wahlrechtsreform beschließen, die ihren Namen verdient. 600 Sitze genügen. Jeder weitere ist eine Anmaßung.


Danke, Dante!

Am Ende verließen ihn die Kräfte. Jahrelang hatte er am Limit gelebt. Immer vorne dran, immer vom Mut des Idealisten beseelt, von der Kraft der Poesie erfüllt. Doch wenn die Niederungen der Kleinstaaterei, die zersetzende Kraft der Neider und die Niedertracht der religiösen Eiferer wieder und wieder ihre Angriffe führen, ist irgendwann selbst der freieste Geist nicht mehr stark genug, sich zu erwehren. Dann reicht schon irgendein Parasit in irgendeiner Gasse oder irgendeinem Wirtshaus, um den Größten unter den Geistesgiganten hinfort zu raffen. Am Ende war es wohl die Malaria, irgendwo in den Straßen von Ravenna, wo er sich auf Durchreise aufhielt, der Größte seiner Zeit.

So schloss er heute vor 700 Jahren für immer die Augen: Dante Alighieri, Schöpfer der "Göttlichen Komödie", Wegbereiter der italienischen Sprache, heute im schönsten Land der Welt als Nationaldichter verehrt. Die Engländer haben ihren Shakespeare, wir Deutschen haben Goethe. Wir können ermessen, was es bedeutet, ein Weltgenie im Auditorium der Dichterfürsten zu wissen. Poet war er und Politiker, als Strippenzieher betätigte er sich, seine Feinde verurteilten ihn zum Tod auf dem Scheiterhaufen. Doch er entkam ihnen, er war klüger als die Kleingeister. Bis ihn in Ravenna ein noch kleinerer Erreger dahinraffte. Da hatte er sein Jahrtausendwerk glücklicherweise schon vollendet. "Lasst alle Hoffnung fahren, die ihr eintretet", steht auf dem Tor zur Hölle, so berichtet es uns der Meister – und schreibt zugleich: "Ohne Freunde können wir kein vollkommenes Leben führen." Ein Werk voller Widersprüche, voller Abgründe, voller Anmut, in Versen wie von einem Gott gehaucht. Dass der menschliche Geist dergleichen hervorbringen kann, beweist doch, dass auch wir Menschlein wenigstens ein bisschen göttlich sind. Und falls Sie daran nun immer noch zweifeln, finden Sie hier die Erklärung für schlichtere Gemüter.


Merkel auf Abschiedstour

Während daheim weiter der Wahlkampf tobt, setzt Angela Merkel ihre Abschiedstour fort, heute auf dem Westbalkan. Nachdem sie gestern den serbischen Staatspräsidenten Aleksandar Vučić getroffen hat, steht heute in Tirana ein Austausch mit dem albanischen Ministerpräsidenten Edi Rama auf dem Programm. Zum Mittagessen will die Kanzlerin dann auch mit den Regierungschefs von Kosovo, Bosnien und Herzegowina, Montenegro und Nordmazedonien zusammenkommen. In all diesen Gesprächen geht es um die EU-Beitrittsperspektive für die kleinen Staaten – und die Bedingungen, die dafür zu erfüllen sind. Vielerorts mangelt es an Rechtsstaatlichkeit und fachlicher Kompetenz in den Verwaltungen; Korruption und Vetternwirtschaft greifen um sich, unabhängige Medien stehen unter Druck. Womöglich kann Frau Merkel hier noch ein paar Pflöcke für die nachfolgende Regierung einschlagen. Den Graben zwischen West- und Osteuropa werden andere überbrücken müssen.


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Mitte März 2020 gingen Fotos aus der oberitalienischen Stadt Bergamo um die Welt: Das Coronavirus geriet außer Kontrolle, Bilder zeigten röchelnde Patienten, ausgelaugte Krankenschwestern, Militärtransporter mit Särgen. Das Entsetzen war groß. Dagegen nahmen nur wenige Menschen Notiz von der Katastrophe, die sich zeitgleich auf der anderen Seite des Atlantiks anbahnte – und fast noch viel schlimmere Folgen gehabt hätte: Wären die internationalen Finanzmärkte kollabiert, unsere Welt wäre heute eine andere.

Einer, der sich so gut wie kaum ein anderer mit Finanzturbulenzen auskennt, ist Adam Tooze. Der britische Historiker hat die Weltwirtschaftskrise 2007/2008 erforscht und das Standardwerk dazu vorgelegt. In seinem neuen Buch beschreibt er nun, wie Corona die globalen Finanzströme einfror – und wie nahe wir alle deshalb am Abgrund standen. Meinem Kollegen Marc von Lüpke und mir hat er erklärt, warum unsere Welt nie mehr normal sein wird, wen er für den besten künftigen Kanzler hält und warum Europa die Lehre aus Corona nicht verstanden zu haben scheint.


Die SPD liegt in den Umfragen vorn, doch ein Wahlsieg ist trotzdem nicht sicher. Warum Armin Laschet doch noch triumphieren könnte, erklären Ihnen unsere Reporter Johannes Bebermeier und Tim Kummert.


Ein Foto zeigt einen jungen Mann: Der deutsche Dschihadist, der sich dem "Islamischen Staat" anschloss, soll 2015 im Irak gestorben sein. Warum sucht die Polizei heute wieder nach ihm? Unser Rechercheur Jonas Mueller-Töwe berichtet über einen mysteriösen Fall.


Die SPD will sie, die Grünen wollen sie, die Linke sowieso: So unwahrscheinlich ein rot-grün-rotes Bündnis nach der Bundestagswahl sein mag, so klar ist doch: Die Vermögensteuer wird in den Koalitionsverhandlungen eine zentrale Rolle spielen. Doch Ökonomen halten sie für Gift. Warum, das erklärt Ihnen unser Wirtschaftschef Florian Schmidt.


Was amüsiert mich?

Manche Wahlplakate sind wirklich sonderbar.

Ich wünsche Ihnen einen erbaulichen Tag. Morgen schreibt Camilla Kohrs den Tagesanbruch, von mir lesen Sie ab Donnerstag wieder.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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