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Studie: Vermögensteuer? So gefährlich wäre sie für die Wirtschaft


Neue Studie
Forscher warnen vor der Einführung einer Vermögensteuer


Aktualisiert am 14.09.2021Lesedauer: 4 Min.
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Vermögensteuer voraus: Sowohl Linken-Spitzenkandidatin Janine Wissler (v.l.) als auch Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz können sich zusätzliche Belastungen für Wohlhabende vorstellen.Vergrößern des Bildes
Vermögensteuer voraus: Sowohl Linken-Spitzenkandidatin Janine Wissler (v.l.) als auch Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz können sich zusätzliche Belastungen für Wohlhabende vorstellen. (Quelle: imago-images-bilder)

Die SPD will sie, die Grünen wollen sie, die Linke sowieso: Die Vermögensteuer wird in möglichen Koalitionsverhandlungen eine Rolle spielen. Experten urteilen nun: Die Steuer wäre für die deutsche Wirtschaft gefährlich.

"Deutschland braucht eine Vermögensteuer", sagt SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. "Wir wollen die Vermögensteuer reaktivieren, um in den Ländern mehr Mittel für die Bildung zu haben", sagt Annalena Baerbock, die für die Grünen ins Kanzleramt will. "Wir brauchen eine Umverteilung von oben nach unten", sagt die Spitzenkandidatin der Linkspartei, Janine Wissler.

Die Richtung der drei wichtigsten Parteien im linken Spektrum ist klar: Nach der Bundestagswahl soll der Staat Reiche stärker zur Kasse bitten – und zwar zusätzlich zu jenen Steuern, die auf Einkommen in Deutschland anfallen. Verkürzt klingt die Idee charmant und für viele Menschen auch gerecht: Wer besonders viel hat, über viel Geld verfügt, soll mehr zum Allgemeinwohl beitragen, nicht zuletzt angesichts der hohen Schulden, die der Staat in der Corona-Krise aufgenommen hat.

Neue Kritik an der Vermögensteuer

Doch der Vorschlag ist umstritten, wie just auch im zweiten Triell der Kanzlerkandidaten deutlich wurde: CDU-Kandidat Armin Laschet sprach sich entschieden gegen die Steuer aus, weil sie in der Erhebung zu kompliziert sei. Auch der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, kritisierte die Steuer zuletzt. Jetzt sorgt eine aktuelle Studie des arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) aus Köln für neuen Zündstoff in der Debatte.

Eine Vermögensteuer ist eine jährliche Steuer auf hohe Vermögen. Von ihr zu unterscheiden ist eine Vermögensabgabe, die einmalig auf den Vermögensbestand zu einem festgelegten Stichtag anfällt. Bis zu ihrer Aussetzung im Jahr 1997 mussten in Deutschland Privatpersonen eine Vermögensteuer in Höhe von einem Prozent abführen, für Unternehmen lag der Steuersatz bei 0,6 Prozent. SPD und Grüne wollen die damals gerichtlich gekippte Vermögensteuer jetzt wiederbeleben, die Linkspartei zusätzlich eine Vermögensabgabe einführen.

Das Papier der Ökonomen Martin Beznoska und Tobias Hentze, das t-online vorliegt, unterstreicht: Die Wiederbelebung der Steuer, womöglich gar die Einführung einer zusätzlichen Einmalabgabe, wie sie die Linke plant, könnte schwere Folgen haben für die deutsche Wirtschaft.

Firmen würde Geld für Investitionen genommen

Denn: Die Vermögensteuer würde nicht allein für Privatpersonen gelten, für Menschen, die nicht mehr als eine Eigentumswohnung im teuren München-Bogenhausen besitzen. Sie träfe auch das Vermögen von Eigentümern und Chefs mittelständischer Unternehmen – das größtenteils in den Firmen selbst steckt. Müssten sie mehr Steuern zahlen, könnten sie womöglich weniger Geld in ihre Unternehmen investieren.

Konkret würde eine Vermögensteuer von einem Prozent dabei wie eine Erhöhung der Ertragssteuer um acht bis zehn Prozentpunkte wirken, rechnen die IW-Ökonomen vor. Viel Geld, das die Firmen an den Fiskus abführen müssten und das ihnen in der Folge fehlen würde, um wichtige Investitionen zu tätigen, etwa in die Digitalisierung ihrer Betriebe oder der Schaffung neuer Arbeitsplätze.

Für Beznoska und Hentze heißt das: "Die wirtschaftlichen Konsequenzen können gravierend sein." Die hohe Zusatzbelastung führe dazu, "dass der Wirtschaftsstandort Deutschland im internationalen Vergleich unattraktiv wird".

Wohlhabende könnten vor der Steuer ins Ausland flüchten

Schlimmstenfalls könne das wiederum dazu führen, dass Unternehmer künftig nicht mehr in Deutschland produzierten. "Hinzu kommt, dass sehr wohlhabende Personen ihren Wohnsitz ins Ausland verlagern könnten, um der Steuer zu entgehen", schreiben die Ökonomen weiter. In der Summe dürfte sich die Steuer durch derlei Ausweichreaktionen noch weniger rentieren als ohnehin.

Denn schon jetzt halten viele Experten die Steuer für ein bürokratisches Monster. So ist es etwa sehr schwer, die Vermögen einzelner Menschen adäquat zu schätzen: Wie viel ist ein teures Gemälde heute wert? Mit welcher Summe schlägt ein Oldtimer zu Buche? Fragen wie diese müssten die Finanzämter beantworten, um die Höhe der Steuerabgabe festzusetzen.

Immerhin, so der Einwand nicht nur von SPD, Grünen und Linken: die Vermögensteuer könnte für mehr Gleichheit sorgen, dafür, dass die Schere zwischen Arm und Reich nicht noch weiter auseinanderklafft.

Eine Steuer für "mehr Fairness"?

Zuletzt sprach sich deshalb etwa der Wirtschaftsexperte Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), für die Vermögensteuer aus, um für "mehr Fairness" zu sorgen. In einem Interview mit dem "Handelsblatt" sagte er: "Das Vermögen in Deutschland von insgesamt zehn Billionen Euro ist extrem ungleich verteilt, der Anteil des oberen Prozents liegt bei 35 Prozent des gesamten Kuchens."

Was die Parteien wollen
SPD: Die Vermögensteuer soll wieder in Kraft treten, um die Finanzkraft der Länder zu verbessern; einheitlicher Steuersatz von 1 Prozent für "sehr hohe Vermögen", gleichzeitig hohe persönliche Freibeträge, konkrete Zahlen werden nicht genannt; Grundlage von Betrieben von Steuer ausgenommen, um Arbeitsplätze nicht zu gefährden.
Grüne: Die Vermögensteuer soll reaktiviert werden, damit Länder mehr Geld für Bildung haben; soll für Vermögen oberhalb von zwei Millionen Euro pro Person gelten und jährlich 1 Prozent betragen; Betriebsvermögen wird begünstigt.
Linke: Vermögensteuer soll ab einem Vermögen von einer Million Euro wieder erhoben werden; progressiver Steuertarif von 1 bis zu 5 Prozent bei Nettovermögen von 50 Millionen Euro; Freibetrag für Privatvermögen von einer Million Euro pro Person; Freibetrag für Betriebsvermögen von fünf Millionen Euro; Altersvorsorge von Steuer ausgenommen.

Tatsächlich lässt sich das in Deutschland seit Langem beobachten – und zwar anhand einer volkswirtschaftlichen Kennziffer mit einem ungewöhnlichen Namen: dem sogenannten Gini-Koeffizienten. Das ist eine Zahl, die angibt, wie sehr Einkommen und Vermögen konzentriert sind. Bei einem Wert von null verfügen alle Bürger über exakt dasselbe Einkommen oder Vermögen, bei einem Wert von eins hat einer alles, während die übrigen nichts haben.

Ungleichheit lässt sich so kaum beseitigen

Dabei zeigt sich, dass der Staat die monatlichen Bruttoeinkommen der Deutschen seit Jahren relativ stark umverteilt und so dafür sorgt, dass die Einkommenskluft nicht wächst. Der Gini-Koeffizient verharrt seit Jahren bei einem relativ niedrigen Wert von 0,29. Zum Vergleich: In den USA liegt er laut Angaben der OECD bei 0,39; im Hochsteuerland Belgien bei 0,26.

Anders sieht es bei den Vermögen aus: Hier lag die Kennziffer für das Jahr 2018 bei 0,71; sehr wenige Menschen verfügen also über sehr viel des Gesamtvermögens in Deutschland. Und die Schere wird größer: Im Jahr 2000, als die Vermögensteuer gerade erst ausgesetzt worden war, lag der Wert laut dem Bundesarbeitsministerium noch bei 0,68.

Könnte die Vermögensteuer da nicht Abhilfe schaffen? Im linken Parteispektrum sieht man das so. Die IW-Ökonomen Hentze und Beznoska jedoch widersprechen.

Selbst wenn der Staat durch die Einführung der Vermögensteuer relativ hohe Einnahmen von rund 19 Milliarden Euro jährlich erzielte, die er zugunsten der Ärmeren umverteilen könnte, wäre der Effekt auf die Ungleichheit gering. Der Gini-Koeffizient würde sich dadurch lediglich um jährlich 0,06 Prozent reduzieren.

Verwendete Quellen
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